Von oben her neu werden
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Von oben her neu werden
Von oben her neu werden
Liebe Zuhörer,
sie kennen sicher diese Redewendung “Im Dunkeln ist gut Munkeln”. Manchmal sollen Dinge nicht gleich entdeckt oder bekannt werden.
Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass die meisten wichtigen politischen Sitzungen der Regierungen erst spät Abends beginnen und dann bis in die frühen Morgenstunden gehen. Aber warum? In einer der letzten Ministerpräsidentenkonferenzen wegen Corona gab es dann einen Streit über die späten Zeiten.
Auch zu Jesus kam ein Mann in der Nacht, weil er von ihm einiges wichtiges wissen wollte. Es war Nikodemus. Ob das ein Akt der Furcht und Feigheit gegenüber seinen anderen Kollegen war, wie manche meinen, lässt sich nicht feststellen.
Lesen wir erst einmal den Text aus Johannes 3,1-13
1 Unter den Pharisäern gab es einen, der Nikodemus hieß. Er war einer der führenden Männer des jüdischen Volkes. 2 Eines Nachts ging er zu Jesus und sagte zu ihm: »Rabbi, wir wissen: Du bist ein Lehrer, den Gott uns geschickt hat. Denn keiner kann Zeichen tun, wie du sie vollbringst, wenn Gott nicht mit ihm ist.« 3 Jesus antwortete: »Amen,amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand von oben her neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.« 4 Darauf sagte Nikodemus zu ihm: »Wie kann denn ein Mensch geboren werden, der schon alt ist? Man kann doch nicht in den Mutterleib zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden!« 5 Jesus antwortete: »Amen, amen, das sage ich dir: Nur wenn jemand aus Wasser und Geist geboren wird, kann er in das Reich Gottes hineinkommen. 6 Was von Menschen geboren wird, ist ein Menschenkind. Was vom Geist geboren wird, ist ein Kind des Geistes. 7 Wundere dich also nicht, dass ich dir gesagt habe: ›Ihr müsst von oben her neu geboren werden.‹ 8 Auch beim Wind ist es so: Er weht, wo er will. Du hörst sein Rauschen. Aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht. Genauso ist es mit jedem, der vom Geist geboren wird.« 9 Nikodemus fragte Jesus nochmals: »Wie ist das möglich?« 10 Jesus antwortete ihm: »Du bist Lehrer Israels und verstehst das nicht? 11 Amen, amen, das sage ich dir: Das, was wir wissen, davon reden wir. Und das, was wir gesehen haben, das bezeugen wir. Aber das, was wir bezeugen, nehmt ihr nicht an. 12 Ihr glaubt mir schon nicht, wenn ich zu euch von irdischen Dingen spreche. Wie wollt ihr mir dann glauben, wenn ich zu euch von himmlischen Dingen rede?« 13 »Nur einer ist in den Himmel hinaufgestiegen. Es ist der, der auch vom Himmel herabgekommen ist: der Menschensohn.
Ganz anders als seine Kollegen sah Nikodemus in Jesus einen geistlichen Lehrer, der von Gott Vollmacht bekommen hatte, auch wenn er keine theologische Schule besucht hat.
Darum bewegte ihn die Frage: Wie kann ein Mensch in Gottes Reich kommen? Wie kann man Anteilhaben an der Herrschafft Gottes? Letzlich wie kann ich gewiss sein, dass ich zu Gott gehöre? Und Jesus wusste schon, welche Fragen Nikodemus umtrieben.
Ich weiß nicht, welche Frage sie heute haben, was sie bewegt? Aber eins dürfen sie wissen: Mit ihren Fragen, mit ihren Lebensfragen können sie zu Jesus kommen. Er kennt sie schon.
Der Schlüsselsatz von Jesus ist hier: Nur wenn jemand von oben her neu geboren wird, kann er das Reich Gottes sehen.
