Joh 1,15-18 Predigt am 06.01.2017 in Plattenhardt
Notes
Transcript
[a] Einzigartige Augenblicke – möchten wir gerne festhalten.
Mit dem Foto oder Camcorder, mit Handy oder Drohne – oder aber ganz einfach und viel wirkungsvoller mit einer tiefen Erinnerung in unserem Herzen.
Einzigartige Augenblicke verdienen es, festgehalten zu werden – in unserem Herzen.
[b] Als das Erscheinungsfest in der christlichen Kirche eingeführt wurde – übrigens vor dem Weihnachtsfest am 25. Dezember – da ging es den Menschen auch genau darum: einen einzigartigen Augenblick festzuhalten und jedes Jahr neu in Erinnerung zu rufen:
Die Geburt unseres Heilandes Jesus Christus – und das tiefe Geheimnis, das hinter diesem Geschehen steht: Dass in ihm kein anderer als der lebendige Gott selbst zu uns Menschen kommt.
Dass er kommt, um mit seinem Licht in unsere Finsternis zu scheinen und uns den Weg zu Gott heimzuleuchten.
Was sein Kommen für uns bedeutet, darüber ist in der Bibel Immer wieder mit neuen Worten die Rede.
Heute sind es 4 Verse aus dem Johannesevangelium, die uns diese großartige Botschaft nahe bringen wollen:
Textverlesung Joh 1,15-18 (Seite 104 III)
[a] So vielfältig wie die biblischen Gedanken über das Wunder der Heiligen Nacht, so vielfältig sind auch die Darstellungen, in denen die Künstler durch die Jahrhunderte hindurch diesen einzigartigen Augenblick festhalten wollten.
Sie wollten in ihren Bildern ihr Staunen über das Wunder von Weihnachten ausdrücken.
So auch Albrecht Dürer, von dem es ein kleines Bild gibt - mit dem Titel „das Heilandskind“.
Ein besonderes Bild: Denn Dürer malte das Jesuskind nicht als Neugeborenen oder Säugling, sondern als etwa Zweijährigen, der etwas bewusst und fest in seiner Hand halten kann.
Und in seiner Hand hält er auf diesem Bild tatsächlich etwas: die Weltkugel.
[b] Diesem Künstler war das wichtig: Weihnachten – das ist nicht bloß das rührende Bild der Idylle im Stall.
Das wäre zu wenig, wenn wir nur die Hirtenromantik sehen würden.
Was Weihnachten uns sein will, das begreifen wir erst, wenn wir zum Staunen und Loben darüber kommen, dass wir und die ganze Welt in der Hand des Christuskindes gehalten sind.
Albrecht Dürer hatte mit diesem Bild dasselbe Anliegen wie der Evangelist Johannes mit unserem Predigttext:
Auch wenn wir es in seiner Tiefe wohl nie ganz begreifen können, so sollen wir doch erahnen und darüber staunen, wie groß das Wunder ist, das dort in der heiligen Nacht geschah und wie groß und wichtig der ist, der dort von der Jungfrau Maria geboren wurde.
In Jesus Christus ist der zu uns gekommen,
[1] der uns den unsichtbaren Gott zeigt,
[2] in dem Gottes Fülle zu uns kommt.
Und [3] der Menschen zu Zeugen macht.
1. Jesus ist der, der uns Gott zeigt.
[a] Niemand hat Gott je gesehen – stellt Johannes fest.
Für viele Menschen ist genau das Grund genug, nicht an Gott zu glauben.
„Ich glaube nur, was ich sehe“ sagen sie, „nur, was sichtbar, wahrnehmbar ist, das ist wirklich da.“
Andere gehen ganz anders mit der Unsichtbarkeit Gottes um.
Im Gebäude des Hamburger Seemannvereins z.B. gibt es einen Raum der Stille mit vielen Nischen: In jeder dieser Nischen sind religiöse Gegenstände einer anderen Religion aufgestellt.
Weil man Gott nicht sehen kann, machen sich Menschen ihr „Bild“ von Gott, sie stellen sich vor, wie er aussieht, was zu seinem Wesen gehört.
