Nikodemus (Teil 1)

Das Johannesevangelium  •  Sermon  •  Submitted
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Einleitung

Wir schreiben das Jahr 1192. Richard I König von England ist gerade auf der Rückreise von seinem Kreuzzug als sein Schiff in einen schweren Sturm gerät und kentert. somit ist Richard gezwungen seine Rückreise nach England auf dem Landweg zurückzulegen. Dabei hatte sein Kreuzzug sehr verheißungsvoll begonnen. Gemeinsam mit Philipp II. König von Frankreich hatte er Akkon im heutigen Syrien zurückerobert. Richard und Philipp hatten sich jedoch zerstritten. Und neben Philipp hat Richard auch Leopold Herzog von Österreich als Feind gewonnen. Durch dessen Hoheitsgebiet muss er aber jetzt nach dem Kentern seines Schiffs seine Rückreise antreten. Obwohl Richard sich als Knecht verkleidet und nur mit kleinem Gefolge reist, wird er entdeckt und gefangen genommen. Leopold jubelt und informiert den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation Heinrich VI. über die Gefangennahme von Richard. Dieser informiert Philipp II von Frankreich über die Gefangennahme von Richard und alle Mächtigen Europas sind in Hochtagsstimmung. In aller Ruhe wird das Lösegeld für Richard festgesetzt. 100.000 Mark in Silber sind für die Freilassung von Richard zu zahlen. Das entspricht mehr als 23 Tonnen Reinsilber. Und die werden nicht einfach aus Richard Geldschatulle genommen, sondern hier muss ganz England zu packen. Die Krone verkauft alles was sie nicht braucht. Der Adel muss Sonderabgaben entrichten. Die Steuerlast des einfachen Volkes war auch vor den Kreuzzügen schon sehr hoch und wird nun noch einmal um weitere 25% erhöht. Die Berge an Silber, welche in den Hafenstädten angesammelt werden, lassen selbst den Adel staunen. Es war eine unglaubliche Menge an Geld, die hier für die Freilassung von einem einzelnen Menschen gesammelt wurde. Zum Vergleich: eine einfache Bauers Familie mit mehreren Kindern konnte mit zwei Schilling einige Wochen überleben. Dieser Betrag für die Freilassung wurde natürlich nicht von heute auf morgen zusammengetragen. Richard ist einige Zeit in Gefangenschaft bei Heinrich geblieben. Man darf sich diese Gefangenschaft aber nicht wie in einer Zelle eingesperrt hat sein vorstellen. Richard konnte eingeschränkt seine Aufgaben als König immer noch erledigen. Er hat sich auch seine Falken aus England bringen lassen um mit dem deutschen Adel auf die Jagd gehen zu können. Während also in England die einfachen Bauern Hunger gelitten haben, damit ein einzelner Mann freigelassen werden kann, hat sich dieser Gefangener in seiner Gefangenschaft ganz gut amüsiert.
Wie anders schaut es mit Christus aus. Hier ist ein Mensch der sich für alle anderen Menschen dahin gegeben hat. Hier ist ein Mensch, der das Lösegeld für alle anderen Menschen gezahlt hat.
Der Legende nach wurde Richard durch Leopold in einer heruntergekommenen Wirtschaft in Österreich verhaftet, als Richard in seiner Knechtsverkleidung gerade ein Hühnchen briet. Was ihn verraten hat, war ein kostbarer Ring, den er von seiner Hand nicht ablegen wollte. Und diese Eitelkeit ist ihm letztlich zum Verhängnis geworden - oder man sollte besser sagen: Ist ganz England zum Verhängnis geworden.
Und Christus? Im Gegensatz zu Richard hat sich Christus seiner Göttlichkeit komplett entledigt. Nichts an seinem Äußeren, an den Umständen seiner Geburt oder seiner irdischen Familie ließen darauf schließen, dass Gott Sohn auf Erden gekommen ist. Aber dennoch gab es viele Menschen, die Jesus als Gott erkannt und angebeten haben. Und an dieser Stelle wollen wir in den biblischen Text einsteigen.

Biblischer Bericht und Auslegung

Allgemeine Situation nach der Tempelreinigung

Johannes 2,23–25 LU
23 Als er aber in Jerusalem war beim Passafest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. 24 Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle 25 und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.
In der letzten Predigt haben wir uns die beiden Geschichten in Joh 2 angeschaut: Die Verwandlung von Wasser zu Wein und die Tempelreinigung. Und wir haben gesehen, dass diese beiden Geschichten zusammenhängen. Die Steinkrüge für die rituelle Reinigung waren leer und standen damit als Sinnbild für die jüdische Religion, welche ihren Sinn verloren hatte. Und mit der Tempelreinigung zeigt Johannes an einem besonders krassen Beispiel, dass sich dieses Problem nicht nur in leeren Steinkrügen äußert, sondern auch ganz real im alltäglichen Leben der Menschen ist. Der Gottesdienst ist zu einer hohlen Phrase verkommen.

