Nikodemus (Teil 2)

Das Johannesevangelium  •  Sermon  •  Submitted
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Transcript

Einleitung

Zusammenfassung letzte Predigt

In der letzten Predigt (Nikodemus - Teil 1) sind wir in die Geschichte von Jesus und Nikodemus eingestiegen - aber noch nicht sehr weit gekommen. Nikodemus einleitende Aussage an Jesus in Joh 3:2 haben wir uns etwas genauer angeschaut und gesehen, dass Nikodemus noch ein sehr unscharfes Bild von Jesus hatte. Er und seine pharisäischen Kollegen haben Jesus lediglich als Lehrer eingestuft aber nicht wie Nathanael als Gottes Sohn und König von Israel. Und jetzt ist Jesus am Zug zu antworten.

Auslegung

Paukenschläge

Ich muss um die 13 Jahre alt gewesen sein und es war gerade Musikunterricht. Unsere Lehrerin hat sich entschlossen, dass wir nicht vorsingen müssen - vielleicht wollte sie ihre Ohren etwas schonen - sondern hat uns stattdessen ein klassisches Werk zum hören gegeben. Ab und zu hat sie das gemacht damit wir Kunstbanausen wenigstens hin und wieder mit Klängen in Kontakt kommen, die so gar nicht in unsere Alltagserfahrungen passten.
Aber ein ums andere mal hatte diese klassische Musik auf meine Mitschüler und mich eine eher einschläfernde Wirkung. Und so dösten wir uns vom ersten Satz zum zweiten als ein Adrenalinschock ungekannten Ausmasses meinen Körper durchflutete. Mit einem mal war ich hellwach, schaute auf meine Lehrerin und sah sie schelmisch grinsen. Die nette Dame hatte uns von Josef Haydn die Sinfonie mit dem Paukenschlag aufgelegt. Und der Paukenschlag hatte bei niemandem aus meiner Klasse seine Wirkung verfehlt.
Wenn ich mir jetzt Jesu Antwort anschauen, die er Nikodemus ab Joh 3,3 gibt, dann erinnert mich diese Antwort ganz stark an die Sinfonie mit dem Paukenschlag. Auch wenn es für uns auf den ersten Blick nicht so scheint, dürften für Nikodemus einige Paukenschläge in Jesu Sinfonie gesteckt haben.
Johannes 3,3 LU
3 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.