Andere wieder sagen: Draußen in der Natur, da finde ich Gott – auf einer Bergtour, bei einem Waldspaziergang.
Aber zu einer persönlichen Beziehung zu Gott, kommt man im Wald nicht.
Wenn man Gott nicht sieht, ist es dann ganz egal, wie wir uns ihn vorstellen und wie wir an ihn glauben?
[b] Niemand hat Gott je gesehen – das Problem sitzt noch tiefer: Wir können Gott nicht nur nicht sehen, wir können von uns aus auch nicht erkennen, wie er es mit uns meint.
Wie es in seinem Herzen aussieht, wie er zu uns steht.
Weil wir Gott nicht sehen können, deshalb müssen letztlich alle unseren menschlichen Vorstellungen von Gott zwangsläufig immer Zerrbilder, falsche Vorstellungen bleiben.
[c] Es gibt nur eineMöglichkeit, wie wir Gott wirklich erkennen könnten: Wenn er selber nämlich die Mauer der Unsichtbarkeit durchbräche.
Wenn er zu uns kommen würde, wenn er sich zu uns kleinen Menschen herabbeugen würde.
Und genau das hat Gott getan – so weiß Johannes.
Ein einziges Mal hat Gott das getan: In seinem einziggeborenen Sohn.
Nur an einer einzigen Stelle auf dieser Welt, im ganzen Universum können wir Gott ins Herz sehen: In Jesus Christus.
Von ihm schreibt Johannes, dass er der Der Einziggeborene ist, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat ihn uns verkündigt.
Wenn es einen gibt, der uns berichten kann, wie der unsichtbare Gott ist, dann ist es der, der ganz zu ihm gehört.
Der bei ihm zuhause ist.
Der sein geliebter Sohn ist – und der die Herrlichkeit Gottes verlassen hat, um uns zu zeigen, wie Gott es mit uns meint:
[1] Er verkündigt uns wie Gott ist, indem er von Gottes Liebe und Sehnsucht erzählt:
Ø Von der Sehnsucht jenes Vaters, der Tag für Tag draußen vor der Tür seines Hauses steht und in die Ferne schaut.
In alle Richtungen schaut er.
Er schaut, ob sein verlorener Sohn nicht endlich doch wieder heimkommt.
Und als er kommt, da hält es diesen Vater nicht mehr.
Da läuft er dem Verlorenen entgegen und schließt ihn in seine Arme.
Ø Er erzählt von der großen Freude, die jenen Hausherrn beim Vorbereiten auf sein großes Festmahl erfüllte.
Bald würde der Saal sich füllen.
Bald würden sie miteinander feiern.
Wie schmerzt es ihn, als einer nach dem andern absagt – alle haben sie etwas Wichtigeres vor – dabei gibt es doch nichts Wichtigeres als bei Gottes Fest dabei zu sein.
Gottes Haus bleibt nicht leer.
Er lädt alle ein.
So ist unser Gott.
Voller Liebe zu einer Welt, die sich von ihm abgewandt hat.
Voller Sehnsucht nach den Menschen, die nichts von ihm wissen wollten.
So ist unser Gott.
[2] Jesus verkündigt uns, wie Gott ist, nicht nur in dem, was er von Gott erzählt, sondern auch in dem, wie er den Menschen begegnet:
Ø Einem Nikodemus, der in der Nacht zu ihm kommt und dem er die Augen öffnet.
Ø Jener Frau in Samarien am Jakobsbrunnen, deren Lebensdurst er kennt und den er stillen will.
Er hat lebendiges Wasser für uns.
Ø Dem Kranken am Teich Betesda, der 38 Jahre krank lag und der an Leib und Seele gesund wird.
Ø Und schließlich den Jüngern, die sich in ihrer Angst eingeschlossen haben und zu denen er als der Auferstandene kommt und ihnen zuspricht: „Friede sei mit euch!“
[c] Wenn wir wissen wollen, wie Gott es im Tiefsten seines Herzens mit uns meint, dann dürfen wir uns nicht auf unsere Eindrücke verlassen – auch nicht auf das, was andere von ihm behaupten, sondern dann gibt es für uns nur die Begegnung mit diesen Herrn Jesus Christus, den Einziggeborenen, der Gott ist.
