Predigt - Alleine geht nicht

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Christ kann man nicht allein sein. Jesus hat die Gemeinde geliebt und sich für sie hingegeben. Die Gemeinde braucht mich und ich brauche die Gemeinde (Gemeinschaft).

Notes
Transcript

Einleitung

Ich möchte euch eine Frage stellen (ihr müsst sie nicht so beantworten, dass andere sie sehen …): Wer von euch hat am Donnerstag Vatertag gefeiert? Und eine zweite Frage: Wer von euch hat am Donnerstag Himmelfahrt gefeiert?
Ich bin ja seit etwa 32 Jahren in dieser Gemeinde. Etwas, was ich in all diesen Jahren nicht verstanden habe, ist, warum wir an Himmelfahrt keinen Gottesdienst haben. Na ja, jetzt kenne ich ja jemanden, der im Ältestenkreis ist und wir können da noch mal darüber diskutieren :-). In meiner Heimatgemeinde, in der ich aufgewachsen bin, hatten wir an diesem Tag oft einen Gottesdienst im Wald. Ich weiß auch nicht, woher diese Tradition kam. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie toll wir als Kinder das fanden. Und wie traurig wir waren, wenn das Wetter dies in einem Jahr nicht zuließ. Dann haben wir eben Gottesdienst im Gemeindehaus gefeiert. Aber Himmelfahrt ohne Gottesdienst - das konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen.
Himmelfahrt - warum ist das eigentlich so wichtig, dass es dafür einen eigenen Feiertag gibt. Und dass viele Gemeinden da einen Gottesdienst feiern? Was ist denn da schon Großartiges passiert - außer dass eben Jesus nach seinen 30 Jahren auf der Erde wieder in den Himmel zurückgekehrt ist?
Es gibt hier sicher mehrere Gründe, die man anführen könnte. Jesus ist in den Himmel zurückgekehrt, weil er dort auf den Thron zur Rechten Gottes gesetzt werden sollte. Himmelfahrt ist also eine Art Krönungsfest für Jesus, den König. Und dann ist Himmelfahrt auch ein Fest, bei wir uns daran erinnern, dass er in den Himmel zurückgekehrt ist, um jetzt von dort aus sein Reich auf dieser Erde zu bauen. Es ist also so etwas wie der “Königinnentag” in den Niederlanden. Nur dass es hier um den König der ganzen Welt geht. Und schließlich erinnert uns Himmelfahr daran, dass er eines Tages zurückkommen wird, um sein Reich auf dieser Erde wirklich in Vollkommenheit aufzurichten. Das sagt der Engel ja den zurückgebliebenen Jüngern. Es ist also ein Tag der Erwartung des kommenden Königs. Das alles ist m.E. schon Grund genug, diesen Tag zu einem der wichtigsten Feiertage des Jahres zu erklären!
Aber ich möchte heute morgen noch auf einen anderen Aspekt hinweisen. Jesus hat das seinen Jüngern vorher einmal so gesagt:
Johannes 16,7 HfA
Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist besser für euch, wenn ich gehe. Sonst käme der Helfer nicht, der an meiner Stelle für euch da sein wird. Wenn ich nicht mehr bei euch bin, werde ich ihn zu euch senden.
Wenn Jesus nicht in den Himmel zurückgekehrt wäre, dann hätte er den Heiligen Geist nicht schicken können. Dann wäre es nie Pfingsten geworden. Und dann würde es uns, die Gemeinde, nicht geben. Pfingsten, das ist ja die Geburtsstunde der Gemeinde Jesu. Und die Gemeinde Jesus, das ist die Gemeinschaft derer, die durch den Heiligen Geist Kinder Gottes geworden sind.