Nikodemus

Und so werden die Menschen auf Jesus ob seiner Zeichen aufmerksam, der so anders ist, als die anderen Führer Israels. Johannes beschreibt nachfolgend ein Beispiel:
Da gibt es einen gewissen Nikodemus, der sicherlich ein angesehener Mann in Israel war, ein Pharisäer und Mitglied des hohen Rates. Der kommt spät abends zu Jesus um mit ihm zu reden. Über die Bedeutung der späten Stunde ist schon viel gesprochen worden. Wir wollen hier heute dran vorbeigehen und uns auf das Gespräch konzentrieren
Johannes 3,2 LU
2 Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach zu ihm: Rabbi, wir wissen, dass du ein Lehrer bist, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.
Nikodemus kommt zu Jesus und eröffnet das Gespräch mit einer Feststellung. Wenn man mal Johannes zugesteht, dass er die Förmlichkeiten im Bericht unterschlägt, würde man doch erwarten, dass Nikodemus zumindest mal mit einer Frage oder einem kontroversen Statement den Dialog beginnt, damit sich überhaupt ein Diskussionsbedarf entstehen kann. Aber Nikodemus beginnt sein Gespräch mit Jesus mit einer (scheinbaren) Zustimmung zu Jesus.
Aber so butterweich Nikodemus Aussage auf den ersten Blick auch erscheinen mag, steckt doch ein recht brisantes Detail darin: Es ist der scheinbare nebensächliche Zusatz: von Gott gekommen. Hier gesteht N. Jesus tatsächlich eine göttliche Sendung zu. Und man darf davon ausgehen, dass diese Erkenntnis auch in breiten Schichten der Pharisäer zugegen war. Hinter vorgehaltener Hand wurde dies auch miteinander geteilt, nur dass sich die Pharisäer zu keiner offiziellen Stellungnahme durchringen konnten, weil es intern keinen Konsens über die Rolle Jesu gab. Dies kann man aus N. Aussage “Wir wissen” entnehmen. “Wir” umschliesst mehrere Personen, welche alle zu den Pharisäern gehört haben dürften. Und dass N. Kenntnis von den Ansichten der anderen Pharisäer besaß, setzt voraus, dass man diese Ansichten miteinander teilte.
Es verwundert nur, dass die Pharisäer, welche Jesu Schritte sehr genau beobachteten, ihn lediglich als Lehrer klassifizierten. Durch die vielfältigen Berichte hatten die Pharisäer von allen Menschen in Israel neben den Jüngern Jesu den umfassensten Kenntnisstand von Jesu Taten und Worten, was N. durch die Worte “denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm” bestärkt. Und dennoch kommen sie nur zur Schlussfolgerung, dass er ein Lehrer sei, was dem vollen Umfang seiner Sendung in keiner Weise gerecht wird.

Nathanael

An dieser Stelle wollen wir die Szene um Nikodemus kurz einfrieren und im Johannes Evangelium ins erste Kapitel zurückspringen.
Johannes 1,43–51 LU
43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! 44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus. 45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. 46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh! 47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. 48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. 49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! 50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. 51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.
Nathanael hört von Philipus, dass sie angeblich den Messiahs gefunden hätten. Aber Nathanael reagiert zunächst so, wie später auch die Pharisäer Nikodemus gegenüber reagieren werden:
Johannes 7,52 LU
52 Sie antworteten und sprachen zu ihm: Bist du auch aus Galiläa? Forsche und sieh: Aus Galiläa steht kein Prophet auf.
Aber Jesus sagt dann später etwas zu ihm, was Nathanael in einem Augenblick davon überzeugt, dass Jesus Gottes Sohn ist.
Johannes 1,49 LU
49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!
Vergleichen wir mal die beiden Aussagen: Nikodemus und Nathanael. Hier tun sich Welten auf. Zu dem einen sagt Jesus nur einen Satz und dieser glaubt. Der andere hat umfassende Informationen über Jesus und dessen Taten vorliegen und glaubt doch (noch) nicht.

Anwendung für uns

Ich weiß nicht wie ihr es seht. Aber für mich wird hier sehr deutlich, dass der Glaube oder die Überzeugung für eine Sache letztlich nicht durch Fakten entstehen kann. Man wird durch Argumente und logische Schlüsse nur selten einen Menschen von seiner Meinung abbringen. Ich denke, dass so mancher von uns diese Erfahrung aktuell in gesundheitspolitschen Fragen macht. Man kann mit seinem Gegenüber über Stunden, Tage, Wochen debattieren. Aber nur selten wird eine solche Diskussion irgendwelche Meinungen grundlegend ändern.
Diese Woche hatte ich in der Firma ein Training für Problem- und Entscheidungsanalyse nach Kepner-Tregoe. Es war sehr spannend. Jedenfall saß mein Teamkollege neben mir. Ich schaue so rüber und sehe dort eine vegane Schokoschnitte liegen. Hmm, … ich drehe mich weiter zur Snackbar, sehe dort aber keine liegen. Also frage ich ihn, ob er sich die mitgebracht hat, was er bestätigte. Auf meine Frage, ob er vergan sei, meinte er, bereits seit 2.5 Jahren. Wir sind dann ins Gespräch gekommen, warum er “konvertiert” sei. Er meinte, dass er einige Dokus über die Massentierhaltung gesehen hat. Und er wolle dieses System nicht mehr unterstützen. Unser Trainer, der kein Vegetarier oder Veganer ist, hat zugehört und dann gemeint, er brauche Fleisch. Jeden zweiten Tag gibt es das bei ihm. Ihn haben die Dinge, die wir da gesagt haben, nicht zum Nachdenken angeregt.
Informationen schaffen keine Überzeugungen. Warum nicht? Weil Informationen nicht unsere Sinne ansprechen.
Nathanael ist Jesus persönlich begegnet und es hat ihn sofort verändert. Nikodemus hatte nur Informationen über Jesus vorliegen, was ihn aber noch nicht davon überzeugt hat, dass dieser Gottes Sohn sei.
So lautet meine Botschaft an diesem Sabbatmorgen an uns: Lasst uns unsere Bibeln lesen, beten und Erfahrungen mit Gott machen - auf dass unser Herzensglaube gefestigt wird.
Amen.
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