Die Rache ist mein, spricht der HERR

Sermon  •  Submitted
0 ratings
· 198 views
Notes
Transcript

Einleitung

Ich lese euch jetzt einmal einige Verse aus einem Psalm, die euch mit Sicherheit erschrecken und die euch nicht gefallen werden:
Psalm 137,7–9 GN
Herr, vergiss nicht, was die Edomiter taten, als Jerusalem in die Hand der Feinde fiel, wie sie schrien: »Reißt sie nieder, die Stadt! Reißt sie nieder bis auf den Grund!« Babylon, auch du wirst bald verwüstet! Gott segne den, der dir heimzahlt, was du uns angetan hast! Gott segne den, der deine Kinder packt und sie am Felsen zerschmettert!
Steht so etwas wirklich in der Bibel? Und wenn ja, was sollen wir mit einem solchen Text anfangen?
Ja, das ist wirklich ein Text der Bibel. Er gehört zu einer Gruppe von Psalmen, die man gewöhnlich “Rachepsalmen” nennt. Florian Schreiter hat ja vor ein paar Wochen hier über einen Dankpsalm gesprochen. In seiner Einleitung hat er erzählt, dass er kurz daran gedacht hatte, über einen Rachepsalmen zu predigen, dass ihm das daber dann doch zu “heiß” war. Irgendwie hat mich das herausgefordert und ich habe gedacht, dass ich das bei meiner nächsten Predigt machen möchte.
Dann kam der Predigttermin immer näher und ich erfuhr, dass es ja auch gleichzeitig noch ein Abendmahlsgottesdienst ist. Sollte ich das wirklich machen? Sollte ich das Thema “Rache” nehmen? Und wie passt so etwas zum Abendmahl? Aber je mehr ich darüber nachdachte, umso mehr wurde mir klar, dass das eigentlich sehr gut zueinander passt. Vielleicht fragt ihr euch jetzt, wie das wohl geht. Ich hoffe, dass es am Ende dieser Predigt klarer geworden ist!
Die Psalmen sind ja für viele Christen ein Buch in der Bibel, das sie gerne und immer wieder lesen. Ich habe es schon öfter erwähnt: Meine Frau und ich lesen Abends vor dem Einschlafen immer einen Abschnitt aus diesem Buch. Dabei gebe ich zu, dass es Teile gibt in den Psalmen, die ich dabei überspringe, ja, sogar einen ganzen Psalm, den ich nicht lese. Diese Teile der Psalmen sind wirklich schwierig. Sie sind der Grund, warum es auch Christen gibt, die mit den Psalmen nicht viel anfangen können. Ich will daher zunächst ein wenig dazu sagen, wie wir die Psalmen lesen können und wie gerade auch diese schwierigen Verse für uns eine Bedeutung bekommen können.
In einem zweiten Punkt will ich dann das Thema der “Rache” aufgreifen. Ich habe diese Predigt überschrieben mit den Worten: “Mein ist die Rache, spricht der HERR. Ich will vergelten”. Das ist ja eine Aussage, die wir sowohl im AT finden (in 5Mo 32,35) als auch im NT (in Röm 12,19). Gemeinsam wollen wir darüber nachdenken, was das Problem an dem Thema “Rache” ist, und auch, warum Gott selbst die “Rache” so zu seinem Thema macht.
Und schließlich werden wir im dritten Punkt der Predigt gemeinsam darüber nachdenken, was “Rache” und “Vergeltung” mit dem Abendmahl zu tun hat. Kommen wir aber zunächst zu der Frage, wie wir die Psalmen lesen sollen und wie gerade diese schwierigen Verse für uns Bedeutung bekommen können.