Himmelfahrt hat also sehr viel mit Gemeinde zu tun. Und Gemeinde, das ist mein großes Thema heute morgen. Aber nicht abstrakt und auch nicht theoretisch. Ich möchte es heute morgen ganz praktisch werden lassen. Ich habe die Predigt überschrieben mit den Worten “Alleine geht es nicht.” In drei Schritten will ich dieses Thema entfalten: 1. Gemeinde - weil Jesus sie liebt. 2. Gemeinde - weil die anderen mich brauchen und 3. Gemeinde - weil ich die anderen brauche. Und das alles unter der großen Überschrift: “Alleine geht nicht!”.
Wenn ich dabei den Begriff “Gemeinde” benutze, dann könnte man dafür auch immer stattdessen “Gemeinschaft” einsetzen. Aber dazu später mehr. Ich hatte übrigens überlegt, den Aufbau umgekehrt zu machen, und zuerst darüber zu reden, dass ich die Gemeinschaft mit den anderen in der Gemeinde brauche. Und dann, dass auch sie mich brauchen. Und schließlich, im dritten Punkt darüber, warum das so wichtig ist - weil Gemeinde Gottes große Liebe ist. Aber dann habe ich mich doch entschlossen, einen anderen Weg zu gehen und bei genau dieser geistlichen Begründung anzufangen:

Gemeinde - Weil Jesus sie liebt

Vor einigen Jahren war meine Nichte für ein paar Monate in Indien. Sie half dort in einem christlichen Kinderheim mit. In dieser Zeit wohnte sie bei einer Gastfamilie. Nach ihrer Rückkehr wollte ein Mädchen aus dieser indischen Gastfamilie für ein paar Wochen nach Deutschland gekommen. Selbstverständlich haben mein Bruder und seine Familie das möglich gemacht. Sie wollten diesem Mädchen besonders gut und hatten für sie ein eigenes Zimmer organisiert bei einer Familie, die schräg gegenüber wohnte. Bei ihnen im Haus war kein Zimmer frei gewesen und man wollte dem Mädchen etwas Freiraum geben. Einen Ort, an den es sich zurückziehen konnte.
Nach einigen Tagen aber kam das Mädchen mit einer ungewöhnlichen Bitte. Sie fragte, ob sie nicht zu meiner Nichte ins Zimmer ziehen könnte. Sie sei noch nie in ihrem Leben alleine gewesen. Sie brauche einfach die Nähe zu anderen Menschen.
Mein Bruder und seine Frau hatten es sehr gut gemeint. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, dass dieses Mädchen aus einer anderen Kultur kam. Einer Kultur, in der das Allein-Sein nicht als ein Segen verstanden wird, sondern eher als Fluch. Einer Kultur, in der man sich nicht darüber definiert, wer man ist und was man kann, sondern zu wem man gehört.
Wir hier im Westen sind da eher anders geprägt. Bei uns steht der Einzelne im Mittelpunkt. Das Individuum. Und daher wird auch der Individualismus ganz groß geschrieben. Und wir übertragen das dann auch automatisch auf unser Christsein. “Ich und mein Gott” - so könnte man das überschreiben. Alles dreht sich darum, wie ich mich fühle, wie es mir geht. Und so sehen wir auch Gemeinde: Als den Ort, an dem ich geistlich versorgt werden und das bekomme, was ich brauche.
Man könnte das jetzt vielfältig ausführen. Unsere Anbetungslieder sind meistens in der Ich-Form geschrieben. Und Gemeinde suchen wir uns in der Regel danach aus, ob sie uns gefällt. Mit der logischen Folge, dass wir sie auch ganz schnell wieder verlassen, wenn sie uns nicht mehr gefällt. Und wenn es um unser geistliches Leben geht, dann ist das Entscheidende, dass ich mich bekehrt habe und dass ich in den Himmel komme. Jesus ist für mich gestorben und er liebt mich.