Er zeigt auch uns, wie Gott es mit uns meint.
In ihm kommt Gott selbst zu uns.
Wer mich sieht, der sieht den Vater.
Jesus ist der, der uns Gott zeigt.
2. Jesus ist der, in dem Gottes Fülle zu uns kommt.
[a] Wir gehen einen Schritt zurück in unserem Predigttext.
Da steht ein Bekenntnis: Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade.
Jesus hat uns nicht nur Gott gezeigt, er hat uns auch Gottes Fülle gebracht: Gnade um Gnade.
[b] Gnade – ein zentrales Wort in der Bibel!
Wir kommen seiner Bedeutung auf die Spur, wenn wir uns anschauen, wie das Wort im Deutschen früher verwendet wurde.
Eine Nebenform dieses Begriffs „Gnade“ gebrauchte man, um ein Naturschauspiel zu beschreiben: Wenn nach einem strahlenden Sonnentag die glutrote Sonne sich dem Horizont zuneigte und in Minutenschnelle eintauchte, dann sagte man: „Es genahet“.
Der Augenblick, in dem Himmel und Erde zusammen kommen, das war der Moment der Gnade.
Übertragen auf Gott: Gnade ist, wenn Himmel und Erde zusammen kommen.
Wenn der ewige, unsichtbare, souveräne Gott uns Menschen auf Augenhöhe begegnet, wenn er sich unverdientermaßen zu uns hinwendet und uns mit den Augen seiner Liebe anschaut.
Das ist Gnade.
[c] Etwas Größeres und Wichtigeres gibt es nicht für uns.
Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade – das war ganz sicher nicht das Bekenntnis nur dieses Johannes, sondern das war durch die Jahrhunderte hindurch die Quintessenz, wenn Menschen, die mit Jesus Christus gelebt haben, auf ihr Leben zurück schauten: Gnade und Gnade haben wir von ihm bekommen!
[d] Gnade um Gnade meint nicht: immer mehr und immer größere Charismen, „Gnadengaben“ – am Besten die ganz spektakulären: Zungenrede und Heilungsvollmacht.
[2] Gnade um Gnade – das bedeutet viel mehr: In jeder Lebenslage schenkt uns Jesus neu seine Gnade.
Wir erleben eine Nähe Jesu nach der anderen – oft sogar dort, wo wir es nicht einmal erhofft oder geträumt haben.
[1] Da wissen sich Menschen gerade in ihrem Leiden, in ihrer Krankheit, ihrer Not getragen von Jesus – und werden inmitten der Unruhe getrost, weil sie wissen: er ist jetzt da.
Das ist Gnade.
Zu Paulus sagte unser Herr: Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Das ist Gnade.
[2] Da erfahren Menschen: Ich bin gerettet durch Gottes Gnade.
Auch wenn es so vieles gibt, was mich in meinem Leben belasten will, so viel Schuld, so viel Versagen:
Was mein Herr am Kreuz für mich getan hat, das wiegt alle meine Übertretungen auf.
Er hat den Schuldbrief ganz und gar getilgt.
Da gibt es nichts mehr, was zurückbleibt.
Mir gilt es: Dir sind deine Sünden vergeben.
Wo Menschen so frei werden von der Schuld – da ist die Gnade Gottes am Werk.
[3] Da erleben Menschen in Entscheidungsstunden, wie Gott ihnen hilft, wie er Klarheit schafft.
So wie Abrahams Knecht auf der Suche nach einer Frau für Isaak staunend feststellt: Der Herr hat Gnade gegeben zu meiner Reise!
Gnade über Gnade.
Gottes Gnade ist so vielfältig und will täglich neu in unser Leben fließen.
Auf die Gnade und auf die Gnade allein können wir unser Leben bauen.
[e] Empfangen werden wir sie nur bei Jesus.
Nirgends anders.
Auch nicht im Gesetz des Alten Testaments:
Ø Im Gesetz des Mose hat Gott uns seinen Willen kund getan. In Jesus aber sein Wesen.