1. Die Psalmen richtig lesen

Die Psalmen sind Lieder und Gebete. Sie wurden aufgeschrieben und gesammelt, weil sie zum Ausdruck bringen, wie die Menschen des Alten Testamentes ihren Glauben gelebt haben und wie sie ihr Verhältnis zu Gott ausdrücken. Damit ist aber auch klar, was sie nicht sind. Sie sind keine Schriften, die uns darüber belehren, wie Gott ist und wie wir glauben müssen, sondern Schriften, die uns erzählen, wie Gott mit Menschen handeln kann und wie Menschen ihren Glauben ausdrücken können.
Was meine ich damit? Ich will es einmal an einem einfach Beispiel deutlich machen. In Psalm 34,10 steht:
Psalm 34,10 LUT84
Reiche müssen darben und hungern; aber die den Herrn suchen, haben keinen Mangel an irgendeinem Gut.
Entspricht diese Aussage wirklich unserer Erfahrung? Wie leben denn die Reichen in unserer Welt? Hungern die etwa? Ganz sicher nicht! Und wie ist es mit denen, die Gott suchen, die zum ihm gehören. Haben die etwa keinen Mangel an irgendeinem Gut???? Ja, es gibt Gemeinden, die diesen Vers so verstehen und die behaupten, dass du gesund und reich bist, wenn du als Christ richtig glaubst. Aber mal ganz ehrlich: unsere Lebenswirklichkeit ist doch anders, oder? Und es gibt ja auch Psalmen, die etwas ganz anderes behaupten. Da ist z.B. der bekannte Psalm 73. Asaf beklagt sich hier darüber, dass es den Gottlosen so gut geht, während er trotz seines Glaubens und seiner Frömmigkeit “täglich geplagt” wird.
Ist das also ein Widerspruch in der Bibel? Wenn die Psalmen uns darüber belehren wollten, was wir zu glauben haben, dann wäre das wirklich sehr schwierig. Aber wer die Psalmen so liest, versteht sie falsch. Die Psalmen drücken das aus, was der jeweilige Autor dieses Psalms erlebt hat. Sie sind “Momentaufnahmen” aus dem Leben eines Gläubigen. Und dann passt es wirklich. Dann können wir auf der einen Seite verstehen, wie ein Asaf an der Ungerechtigkeit in dieser Welt fast verzweifelt. Denn das erleben wir ja auch jeden Tag immer und immer wieder.
Aber wir entdecken ja auch das Andere: Dass Menschen, die sich an Gott fest machen, einen sicheren Halt haben. Dass sie auch in den Stürmen des Lebens das haben, was sie wirklich brauchen: Hoffnung. Und dass um sie herum andere leben, die scheinbar alles haben. Die zu den Reichen zählen, aber im Grunde bettelarm sind.
Kann man sich also aus den Psalmen immer die Aussage herauspicken, die einem passt? In gewisser Hinsicht ja. Alles, was die Psalmen sagen, stimmt. Es ist wahr, denn es steht in der Bibel. Aber nicht alles passt zu jeder Zeit auch in meine Situation. Ich will es an einem anderen Beispiel deutlich machen. Da ist der Psalm, den ich bei unserem abendlichen Bibellesen immer überspringe: Psalm 88.
Dieser Psalm ist durch und durch hoffnungslos. Es ist ja bei den Psalmen oft so, dass irgendwann nach den Klagen und den Hilferufen ein “aber” kommt. Eine Wende, die deutlich macht, dass Gott am Ende das letzte Wort hat und dass er es mit uns gut meint und uns hilft. In Psalm 88 kommt diese Wende nicht. Man hat den Eindruck, dieser Psalm wurde von jemand in einer tiefen Depression geschrieben. Und er ist eben noch nicht herausgekommen aus dieser Tiefe. Er steckt mitten drin. Da ist keine Hoffnung zu sehen, kein Licht, das am Ende scheint.
Wozu steht dieser Psalm denn in der Bibel, so fragst du vielleicht. Die Antwort ist: Weil es solche Situationen gibt. Und weil es gut ist zu sehen, dass man auch mitten in der Dunkelheit und Traurigkeit zu Gott kommen kann. Und dass es nicht falsch oder verwerflich ist, wenn ich Gott diese Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit bringe. Vor Gott muss ich nicht so tun, als sei das nicht so. Ich darf ganz ehrlich sein.