Nun will ich ja gar nicht sagen, dass das völlig falsch ist. Und es geht mir auch überhaupt nicht darum, das jetzt abschaffen zu wollen. Das können wir auch gar nicht. Wir alle sind Kinder unserer Zeit und Gesellschaft. Wir sind so geprägt. Und ich will auch nicht eine Kultur wie die indische als biblischer hinstellen. Vielleicht müssen Menschen aus einer solcher Kultur lernen, dass man sich nicht nur auf die Anderen verlassen kann. Dass man auch selbst aktiv werden und selbst sein Christsein leben muss. Aber auch das ist heute nicht mein Thema.
Worum ist mir geht, ist etwas Anderes. Ich denke, dass wir es lernen müssen, dass es bei Gott um mehr geht, als um ihn und mich. Dass Gott ein größeres Ziel hat, als mich in den Himmel zu bekommen. Oder anders ausgedrückt: Gott hat sein Ziel mit dieser Welt nicht erreicht, wenn ganz viele Einzelne sich bekehren und in den Himmel kommen. Gott will mehr. Er will die Gemeinschaft derer, die zu ihm gehören. Er will Gemeinde.
Es gibt da einen Vers, der drückt das in unnachahmlicher Weise aus. Das Problem dieses Verses ist, dass wir diese Aussage darin leicht übersehen, weil der Vers in einem Kontext steht, der eigentlich ein anderes Thema hat. Es geht um
Epheser 5,25 HfA
Ihr Männer, liebt eure Frauen so, wie Christus seine Gemeinde liebt: Er hat sein Leben für sie gegeben,
Hier wird das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe verglichen mit dem Verhältnis von Jesus und der Gemeinde. Jesus, so heißt es, hat die Gemeinde geliebt und hat sich selbst für sie hingegeben, hat sein Leben für die Gemeinde gegeben.
Ist dir bewusst, was das bedeutet? Hier steht eben nicht, dass Jesus dich geliebt und sich selbst für dich hingegeben hat. Oder mich. Jesus hat die Gemeinde geliebt!
Der Vergleich mit der Ehe von Mann und Frau findet sich übrigens noch an vielen anderen Stellen in der Bibel. Schon im AT wird das immer wieder verwendet als Bild für Gott und sein Volk.
Einleitend haben wir ja davon gesprochen, welche Bedeutung Himmelfahrt hat. Ich hatte erwähnt, dass ein Aspekt von Himmelfahrt ist, dass Jesus einmal wiederkommen wird. Und dann? Was wird dann geschehen? Die Bibel spricht da von der “Hochzeit des Lammes”. Und wen heiratet Jesus, das Lamm Gottes, bei dieser Hochzeit? Dich und mich? Ja, aber das ist nicht genug. Die Braut, von der hier geredet wird, das ist die Gemeinde.
Die Gemeinde von Jesus, das ist also seine große Liebe. Gott hat uns als einzelne erlöst, damit wir Glieder an seinem Leib, der Gemeinde werden, und damit wir einmal mit allen anderen Gliedern dieser Gemeinde vor Jesus stehen und mit ihm Hochzeit feiern. Was für ein großartiges Bild. Und was für eine großartige Perspektive!
Das war mein erster Gedanke: Gemeinde - weil Jesus sie liebt! Der zweite Gedanke:

Gemeinde - Weil die anderen mich brauchen

Auch hier habe ich kurz überlegt an der Reihenfolge. Sollte ich nicht zuerst darüber sprechen, dass ich die anderen brauche. Und dann darüber, dass sie mich ja auch brauchen?
Aber dann habe ich gedacht, dass ich wieder an der falschen Stelle anfange. Bei mir. Es gibt die Gemeinde nicht, weil ich sie brauche. Das stimmt natürlich auch. Aber in erster Linie gibt es die Gemeinde, weil die anderen mich brauchen. Oder besser formuliert: weil Christsein anders nicht funktioniert. “Alleine geht nicht!”