Das Reich Gottes

Der zentrale Punkt, um den sich Jesu Antwort dreht, ist das Reich Gottes. Was ist dieses βασιλεiα τοῦ θεοῦ? Ich habe hier eine recht gute Zusammenfassung gefunden:
Zunächst handelt es sich beim R. G. um Gottes unbeschränkte Herrschaft über die ganze Welt: über das Reich der Natur und die unsichtbare Welt (Ps 103,19). Darüber hinaus ist mit R. G. etwas anderes gemeint, nämlich jene Gottesherrschaft, der Menschen sich unterordnen und unter der sie Gott willig und mit Freuden dienen. Jesus lehrt die Glaubenden, um das Kommen dieses »Reiches«, dieser »Königsherrschaft« Gottes zu bitten (Mt 6,10). Dieses R. G. ist immer zugleich gegenwärtig und zukünftig; es ist weder eine rein irdische noch eine rein überirdische noch eine rein geistige Größe. (Fritz Rienecker u. a., Hrsg., „Reich Gottes“, Lexikon zur Bibel: Personen, Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel (Witten: SCM R. Brockhaus, 2017), 962.)
Im Kontext von Joh 3,3 bezieht Jesus das R.G. auf sein Wirken und seine Mission hier auf Erden. Jesus ist gekommen, um das R.G. hier auf Erden aufzurichten. Es ist kein Reich, welches auf weltlicher Macht basiert, sondern auf der Gnade Gottes und der Buße und Erlösung des Menschen.
Ohne Nikodemus direkt anzusprechen, ist dies Jesu Antwort an seinen nächtlichen Besucher. Nikodemus muss hier erfahren, dass er als angesehener Pharisäer und einer der Obersten in Israel derzeit keinen geistlichen Zugang zu dem für die Juden wichtigen Gebiet des Reiches Gottes hat. Und Jesus sagt nicht zu Nikodemus: Wenn du nicht geistlich neugeboren wirst, wirst du den Sinn meines Kommens und wer ich bin nie verstehen. - aber er meint es. Nur Jesus formuliert es indirekt, dass Nikodemus sein Gesicht waren kann. Ich als Deutscher hätte wahrscheinlich unverblümt gesagt: “Das ist Quatsch Nikodemus.” Aber Jesus ist feinfühliger. Ihm geht es darum den Menschen zu gewinnen und auf dem Weg dahin zu korrigieren - und das nicht mit der Brechstange.
Nikodemus muss aus Jesu Antwort drei Dinge lernen:
Er hat derzeit keinen Anteil am Reich Gottes.
Er hat keine Ahnung, wer Jesus ist und was sein Zweck hier auf Erden ist.
Jesus sieht in ihm Potential. Sonst hätte Jesus Nikodemus nicht auf diese Weise geantwortet.
Nikodemus trifft jetzt blitzschnell eine Entscheidung. Er hat nach Jesu Antwort die Möglichkeit aufzustehen und beleidigt wegzugehen oder er bleibt und hört Jesus weiter zu.
Dies ist ein fundamentaler Punkt, der das ganze Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus durchzieht. Jesus gibt seinem Gegenüber die Freiheit, sich entscheiden zu können. Das blitzt nicht nur an dieser Stelle durch die Gesprächsdecke, sondern tritt später im Gespräch noch drastischer zu tage. Jesus gibt die Freiheit, dass man sich entscheiden kann. Der Islam sagt: Bekehre dich. Jesus sagt: Entscheide dich.
Solange die Christen sich durch die Jahrhunderte auf genau dieses Fundament gestellt haben, gab es geistliches Wohlergehen. Aber wehe, wenn nicht. Als Beispiel ist uns hier immer die päpstliche Kirche des Mittelalters vor Augen gemalt. Aber auch auf der protestantischen Seite sind Fehler gemacht worden: Ich erinnere hier nur an das Book of Common Prayer, welches der Erzbischof Thomas Cranmer verfasste. In diesem Buch war vorgeschrieben, wie die Gottesdienste der anglikanischen Kirche abzuhalten waren. Die katholischen Messen waren sowieso verboten. Aber auch andere katholische Elemente wie das sich bekreuzigen waren untersagt. Die Uniformitätsakte von 1549, ein Gesetz welches das englische Parlament erließ, stellte Verstöße gegen das Book of Common Prayer unter Strafe. Auch wenn unter Heinrich VIII. die Reformation in England mit dem Lossagen von Rom Jahre zuvor an Fahrt aufgenommen hatte, gab es 1549 noch immer viele Katholiken in England. Viele von ihnen wurden verhaftet und haben durch die Uniformitätsakte den Tod erlitten. So ist es nicht verwunderlich, dass unter Mary Tudor eine heftige Gegenreformation in England einsetzte, die den katholischen Glauben wieder etablieren wollte. Über 100 Protestanten wurden auf Mary’s direkten Befehl hin hingerichtet. Das brachte ihr auch den Beinamen Bloody Mary ein.
Das ist das Ergebnis, wenn sich die Menschen nicht an das Prinzip Gottes der Entscheidungsfreiheit halten - Elend.
Das ist an dieser Stelle eine wichtige Botschaft an uns bei allen Disputen, die wir manchmal führen: Geben wir dem anderen die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Gestehen wir jedem eine eigene Meinung zu - womit ich aber mitnichten sage, dass alle Meinungen richtig sind. Bitte nicht missverstehen.
Und Nikodemus entscheidet sich. Hier zeigt sich bereits das Potential, welches Jesus in ihm sieht, denn Nikodemus entscheidet sich zu bleiben und fragt nach anstatt zu gehen und Jesus zukünftig als Feind zu betrachten. Jesus antwortet ihm nun ausführlicher und aus Zeitgründen können wir nicht auf alles eingehen, was Jesus hier sagt.
Im Verlauf der Antwort hört Nikodemus die wohl berühmtesten Worte der ganzen Bibel - als erster:
Johannes 3,16 LU
16 Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Für viele Menschen bedeuten diese Worte mehr als alle Schätze der Welt. Jesus verspricht in diesen Worten JEDEM das ewige Leben, der sich aus freien Stücken entschliesst, an Jesus zu glauben.
Die Christenheit gedenkt an diesem Wochenende besonders dem Tod und der Auferstehung Jesu. Passender kann eine Reflektion über diese Verse vom Datum her eigentlich gar nicht sein. Denn dieses Versprechen Jesu an uns Menschen hat seinen Grund in Jesu Tod und seiner Auferstehung, dessen wir an diesem Wochenende besonders gedenken. Jesus fordert in diesen Zeilen alle Menschen auf, eine Entscheidung zu treffen: an ihn zu glauben oder aber auch nicht. Jesus zwingt aber niemanden in die eine oder andere Richtung. Allerdings gibt er jedem Menschen eine gute Grundlage für seine Entscheidungsfindung mit: verloren gehen oder das ewige Leben haben. Jeder Mensch kann in Ruhe darüber nachdenken, was er will und dann eine Entscheidung treffen.
Jesus schliesst dann das Gespräch mit Nikodemus mit einem letzten Paukenschlag: Jesus verknüpft hier Glaube und Werke - ein Thema welches auch kontrovers unter Christen diskutiert wird.
Johannes 3,18–21 LU
18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, denn er hat nicht geglaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. 19 Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Werke waren böse. 20 Wer Böses tut, der hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht aufgedeckt werden. 21 Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.
Jesus lässt hier keinen Zweifel, dass Glaube und Werke zusammengehören und immer in Übereinstimmung miteinander sind. Auch hier stellt Jesus wieder dem Gläubigen den Ungläubigen gegenüber, so dass Nikodemus abwägen kann. Jesus endet seine Antwort an Nikodemus mit einer Betrachtung der Werke und fragt ihn und auch uns damit indirekt: Was wirst du nun tun? Welche Entscheidung wirst du treffen? Was wählst du?
Ihr Lieben wir als Gemeinde haben unsere Wahl hinsichtlich Jesus getroffen. Wir glauben an ihn - fest - unverrückbar. Und dieser gemeinsame Glaube schweißt uns zusammen. Wir haben einige stürmische Zeiten als Gemeinde hinter uns. Und zwischenzeitlich sah es gar nicht gut aus. Der Sturm ist noch nicht ganz an uns vorbeigezogen aber ich meine am Horizont einen Silberstreif ausmachen zu können. Ich habe wirklich Hoffnung, dass wir als Gemeinde gestärkt aus diesem Sturm hervorgehen werden und uns diese Zeiten nur noch eindringlicher gelehrt haben, dass es Jesus ist, der uns alle verbindet und auf den wir schauen sollten.
AMEN.
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