Der Autor Paul White erzählt in seinem Büchlein »Der Affe im Löwenfell« von dem Affen Toto, der sich ein altes Löwenfell überzieht und als Löwe verkleidet brüllend durch den Dschungel zieht. Als ihn Twiga, die Giraffe, verwundert fragt, wer er sei, antwortet er: »Siehst du das nicht? Ich bin der König der Tiere!« »Toto«, erwidert Twiga, »Du läufst in einem mottenzerfressenen Löwenfell herum und behauptest, du seist ein Löwe? Das ist doch affig.« Doch Toto warnt sie: »Sprich nicht so mit mir, Giraffe, sonst fresse ich dich auf! Ich bin kein Affe mehr, ich bin ein Löwe geworden! Ich tue, was Löwen tun. Ich fresse, was Löwen fressen. Ich gehe dorthin, wo Löwen hingehen!« Twiga redet ihm freundlich zu: »Du wirst kein Löwe, wenn du einen Löwen nachmachst. Um ein Löwe zu werden, müsstest du ganz neu als Löwe geboren werden. Du müsstest ein neues Wesen werden«. Erst als sich Toto, immer noch als Löwe verkleidet, frech einem Leoparden in den Weg stellt und dabei fast sein Leben verliert, geht ihm ein Licht auf. Mit leiser Stimme gibt er zu: »Ich hatte Unrecht. Man wird kein Löwe, wenn man wie ein Löwe brüllt.«
Sie merken es geht nicht von selbst, sondern es muss etwas passieren, was eine totale Veränderung bringt. Auch Nikodemus spürte: Ich selber kann das nicht von mir aus machen.
Da ist Nikodemus, der hochgebildete und hochangesehene Gelehrte, der in der Nacht zu Jesus gekommen ist. Sein ganzes kluges Weltbild, seine ganze Weisheit wird in dieser Nacht zerschlagen. Da sag es Jesus klar zu ihm: Ein neuer Mensch musst Du werden, Nikodemus, von Gott neu geboren. Rein und sündlos, ein reines Herz.
Wie kann das sein, wie kann man das erreichen, fragt Nikodemus. “Menschlich gesehen, geht das nicht, man kann doch nicht noch einmal geboren werden?” Für Nikodemus war klar: Das Leben ist unumkehrbar, es gibt kein Zurück in den Schoß der Mutter. Es bleibt ein Traum im Leben noch einmal von vorn zu beginnen, vielleicht ohne die Fehler, man bisher in seinem Leben getan hat.
Mit der Geburt und sogar schon vorher beginnen die Festlegungen für unser Leben. Je älter wir werden, umso schwerer wird es, neu anzufangen. Auch für uns.
Nikodemus spürt hier trotz seiner Skepsis und Fragen: Dieser Jesus hat mit dem zu tun, was mir fehlt. Aber wer sich mit Jesus einlässt, der muss wissen, dass hier total Neues passiert. Eine ganz radikale Veränderung – so wie es das Wort hier sagt - radikal – radix – von der Wurzel her.
Nikodemus versteht nichts mehr, was Jesus hier sagt. Aber das was er sagt hat entscheidente Bedeutung, auch für ihn und sein Leben. So wird diese Nacht zur Wende für Nikodemus, diese Nacht an der Seite von Jesus wird zur Lebenswende.
Es wird hier deutlich, dass es eben nicht genügt, um Christ zu werden, dass wir uns das »Fell« eines Christen überziehen. Wir müssen von neuem geboren werden. Neu werden, von neuem geboren werden.
Diese Geburt »von oben« ist ein Wunder Gottes, das dem Unglauben verschlossen bleibt, im Glauben und ganz konkret verbunden mit Gebet und Taufe erfahren wird. Gerade weil wir von Pfingsten her kommen, wird es uns deutlich, das geschieht durch Gottes Heiligen Geist in uns. Es geht nicht um unsere Machbarkeit, sondern um das Wirken des Heiligen Geistes in uns.
Es ist auf die Ewigkeit in Gottes Reich angelegt und wird letztlich dort offenbar, aber es bestimmt schon im Heute unser Handeln und Tun.
Lassen wir uns darauf ein.
Amen