Ø Im Gesetz hat Gott gezeigt, was er von uns haben will.
In Jesus aber zeigt er uns, was er uns zu schenken hat.
Ø Im Gesetz gibt Gott uns etwas an die Hand. In Jesus gibt er uns sich selbst.
Ø Das Gesetz ist durch Mose gegeben. Die Gnade aber und die Wahrheit sind durch Jesus Christus geworden.
Ja, Jesus ist der, in dem allein Gottes Fülle zu uns kommt.
3. Jesus ist der, der Menschen zu Zeugen macht.
[a] Das erste, was uns in unserem Predigttext berichtet wird, ist, was Johannes der Täufer tut.
Sein Wirken lässt sich zusammenfassen: Johannes gibt Zeugnis von ihm und spricht.
Das ganze Leben und Wirken des Täufers war ein einziger großer Hinweis auf den, der nach ihm kommen sollte, den Kommenden, den, den nur Gott zu uns senden sollte.
Johannes hat immer von sich selbst weggewiesen.
Immer zeigte sein Finger – wie auf dem Isenheimer Altar in Colmar eindrucksvoll zu sehen – weg von sich hin auf Jesus Christus.
Er war vor mir!
Er ist größer als ich!
Auf ihn kommt es an, nicht auf mich.
[b] Dass ein Mensch so Zeuge wird, das sucht sich keiner selbst aus.
Das ist nicht Hobby oder Steckenpferd, sondern das ist Gottes Wirken.
Da ist sein Geist am Werk, der einem Menschen klar macht, was wirklich wichtig ist in unserem Leben.
[c] Jesus Christus macht Menschen bis heute zu Zeugen.
Zeugen für ihn.
Ich möchte das für mich persönlich sagen: Die Menschen, die mich in meinem Glauben geprägt und weitergebracht haben, das waren nicht die, die von sich selbst überzeugt waren und mir erzählten, was sie alles schon richtig gemacht hatten, sondern das waren die, die einfach nur ehrlich gestaunt haben: Wie gut, dass dieser Herr mich trotz all meiner Fehler haben will.
Er sagt bedingungslos „Ja“ zu mir – und auch zu „Dir“.
Denn da spürte ich: Das sind Menschen, die haben nicht nur etwas von Gott bekommen, sondern deren Herz geht über von der Fülle, die Jesus ihnen geschenkt hat: Gnade um Gnade.
Die können nicht schweigen, weil sie Gottes Fülle erlebt haben.
[d] ich wünsche uns, dass wir solche Menschen werden:
Keine Totes-Meer-Christen, in die Gottes Gnade rein fließt und nur verdunstet wie das Wasser des Jordans im Toten Meer- und zurück bleibt eine salzige, ungenießbare Brühe.
Sondern Brunnen-Christensollen wir werden: Menschen, die Gottes Gnade täglich neu empfangen und dann an andere weitergeben.
So wie es Conrad Ferdinand Meyer von einem Brunnen beschreibt:
„Aufsteigt der Strahl und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut.
Und jede nimmt und gibt zugleich
Und strömt und ruht.“
[e] Jesus Christus, der reiche Herr, will uns zu seinen Zeugen machen:
Hier in unserem Ort, in unserer Familie, in unserem Freundeskreis, an unserem Arbeitsplatz, in unserer Schulklasse, in unseren Vereinen, in unseren Gremien und Parlamenten – und bis an die Enden der Erde.
Er will uns zu Menschen machen, die täglich neu seine Gnade erleben – Gnade um Gnade.
Aber die dann nicht für sich behalten, was sie an Güte Gottes erlebt haben, sondern es weiter tragen in Wort und Tat.
Alle sollen Jesus Christus kennen lernen.
Alle brauchen ihn.
Denn er allein ist der,
[1] der uns den unsichtbaren Gott zeigt.
[2] Er ist der, in dem Gottes Fülle zu uns kommt.
Und er ist der, der Menschen zu Zeugen seiner Liebe macht.
Amen.
Lied nach der Predigt:
EG 66,7-9 Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden