Alles hat seine Zeit

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Angesichts der Nichtigkeit irdischen Daseins wird dem Gottesfürchtigen in der Gemeinschaft mit Gott sinnvolle Beständigkeit zugesagt

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Predigttext

3 Für alles gibt es eine ⟨bestimmte⟩ Stunde. Und für jedes Vorhaben unter dem Himmel ⟨gibt es⟩ eine Zeit: 2 Zeit fürs Gebären und Zeit fürs Sterben, Zeit fürs Pflanzen und Zeit fürs Ausreißen des Gepflanzten, 3 Zeit fürs Töten und Zeit fürs Heilen, Zeit fürs Abbrechen und Zeit fürs Bauen, 4 Zeit fürs Weinen und Zeit fürs Lachen, Zeit fürs Klagen und Zeit fürs Tanzen, 5 Zeit fürs Steinewerfen und Zeit fürs Steinesammeln, Zeit fürs Umarmen und Zeit fürs sich Fernhalten vom Umarmen, 6 Zeit fürs Suchen und Zeit fürs Verlieren, Zeit fürs Aufbewahren und Zeit fürs Wegwerfen, 7 Zeit fürs Zerreißen und Zeit fürs Zusammennähen, Zeit fürs Schweigen und Zeit fürs Reden, 8 Zeit fürs Lieben und Zeit fürs Hassen, Zeit für Krieg und Zeit für Frieden. 9 Welchen Gewinn hat also der Schaffende bei dem, womit er sich abmüht?

10 Ich habe das Geschäft gesehen, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich darin abzumühen. 11 Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur dass der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan hat, vom Anfang bis zum Ende. 12 Ich erkannte, dass es nichts Besseres bei ihnen gibt, als sich zu freuen und sich in seinem Leben gütlich zu tun. 13 Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es ⟨so⟩ gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet. 15 Was da ist, war längst, und was sein wird, ist längst gewesen; und Gott sucht das Entschwundene ⟨wieder⟩ hervor.

Guten Morgen. Bekannte Worte. Hab ich recht? “Alles hat seine Zeit”; das könnte man auch in deutschen Sprichwörterbüchern finden. Das könnte auch mein Nachbar so sagen, ohne zu wissen, woher das kommt. Und das ist ja nicht von ungefähr, dass Bibelworte zu Sprichworten werden. “Hochmut kommt vor dem Fall”, “Geben ist seliger denn nehmen” oder sogar nur zwei Kapitel vor unserem heutigen: “Es geschieht nichts Neues unter der Sonne”, diese Sprichworte kommen alle aus der Bibel. Und sie sind nicht ohne Grund zu Sprichworten geworden. Man hat erkannt, dass da Wahrheiten hinter stecken. Und so ist das doch auch bei unserem heutigen “Alles hat seine Zeit”, oder? Gerade viele von Ihnen, die hier vor mir sitzen, müssten mir doch sagen können, ob ich mich irre! Hier sind Leute im Raum, die doppelt und dreifach so alt sind wie ich! Denken Sie doch mal an Alles zurück, was Sie bisher erlebt haben und dann sagen Sie mir: Stimmt das? “Alles hat seine Zeit”? Wir lesen hier die Gedanken des Predigers, eines Mannes, der beinahe 3000 Jahre vor uns gelebt hat. Das heißt, es liegen 3000 Jahre zwischen uns und ihm. 3000 Jahre, die wir weiter sind als er, die er noch nicht überblicken konnte, als er seine Beobachtungen angestellt hat. Wir haben also 3000 Jahre Geschichtsmaterial, das wir auswerten können, um zu überprüfen, ob er Recht hat. Schauen wir uns das doch mal Stück für Stück an, was der Prediger da meint, herausgefunden zu haben. Sie können gerne Ihre Bibel aufschlagen, wenn Sie eine dabei haben. Pred 3:
“Für alles gibt es eine Zeit”, fängt er an. Und dann listet er in den nächsten sieben Versen 14 Beobachtungen auf, an denen man das feststellen kann, und zwar immer in Gegensätzen: Man wird geboren und man stirbt wieder, man pflanzt Sachen ein und reißt sie wieder aus, zu Zeiten wird man getötet und zu Zeiten geheilt, man baut Dinge auf und reißt sie wieder ein. Man kann sich hier richtig vorstellen, wie der Prediger einen ganz normalen Menschen seiner Zeit im Kopf hat: Jahr für Jahr sät er Getreide und erntet es am Ende, Jahr für Jahr kommen neue Generationen in seiner Familie zur Welt und Jahr für Jahr muss er die Alten beerdigen, Jahr für Jahr werden in seinem Dorf Häuser gebaut und