Gemeinde - das ist kein Ort, an den ich gehe. Kein Plus, das auch noch dazu gehört. Keine Option, wenn ich besonders heilig sein will. Gemeinde ist der Lebenszustand von Christen. Gemeinde, dahin geht man nicht. Gemeinde, das ist man! In dem gleichen Augenblick, in dem du dich für Jesus entscheidest, entscheidest du dich auch für seine Gemeinde.
Gemeinde ist also zuallererst eine geistliche Größe. Sie ist der Leib von Jesus auf dieser Erde. Er ist der Kopf und wir sind die Glieder. Paulus sagt das so:
1. Korinther 12,12–13 HfA
So wie unser Leib aus vielen Gliedern besteht und diese Glieder einen Leib bilden, so ist es auch bei Christus: Sein Leib, die Gemeinde, besteht aus vielen Gliedern und ist doch ein einziger Leib. Denn wir alle sind mit demselben Geist getauft worden und gehören dadurch zu dem einen Leib von Christus, ganz gleich ob wir nun Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie sind; alle sind wir mit demselben Geist erfüllt worden.
Im Epheserbrief schreibt Paulus es so:
Epheser 4,15–16 HfA
Stattdessen wollen wir die Wahrheit in Liebe leben und in allem zu Christus hinwachsen, dem Haupt der Gemeinde. Durch ihn ist der Leib fest zusammengefügt, denn er verbindet die Körperteile durch die verschiedenen Gelenke miteinander. Jeder einzelne Teil leistet seinen Beitrag. So wächst der Leib und wird aufgebaut durch die Liebe.
Christsein kann man nicht alleine. Hier gilt übrigens das, was Gott schon ganz am Anfang der Schöpfung gesagt hat: “Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.” Was dort für Mann und Frau gesagt wurde, das gilt auch geistlich gesehen. Wir brauchen einander. “Alleine geht nicht!”
Neben dem Bild der Ehe ist das Bild des Leibes das, was diesen Gedanken in besonderer Weise ausdrückt. Jesus ist der Kopf, das Haupt. Er sagt, was Gemeinde ist und was sie machen soll. Von ihm aus, so der Text in Epheser 4, wird der ganze Leib zusammengefügt. Jeder Einzelne ist mit allen anderen verbunden durch die Gelenke. Dadurch unterstützt jedes Glied das andere, und so wächst der ganze Leib und baut sich selbst auf in der Liebe.
Warum ist die Gemeinde so wichtig? Weil sie der Ort ist, an dem wir einander dienen. Das ist übrigens auch der eigentliche Grund dafür, dass man beim Thema “Gemeinde” konkret werden muss. Natürlich ist der “Leib Christi” eine geistliche Größe. Alle Christen aller Zeiten gehörten dazu. Aber es ist keine vergeistlichte Größe. Gemeinde muss immer konkret werden. Gemeinde funktioniert nur dort, wo Menschen verbindlich in einer Gemeinschaft miteinander leben. Wo sie sich gegenseitig dienen und dadurch einander aufbauen.
Ich möchte uns das in einem längeren Abschnitt aus dem 1. Korintherbrief ein wenig deutlicher werden lassen:
1. Korinther 12,14–27 HfA
Nun besteht ein Körper aus vielen einzelnen Gliedern, nicht nur aus einem einzigen. Selbst wenn der Fuß behaupten würde: »Ich gehöre nicht zum Leib, weil ich keine Hand bin!«, er bliebe trotzdem ein Teil des Körpers. Und wenn das Ohr erklären würde: »Ich bin kein Auge, darum gehöre ich nicht zum Leib!«, es gehörte dennoch dazu. Angenommen, der ganze Körper bestünde nur aus Augen, wie könnten wir dann hören? Oder der ganze Leib bestünde nur aus Ohren, wie könnten wir dann riechen? Deshalb hat Gott jedem einzelnen Glied des Körpers seine besondere Aufgabe gegeben, so wie er es wollte. Was für ein sonderbarer Leib wäre das, der nur einen Körperteil hätte! Aber so ist es ja auch nicht, sondern viele einzelne Glieder bilden gemeinsam den einen Leib. Darum kann das Auge nicht zur Hand sagen: »Ich brauche dich nicht!« Und der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: »Ihr seid überflüssig!« Vielmehr sind gerade die Teile des Körpers, die schwächer und unbedeutender erscheinen, besonders wichtig. Wenn uns an unserem Körper etwas nicht gefällt, dann geben wir uns die größte Mühe, es schöner zu machen; und was uns anstößig erscheint, das kleiden wir besonders sorgfältig. Denn was nicht anstößig ist, muss auch nicht besonders bekleidet werden. Gott aber hat unseren Leib so zusammengefügt, dass die unwichtig erscheinenden Glieder in Wirklichkeit besonders wichtig sind. Nach seinem Willen soll unser Leib nämlich eine untrennbare Einheit sein, in der jeder einzelne Körperteil für den anderen da ist. Leidet ein Teil des Körpers, so leiden alle anderen mit, und wird ein Teil geehrt, freuen sich auch alle anderen. Ihr alle seid der eine Leib von Christus, und jeder Einzelne von euch gehört als ein Teil dazu.
Noch einmal: Nach Gottes Willen soll die Gemeinde als ein Leib eine untrennbare Einheit sein, in der jeder einzelne Körperteil für den anderen da ist.
Gemeinde gibt es, damit du für die anderen da bist. Bevor ich ans TSR kam (damals noch NLS), war ich sechs Jahre lang Pastor einer kleinen Gemeinde. Wir hatten keinen großen Gemeindesaal. Und wir hatten auch keinen eigenen Babyraum. Dazu nutzten wir einen Kellerraum, der sonst für Kinder- und Jugendarbeit benutzt wurde. Ich habe dann eine Tonübertragung dorthin gelegt. Aber wer schon einmal im Babyraum war, weiß, dass das zwar ein schöner Gedanke ist, dass man aber häufig da sein eigenes Wort kaum versteht. Und dass man schon gar nicht längere Zeit einer Predigt folgen kann.
Ich erinnere mich noch gut, wie eines Tages eine junge Frau, die gerade Mutter geworden war, zu mir kam und sich für die nächsten Monate abmelden wollte aus der Gemeinde. Also, sie wollte natürlich nicht austreten. Aber zum Sonntagsgottesdienst würde sie nicht mehr kommen. Sie habe ja nichts davon. Vor der Predigt müsse sie in den Babyraum und da würde sie nichts mitbekommen. Da könne sie auch zuhause bleiben.
Ich habe ihr zugestimmt. Ja, geistlich gesehen brachte ihr das wirklich nicht viel. Vielleicht hätte sie mehr davon gehabt, wenn sie zuhause in der Bibel gelesen hätte. So etwas wie Bibel-TV, YouTube oder Livestream gab es damals ja nicht. Sie hatte also Recht. Oder? Aber dann habe ich ihr gesagt, dass es bei Gemeinde ja auch gar nicht in erster Linie nur darum geht, was ich davon habe. Was sie mir bringt. Vielleicht, so habe ich gesagt, hast du den Sinn und Zweck von Gemeinde schon erreicht, wenn du am Sonntagmorgen jemand anderen aus der Gemeinde freundlich begrüßt, ihm ein gutes Wort sagst. Vielleicht auch unten im Babyraum. Gemeinde ist nicht in erster Linie der Ort, an dem ich bekomme, was ich geistlich brauche. Sie ist in erster Linie der Ort, an dem ich gebe, was andere brauchen!
Gemeinde ist da, weil die Anderen mich brauchen. Und natürlich auch - und damit bin ich bei meinem letzten Gedanken - damit die anderen für dich da sind.

Gemeinde - Weil ich die anderen brauche

Warum brauchen wir Gemeinde? Ich habe euch ein kleines Video mitgebracht. Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass wir die Leinwand heute nicht hochgefahren haben. Während das Video gezeigt wird, werde ich ein paar Dinge dazu sagen:
Video zu Feuer - Ein Holzscheit, das herausgenommen wird, hört nach einiger Zeit auf zu brennen.
Warum ist Gemeinde so wichtig? Weil sie der Leib Christi ist und weil Christen nicht ohne sie leben können. Ein Christ, der sich von der Gemeinde löst, hört irgendwann auf zu brennen. Ich brauche die Anderen. Es ist nicht nur nicht gut, dass ein Christ alleine ist. Es ist auf Dauer unmöglich. “Alleine geht nicht!”
Corona hat ja viel verändert. Diese Zeit hat den Trend zum Individualismus ungeheuer stark gefördert. Wir sind ja geradezu dazu verdammt, alleine zu sein. Und auch geistlich ist das zu sehen. Wir holen uns unsere geistliche Nahrung durch YouTube oder Bibel TV. Und es ist gut, dass es das gibt. Livestream ist wichtig, damit wir einander nicht völlig aus den Augen verlieren.
Aber das ist noch nicht Gemeinde! Ich muss hier etwas bekennen: Als wir im letzten Sommer wieder mit Präsenzgottesdiensten starten konnten, hatte ich kein großes Interesse daran. Wir durften hier nicht singen - das konnte ich allein vor dem Fernseher durchaus. Und hinterher gab es - bis auf ein paar Worte auf dem Parkplatz draußen - auch keine Gemeinschaft. Also warum sollte ich kommen. Diese Art von Gemeinde, das war nicht mein Ding! Ich hatte nicht vor, regelmäßig zu kommen, sondern wollte viel lieber zuhause den Livestream anschauen. Ich erinnere mich noch, wie ich das einmal Michael nach einem der ersten Gottesdienste dieser Art gesagt habe.
Aber dann bin ich doch gekommen. Am Anfang vielleicht hauptsächlich, weil meine Frau gerne wollte. Aber dann habe ich nach und nach festgestellt, dass ein wenig Gemeinschaft immer noch besser ist, als gar keine. Und jetzt komme ich gerne. Es gibt immer noch Sonntage, an denen ich mal zuhause bleibe und von dort zuschaue. Aber ich vermisse dann etwas. Ich vermisse euch.
Jetzt wende ich mich mal ganz bewusst an alle, die im Livestream zuschauen. Und ich spreche dabei nicht diejenigen an, die aufgrund von Krankheit oder Alter nicht mehr Sonntags hierher kommen können, oder bei denen das aufgrund des fehlenden Kindergottesdienstes schwierig ist, sondern alle die Anderen, die das sehr wohl könnten. Wie lange warst du eigentlich schon nicht mehr hier im Gottesdienst? Es gibt einige Gemeindeglieder und auch solche, die früher regelmäßig als Gäste hier waren, die seit über einem Jahr nicht mehr hier waren.
Ja, ich weiß. Gemeinde ist mehr als der Gottesdienst. Viel mehr! Und wenn du stattdessen regelmäßig mit anderen Christen Kontakt hast, wenn du dich mit ihnen austauscht, wenn du ihnen zuhörst und sie unterstützst, wenn du ihnen mit deinen Fähigkeiten und Gaben hilfst und dich von ihnen ermahnen und korrigieren lässt - dann ist das Gemeinde!
Aber ich habe große Sorge, dass viele sich durch Corona nicht nur vom sonntäglichen Gottesdienst verabschiedet haben, sondern überhaupt von Gemeinde. Wie wird es sein, wenn Corona vorbei ist. Oder wenigstens, wenn die Einschränkungen wieder aufgehoben sind?
Ich glaube nicht, dass dann einfach wieder alles so wird wie vorher. Ich glaube auch nicht, dass das so toll wäre. Was meine ich damit?
Ich denke, wir waren in Wölmersen immer zu einem hohen Prozentsatz eine Versorgungsgemeinde. Also ein Ort, an dem man Sonntags gefahren ist, um geistlich versorgt zu werden. Viele kamen mehr oder weniger regelmäßig am Sonntagmorgen hierher und sind danach - oft sofort nach dem Gottesdienst - wieder gefahren. Ich denke das ist auch der Grund dafür, dass wir in den letzten Monaten so gut wie nie eine volle Auslastung im Gottesdienst hatten. Denn wenn ich zuhause das Gleiche bekomme wie hier - oder sogar noch mehr, weil ich ja dabei frühstücken oder Kaffeetrinken kann und nicht pünktlich dasitzen muss, und das auch noch mit Maske - Warum bitte sollte ich mir das dann antun und hier nach Wölmersen kommen? Geistlich versorgt werde ich doch dort genauso gut.
Gemeinde aber ist viel mehr. Gemeinde ist ein Lebensstil. Ein Lebensstil, bei dem man sich umeinander kümmert, füreinander sorgt, miteinander lacht und miteinander trauert. Wie sagt es der Text in 1Kor. 12:
1. Korinther 12,25–26 HfA
Nach seinem Willen soll unser Leib nämlich eine untrennbare Einheit sein, in der jeder einzelne Körperteil für den anderen da ist. Leidet ein Teil des Körpers, so leiden alle anderen mit, und wird ein Teil geehrt, freuen sich auch alle anderen.
Jetzt mal ganz ehrlich: Wenn wir uns die Gemeinde Wölmersen anschauen, wie sie vor Corona war: Wäre das eine zutreffende Beschreibung von uns gewesen? Deshalb geht es mir nicht darum, euch alle zu ermutigen, im Anschluss an Corona wieder alle hierher zu kommen. Das natürlich auch. Aber eigentlich habe ich einen viel tieferen Wunsch, eine tiefere Sehnsucht:
Ich habe die Sehnsucht danach und bete seit einiger Zeit regelmäßig dafür, dass wir Gemeinde als etwas verstehen, was viel mehr ist als der Gottesdienst am Sonntag. Gemeinde nicht als ein Ort, an den man hin und wieder kommt, sondern als ein Lebensstil. Gemeinde muss da leben, wo die Gemeindeglieder sind. Und natürlich müssen diese Gemeindeglieder auch einander kennen, sich treffen und austauschen. Deshalb hoffe ich auch darauf, dass wir bald wieder am Sonntagmorgen zusammenkommen dürfen wie früher! Und zugleich hoffe ich, dass es viel mehr und anders werden wird, als es früher war.
Ich habe einen Traum - so hat Martin Luther King einmal gesagt. Ich habe auch einen Traum: Ich wünsche mir eine Gemeinde, die mit und für Jesus lebt und die deshalb auch mit und füreinander lebt. Hier in Wölmersen oder später dann in Altenkirchen. Aber noch viel mehr überall dort, wo wir als Gemeindeglieder leben. Eine Gemeinde, die man sehen kann. Aber vor allem eine Gemeinde, von der man sagt: “Seht euch nur an, wie sehr sie sich untereinander lieben!”
Von der ersten Gemeinde nach Pfingsten lesen wir:
Apostelgeschichte 2,44–47 HfA
Die Gläubigen lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam. Wenn es an irgendetwas fehlte, war jeder gerne bereit, ein Grundstück oder anderen Besitz zu verkaufen und mit dem Geld den Notleidenden in der Gemeinde zu helfen. Tag für Tag kamen die Gläubigen einmütig im Tempel zusammen und feierten in den Häusern das Abendmahl. In großer Freude und mit aufrichtigem Herzen trafen sie sich zu den gemeinsamen Mahlzeiten. Sie lobten Gott und waren im ganzen Volk geachtet und anerkannt. Die Gemeinde wuchs mit jedem Tag, weil der Herr viele Menschen rettete.
“Alleine geht nicht!”
Amen
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