vermoderte abgerissen, Jahr für Jahr schlagen sich manche Menschen die Köpfe ein und werden andere gesund. Und so geht der Prediger jeden Bereich durch: Für alles gibt es eine Zeit. Wenn jemand weint und klagt, werden auch Tage kommen, da wird er lachen und tanzen. Er wird Freundschaften finden und sie wieder verlieren. Er wird sich mal langweilen und mal völlig überfordert sein mit seinem Leben. Er wird sich Besitz anhäufen und ihn wieder abgeben. Und in den letzten Versen wird’s dann noch etwas universaler: Man wird sich lieben und sich hassen, wird reden und schweigen, es wird Krieg geben und Frieden geschlossen werden. All diese Dinge haben nach der Meinung des Predigers ihre Zeit, das heißt, es gibt auf dieser Welt keine Zeit, wo das mal nicht der Fall wäre. Wo es mal nur noch Frieden gibt, wo man mal nur noch liebt, wo man mal nicht mehr stirbt. Und nun sitzen wir heute morgen hier in Münchhausen, und können die 3000 Jahre, die zwischen uns und dem Prediger liegen, einmal durchgehen: Hat sich irgendwas geändert? Was würden Sie sagen? Ich kann Ihnen ja einfach mal ein bisschen von meinem Geschichtsunterricht in der Schule erzählen: In meiner Schulzeit sind meine Lehrer die gesamte bekannte Menschheitsgeschichte vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart zweimal durchgegangen, einmal in der Unter- und Mittelstufe und noch einmal in der Oberstufe. Und dann hört man von den prägenden Persönlichkeiten der Geschichte: von Julius Caesar, Karl dem Großen, Napoleon Bonaparte, Otto von Bismarck, Adolf Hitler, Joseph Stalin. Und man kriegt beigebracht, was für tolle und schlimme Sachen die doch gemacht haben und wie die dazu beigetragen haben, dass unsere Gegenwart heute so ist, wie sie ist, alles gut und wichtig. Aber sie alle hatten ihre Zeit. Sie alle sind an die Macht gekommen, haben mehr oder weniger Großes erreicht, und sind doch am Ende wie jeder andere wieder gestorben. Und dann denke ich mir als Schüler irgendwann: “Wir sind jetzt vom Alten Ägypten, über das Römische Reich, zu den Franken bis hin zum Kalten Krieg und der Sowjetunion gelangt. Und so groß und stark diese Reiche auch gewesen sein mögen, sie sind alle irgendwann untergegangen. Das Römische Reich, fast tausend Jahre Bestand und doch schon längst wieder vorbei. Napoleon, einer der größten Eroberer unserer Geschichte, und doch gestorben wie jeder andere auch.”
Die letzten 3000 Jahre haben den Prediger nicht infragegestellt, sie haben ihn bestätigt: Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Alles war irgendwann schon mal. Und alles ist irgendwann auch wieder vorbei. Ob in der Weltpolitik oder in Ihrem und meinem Leben: Sie haben sich ein eigenes Haus gebaut? - Schön, in hundert Jahren, wenn Sie schon längst tot sind, wird’s womöglich wieder abgerissen! China wird immer mächtiger und die USA drohen auseinanderzufallen? - Das Römische Reich ist auch irgendwann untergangen! Corona hat dutzende Länder in den wirtschaftlichen Ruin getrieben? - Im 14. Jahrhundert sind über 20 Millionen Menschen in Europa an der Pest gestorben! Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Für alles gibt es eine Zeit. Was sagt der Prediger in V15: Was da ist, war längst, und was sein wird, ist längst gewesen. Stellen Sie sich für einen Moment mal vor, all die gestorbenen Menschen der letzten 3000 Jahre könnten jetzt mit uns reden: Wenn dann mein bester Kumpel fragt: “Mein Bruder hat Krebs, wie kann Gott nur sowas zulassen?” Dann könnten ihm Zehntausende von Menschen antworten: “Das kenn ich!” “Das hab ich mich auch immer gefragt!” Wir sind 8 Milliarden Menschen auf der Welt. In jeder Sekunde, die ich hier rede, sterben anderswo Menschen und werden neue geboren. Es gibt nichts Neues unter Sonne. … Der Prediger hat recht. … Und nun stellt er die entscheidende Frage: Wozu das alles? “Welchen Gewinn hat der Schaffende [also der Mensch in seiner Tätigkeit] bei dem, womit er sich abmüht?”
Warum stehen Sie jeden Morgen auf? Wozu gehen Menschen jeden Tag zur Arbeit? Was haben sie davon? Was nützt es uns, Dinge im Leben erreichen zu wollen, wenn es ohnehin wieder eine Zeit gibt, in der wir das Erreichte wieder verlieren? Warum investiere ich in Freundschaften und die Ehe, wenn es auch eine Zeit des Sterbens gibt? Welchen Sinn habe ich eigentlich vom Leben zu erwarten? … Diese Fragen beschäftigen den Prediger, auch schon in den Kapiteln vorher. Wir lesen in den vorigen Kapiteln, dass der Prediger ein König in Jerusalem war, ein Sohn Davids, vielleicht Salomo. Das heißt, wir lesen hier nicht die Worte eines x-beliebigen Straßenjunges, der nichts im Leben hat und deshalb die Sinnfrage stellt. Wir lesen die Worte eines Königs. Eines Mannes, der alles hatte, und, wenn er tatsächlich Salomo war, nach 1Kön 3 der weiseste Mensch auf Erden gewesen ist. Hier stellt sich also ein Mensch die Sinnfrage, von dem wir am ehesten erwarten können sollten, dass er auf diese Frage eine Antwort findet. Ich möchte in den nächsten paar Minuten mal aus einer einfachen Bibelübersetzung seine Gedanken übers Leben vorlesen. Hören Sie einfach mal hin, Pred 2:
1 Ich sagte mir: »Dann schaffe ich mir ein angenehmes Leben und genieße das Gute.« Doch ich erkannte, dass auch darin kein Sinn liegt. 2 »Es ist unsinnig zu lachen«, sagte ich mir. »Was für einen Nutzen hat es sich zu freuen?« 3 In meinem Herzen nahm ich mir vor, mich mit Wein zu berauschen, aber so, dass ich noch besonnen über die Weisheit nachdenken könnte. Ich wollte so leben wie die Dummen, um herauszufinden, welche Lebensart für die Menschen während ihrer Zeit hier auf der Erde am besten sei. 4 Ich vollbrachte Großartiges: Ich baute mir Häuser und pflanzte Weinberge. 5 Ich legte Gärten und Parks an und ließ alle Sorten Obstbäume setzen. 6 Ich sammelte das Wasser in Teichen, um damit meine vielen Bäume zu bewässern. 7 Ich kaufte Sklaven und Sklavinnen, und weitere Sklaven wurden in meinem Haus geboren. Ich besaß größere Schaf- und Viehherden als irgendjemand vor mir in Jerusalem. 8 Ich häufte Gold und Silber in meiner Schatzkammer an, die Schätze vieler Könige und Provinzen. Ich holte Sänger und Sängerinnen an meinen Hof und nahm mir viele Frauen - das Höchste, was sich ein Mann nur wünschen kann! 9 Auf diese Weise wurde ich berühmter und reicher als alle Könige, die vor mir in Jerusalem geherrscht hatten. Neben all dem besaß ich meine Weisheit. 10 Wenn mir etwas ins Auge stach, was ich haben wollte, nahm ich es mir. Ich versagte mir keine einzige Freude. Und ich freute mich bei all den Mühen, die ich hatte - das war gleichsam ein Nebenlohn meiner Anstrengungen. 11 Doch als ich alles prüfend betrachtete, was ich mir mit meinen Händen erworben hatte, und die Mühe dagegen hielt, die ich darauf verwendet hatte, merkte ich, dass alles sinnlos war. Es war so unnütz wie der Versuch, den Wind einzufangen. Es gibt keinen bleibenden Gewinn auf dieser Welt.
Die Weisen und die Unverständigen
12 So beschloss ich herauszufinden, was die Weisheit von der Verrücktheit und der Dummheit unterscheidet. Denn was wird der Mensch tun, der nach dem König kommen wird? Natürlich das, was man schon immer gemacht hat. 13 Ich stellte fest, dass Weisheit wertvoller ist als Dummheit, genauso wie Licht besser ist als Dunkelheit. 14 Denn der Weise hat Augen im Kopf und kann sehen, der Dummkopf dagegen ist blind und tappt im Dunkeln umher. Gleichzeitig erkannte ich aber, dass Weise und Dummköpfe am Ende das gleiche Schicksal ereilt. 15 Da dachte ich mir: »Wenn es mir genauso ergehen wird wie dem Dummkopf - was hatte es dann für einen Sinn, dass ich mich so um Weisheit bemüht habe?« Und ich sagte mir: »Das ist doch auch unnütz!« 16 Man erinnert sich an den Weisen ebenso wenig wie an den Dummen: Später, in der Zukunft, wird sowieso alles vergessen sein. Der Weise muss genauso sterben wie der Dummkopf!
Die Vergeblichkeit der Arbeit
17 Da wurde mir das Leben vollständig verleidet, denn es ist alles so sinnlos, als wolle man den Wind fangen. 18 Ich hasste meine Anstrengungen, die ich unternommen hatte, um etwas zu erreichen - ich muss ja doch alles meinem Nachfolger hinterlassen! 19 Und wer weiß, ob dieser weise oder töricht sein wird? Und dennoch wird ihm alles gehören, was ich durch Klugheit und harte Arbeit erworben habe. Das ist so sinnlos! 20 Ich verzweifelte fast, als ich mir alle Mühe und Arbeit vor Augen hielt, die ich mir hier auf der Erde gemacht hatte. 21 Denn es ist so: Ein Mensch müht sich ab, gibt Weisheit, Einsicht und sein ganzes Geschick daran, etwas zu erreichen. Dann aber muss er alles, was er erreicht hat, einem Menschen hinterlassen, der nichts dafür getan hat. Das ist völlig sinnlos und ungerecht. 22 Was hat der Mensch letztendlich von seiner schweren Arbeit und von all seinen Sorgen? Er müht sich ab, 23 jeden Tag leidet er, seine Arbeit bringt ihm nur Ärger ein, und selbst nachts findet er keine Ruhe mehr. Es ergibt keinen Sinn.
Ich glaube der Prediger hat ein paar ziemlich gute Punkte. “Das ist doch pessimistisch!”, meinen Sie vielleicht. Und ich kenne auch viele Menschen, die in ihrem Leben durchaus glücklich sind, das will ich Ihnen gar nicht in Abrede stellen. Aber vor der Tatsache, dass Sie einmal sterben werden: Hat der Prediger da noch so Unrecht? Oder ist er nicht vielmehr realistisch? Denn selbst, wenn man sein ganzes Leben genossen haben mag, wird man am Ende sterben, und das ist das Sinnloseste überhaupt! Und ich muss zugeben: Wenn das alles ist, wenn dieses Leben, das der Prediger hier so plastisch umrissen hat, wirklich der Realität entspricht, dann kann ich verstehen, warum Leute sich das Leben nehmen. Das Leben an und für sich ist sinnlos, es führt nirgendwo hin. Ich kann auch nichts erreichen, denn nicht nur das Gute, auch das Schlechte hat seine Zeit. Aber irgendwie ist das nicht die Konsequenz, die der Prediger daraus zieht. Welchen Sinn hat das Leben? Lassen Sie uns einmal die Antwort des Predigers darauf lesen:
10 Ich habe das Geschäft gesehen, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich darin abzumühen. 11 Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur dass der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan hat, vom Anfang bis zum Ende. 12 Ich erkannte, dass es nichts Besseres bei ihnen gibt, als sich zu freuen und sich in seinem Leben gütlich zu tun. 13 Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. 14 Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es ⟨so⟩ gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet. 15 Was da ist, war längst, und was sein wird, ist längst gewesen; und Gott sucht das Entschwundene ⟨wieder⟩ hervor.
Hier ist kein Selbstmord. Hier spricht niemand, der nichts vom Leben erwartet und deprimiert in der Ecke sitzt. Nein. Hier spricht jemand, der Gott vertraut. “Ich habe das Geschäft gesehen, das Gott den Menschenkindern gegeben hat, sich darin abzumühen”, fängt er an. Der Prediger weiß, wie das Leben ist. Er spricht hier nicht als jemand, der über all dem steht. Aber anders als in den Bibelstellen gerade eben, bringt er hier einen neuen Akteur mit ins Spiel: Gott. Er sieht das Leben als einen gottgegebenen Auftrag, ein Geschäft, und zwar als eins, das Gott den Menschen gibt, “sich darin abzumühen”, also einen Auftrag, mit dem man gut beschäftigt ist. Und dann attestiert er Gott in Vers 11 mit einem Mal, dass der all das auch noch gut gemacht haben soll. Dass all das, was der Prediger in den letzten Versen noch als so dermaßen unsinnig beschrieben hat, von Gott eigentlich gut gemacht ist. Und dann sogar noch etwas: Gott hat uns “die Ewigkeit ins Herz gelegt”. Ewigkeit; das ist mal ein neues Wort. Gott hat die Dinge nicht sinnlos gemacht, damit wir am Leben verzweifeln, nein, er hat sie gut gemacht und will, dass wir sie ewig genießen können; “nur”, so schreibt der Prediger weiter, “dass der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan hat, vom Anfang bis zum Ende.” Im Prinzip relativiert sich der Prediger hier selbst. Kapitelweise hat er in den letzten Versen auf die Eintönigkeit und die Sinnlosigkeit des Lebens gepocht und dass all das, was wir im Leben erfahren, am Ende wertlos ist. Und nun formuliert er das etwas um: Mein Leben und mein Dasein mag mir zwar alles sinnlos erscheinen, aber woher will ich das genau wissen? Ich kann sowieso nicht wissen, wo Gott überall am Werk ist. … Alles, was ich überblicken kann, sind die durchschnittlichen 70/80 Jahre, die ich auf dieser Erde verbringen werde, einer Erde, die es schon seit tausenden von Jahren gibt. Und selbst in diesen wenigen Jahrzehnten meines Lebens kann ich die Welt auch nur aus meiner Perspektive wahrnehmen. Mit meiner Anklage, dass alles sinnlos ist und das Leben keinen Wert hat, stehe ich dem gegenüber, der es mir geschenkt hat. Und dessen Werk kann ich nicht ergründen. Ich werde niemals das ganze Bild sehen, niemals mit 100%iger Sicherheit sagen können: “Das war falsch!” Aber das will ich doch als Mensch so dringend! Wissen, was Gut und Böse ist, genau wie Eva damals in 1Mose 3. Getrieben von dem Gedanken, Gott könnte mir vielleicht doch etwas vorenthalten, entziehen wir ihm die Erlaubnis, uns zu sagen, was Gut und Böse ist. Und darin scheitern wir. Der Prediger hat alles ausprobiert: Besitz, Genuss, Ansehen, alles, und nichts davon ist gut. Wir haben die Fähigkeit verloren, das gute Werk zu sehen, das Gott gemacht hat. …
Und welche Schlüsse zieht der Prediger nun daraus? Ist jetzt alles relativ, weil wir ja eh nichts wirklich wissen können? Sollen wir jetzt in Allem das Gute sehen und dem Krebskranken sagen: “Gepriesen sei Gott im Himmel!” und der Vergewaltigten: “Gott wird sich schon irgendwas Gutes dabei gedacht haben!”? Nun, die Antwort des Predigers ist zweigeteilt:
Zum Einen die Verse 12-13: 12 Ich erkannte, dass es nichts Besseres bei ihnen gibt, als sich zu freuen und sich in seinem Leben gütlich zu tun. 13 Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Womöglich mag der oder oder die andere von Ihnen ja mit einer komplizierteren Antwort des Predigers gerechnet haben, doch stattdessen könnte sie einfacher nicht sein: Wir werden Gottes Wirken nie verstehen und einordnen können. Also ist das beste, was wir tun können, es als Gabe Gottes zu interpretieren, wenn es uns gut geht und wir das Leben genießen können. Das ist keine philosophische Antwort, das ist eine pragmatische Antwort. Ich vermute, dass diese Antwort nicht gerade hilfreich ist, wenn man gerade schwere Zeiten durchmacht und ich vermute auch nicht, dass der Prediger das zum Ziel hat. Es geht ihm nicht darum, Trost zu spenden, wenn man es gerade schwer im Leben hat. Dieser Satz des Predigers meint eine generelle Lebenseinstellung: “Richte Deinen Blick im Leben auf die guten Dinge, die Gott Dir schenkt.” Und wie ich bei mir selbst feststelle, ist das oft gar nicht so leicht. Denn dafür muss ich lernen, im Moment zu leben. Mir ist klar, dass ich deutlich weniger Lebenserfahrung habe als die meisten von Ihnen, aber vielleicht kennen Sie die folgenden Gedanken ja: “Wenn ich einmal das Studium rum habe, dann kann mein Leben beginnen.” “Wenn ich einmal jemanden kennenlerne, dann werde ich glücklich sein.” “Wenn ich einmal Kinder habe, dann habe ich einen Sinn im Leben.” “Wenn ich einmal in Rente bin, dann kann ich mein Leben endlich in vollen Zügen genießen.” Usw. Usw. Ich bin mir fast sicher, dass Sie solche Gedanken kennen und meine Liste nach Belieben erweitern könnten. Doch ich bin mir genauso sicher, dass diese Gedanken nicht zu dem glücklichen Leben führen, das sie versprechen. Denn sobald man die eine Sache erreicht hat, kann man sie nicht genießen, sondern stets steht schon das nächste Zeil, auf das man hinarbeiten muss, in Aussicht. Das ist nicht das Leben, zu dem uns der Prediger ermutigen will. Wer immer auf den nächsten Schritt hinarbeitet, wird niemals zum Genießen kommen. Dann lebe ich für die Zukunft und nicht in der Gegenwart. Ich kann das auch umgekehrt machen, vielleicht kennen Sie das genauso: “Wenn ich doch wieder im Kindergarten wäre! Dort war das Leben noch einfach und unbeschwert.” “Wenn ich doch in der Schule besser aufgepasst hätte, dann müsste ich jetzt nicht Postbote sein.” “Wenn ich doch diesen Freund nicht verloren hätte.” “Wenn ich doch damals nicht umgezogen wäre.” Usw. Usw. Auch diese Gedanken werden Sie kennen. Und sie bringen uns genauso wenig zu dem Leben, das uns der Prediger in Aussicht stellt. Denn nun hänge ich in der Vergangenheit fest und jage Erinnerungen nach, anstatt in der Gegenwart zu leben. Doch was sagt der Prediger: “Aber auch, dass jeder Mensch isst und trinkt und Gutes sieht bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes”! Ich kann nur die Gegenwart genießen, ich kann nur im Moment glücklich sein. Ich muss nicht mein ganzes Leben nach etwas streben oder dem Vergangenen hinterhertrauern, ich habe jetzt und hier in Gott alles, was ich zum Leben brauche und werde das auch morgen haben. Und es wird Gott nicht interessieren, ob ich am Ende den 5er BMW fahre oder nur den Opel Corsa. Wenn wir es nicht schaffen, unser Augenmerk auf die Gegenwart zu richten, wird uns vieles Schöne entgehen, das Gott gemacht hat. Aber das ist nicht alles, was der Prediger zu sagen hat. Er gibt eine zweite Antwort:
Vers 14 und 15: 14 Ich erkannte, dass alles, was Gott tut, für ewig sein wird. Es ist ihm nichts hinzuzufügen und nichts davon wegzunehmen. Und Gott hat es ⟨so⟩ gemacht, damit man sich vor ihm fürchtet. 15 Was da ist, war längst, und was sein wird, ist längst gewesen; und Gott sucht das Entschwundene ⟨wieder⟩ hervor.
Gott ist ewig. Und was er tut ist ewig. Und es ist vollkommen, man muss ihm nichts hinzufügen und sagen: „Gott, das fehlt noch, dann ist es perfekt“, genauso wie man nichts wegnehmen und sagen muss: “Gott, das ist zu viel, das war unnötig.“ Gott hat die Dinge gut gemacht. Können Sie das glauben? Können Sie daran glauben, dass Gott Ihnen eine Welt geschaffen und ein Leben gegeben hat, das er “gut“ genannt hat? Also mir fällt das schwer. Weil dieses Leben eigentlich genau so ausweglos sinnlos ist, wie der Prediger es am Anfang umschrieben hat. Ich kann Bauen, Lachen, Tanzen, Lieben wie ich will, es wird doch wieder Zeit für‘s Abreißen, Weinen, Klagen und Hassen geben. Die Welt wird nicht besser, die Menschen sind nicht glücklicher als noch vor hundert oder tausend Jahren. Wir steuern nicht aufs perfekte Leben zu. Gerade hier im Westen sollte man doch meinen, geht‘s uns gut. Stattdessen sind wir die Länder mit den höchsten Suizidraten. Wie kann der Prediger behaupten, Gott habe alles „gut“ gemacht zu seiner Zeit? Wie kann er sich da so sicher sein? … Ich glaube, es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Prediger und dem, was ich gerade beschrieben habe: Er hat eine andere Perspektive. Wie oft sinne ich übers Leben nach und blende völlig aus, dass Gott die Ewigkeit in mein Herz gelegt hat! Dabei verändert das alles!
Ihr Lieben, wir leben in einer Welt, die Gott wunderbar gemacht hat und die besser nicht hätte sein können, aber durch unser sündiges Verhalten, durch das, was Sie und ich und alle anderen Menschen da draußen jeden Tag tun, haben wir den Blick dafür verloren. Menschen hassen sich, belügen sich, bekriegen sich, schon die ganze Menschheitsgeschichte hindurch. Aber Gott hat eine Lösung angeboten: Jesus Christus. Und das ist nicht die heilige Antwort, die am Ende immer alles perfekt macht, nein, ist sie nicht. Das sagt auch der Prediger: Menschen, die gut und gottesfürchtig leben, können manchmal mehr Leid und Trauer erfahren als Menschen, denen Gott egal ist. Das, was die einen von den anderen unterscheidet, ist Folgendes: Die einen haben eine Ewigkeitsperspektive, die anderen nicht. Ich muss nicht am Leben und an meinem Leid verzweifeln, wenn ich weiß, dass es eine Zeit geben wird, da wird Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Da wird ein Reich Gottes vollendet sein, in dem es all das Weinen und all den Schmerz nicht mehr geben wird. Und im Vertrauen darauf, dass Gott auch diese meine Welt, in der ich jetzt lebe, gut gemacht hat, kann ich auch hier, in meinem jetzigen Leben, meinen Fokus auf die guten Dinge des Lebens setzen. Nicht so, dass ich Leid schönrede, und Trauernden sage: „Ist doch alles gut“, sondern weil ich mit einer anderen Perspektive durchs Leben gehe. Ich will nicht so tun, als wäre es etwas Positives, wenn Krebsdiagnosen gestellt werden oder Angehörige viel zu früh versterben, keineswegs! Doch fällt es uns nicht leichter, den Widrigkeiten im Leben zu trotzen, in dem wissen, dass wir für die Ewigkeit gemacht sind und auch der Tod nichts daran ändern kann?
Ich komme zum Schluss. Der Prediger hat recht: Alles auf dieser Welt hat seine Zeit. Unser Leben besteht unweigerlich aus Gutem und Schlechtem zugleich. Es gehört zum Leben dazu, dass wir leiden und schlechte Erfahrungen machen. Aber es gehört genauso dazu, dass auf schlechte Zeiten wieder gute Zeiten folgen werden und wenn nicht in diesem Leben, dann in der Ewigkeit bei Gott. Wir müssen nicht am Leben verzweifeln, wenn wir darauf vertrauen, dass jedem von uns, nach seinem Tod, ein Leben in der völligen Gemeinschaft mit Gott in Aussicht steht. Wir haben nur bedingt Einfluss darauf, was uns im Leben widerfährt. Und das ist auch nicht schlimm: Gott ist der Schöpfer, nicht wir. Gott ist souverän, kann alles überblicken und hat alles „gut“ gemacht zu seiner Zeit. Geben wir uns, und unser Leben und Leiden in Gottes Hand, er wird es richten, jetzt und für immerdar. Amen. Ich bete:
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