Und auch für uns, die wir gerade nicht in einer solchen Dunkelheit feststecken, kann dieser Psalm wichtig sein. Er kann uns helfen, Menschen nicht zu verurteilen, die gerade nicht glauben können. Die gerade nicht Hoffnung haben. Die gerade nicht ihre Nöte zu Gott bringen und befreit davon gehen können.
Man kann die Psalmen gut vergleichen mit dem, was wir in unseren Gemeinden “Zeugnis geben” nennen. Das ist ja ein etwas seltsamer Ausdruck. Vor allem, weil einige gerade in diesen Wochen Zeugnisse bekommen haben oder bald bekommen werden :-). Gemeint ist, dass jemand in der Gemeinde davon erzählt, was er mit Gott erlebt hat. Dass er es “bezeugt”. Psalmen bezeugen, was Menschen in Israel mit Gott erlebt haben. Sie sind in diesem Sinne “Zeugnisse”. Und deshalb sind sie auch so vielfältig, wie dieses Leben und unsere Erfahrungen vielfältig sind. Manchmal erleben wir, wie Gott eingreift und unsere Not beendet. Manchmal erleben wir, dass Gott uns in unserer Not durchträgt. Und manchmal stecken wir noch mitten in den Problemen und können überhaupt kein Licht mehr sehen. Und für alle diese Situationen gibt es Psalmen, an denen wir uns orientieren und an denen wir uns festmachen können.
Und so wenig, wie man aus dem Bericht eines Menschen, der in der Gemeinde aufsteht und davon erzählt, dass Gott ihn von einer Krankheit geheilt hat, schließen darf, dass jeder von Krankheiten geheilt wird, wenn er nur betet, darf man Psalmen verabsolutieren. Die Psalmen berichten von dem, was Menschen erlebt und erfahren haben. Und sie sind wahr. Aber sie sagen nicht, was immer geschehen wird und was wir daher als theologische Wahrheit verkündigen dürfen. Sie sind geschrieben, damit wir uns in unseren Lebenssituationen in solche Psalmen einklinken und sie mitbeten oder mitsingen können.
Ein letztes Beispiel: Jeder kennt ja den Psalm 23. Den Psalm des guten Hirten. Wenn man hier das “mir wird nichts mangeln”, das ja in diesem Psalm steht, als absolute Wahrheit verstehen würde, dann wäre das schon schwierig. Auch Christen erleben Mangel. Und auch Christen in anderen Teilen dieser Welt fehlt das Lebensnotwendige. Auch Christen können hungern oder sogar verhungern.
Aber jeder hat auch schon erlebt, wie das Mitbeten dieses Psalmes gerade in schwierigen Situationen Trost und Hoffnung geschenkt hat. Wie die Ausrichtung auf Gott selbst am Sterbebett und angesichts des Todes trägt. Weil Gott der gute Hirte ist und weil er weiß, wie ich mich gerade fühle. Und weil er es wirklich gut mit mir meint. Wer also diesen Psalm benutzt, um eine Lehre daraus abzuleiten (“Wenn du zu Gott gehörst, wirst du reich und gesund sein”), macht einen großen Fehler. Und er verpasst den ungeheuren Schatz, der darin liegt, sich in den Worten dieses Psalmes mit seinem Schreiber David eins zu machen und sich ganz und gar auf Gott auszurichten und ihm als dem guten Hirten zu vertrauen.
Wie aber ist das nun mit den “Rachepsalmen”?

2. Die Rachepsalmen - wie betet man die?

Kommen wir noch einmal zurück auf die Verse aus Psalm 137, die ich anfangs gelesen habe:
Psalm 137,7–9 GN
Herr, vergiss nicht, was die Edomiter taten, als Jerusalem in die Hand der Feinde fiel, wie sie schrien: »Reißt sie nieder, die Stadt! Reißt sie nieder bis auf den Grund!« Babylon, auch du wirst bald verwüstet! Gott segne den, der dir heimzahlt, was du uns angetan hast! Gott segne den, der deine Kinder packt und sie am Felsen zerschmettert!
Wenn die Psalmen so etwas wie Lebensberichte oder Lebenszeugnisse der alttestamentlich Gläubigen sind, dann ist es wichtig, dass wir uns damit beschäftigen, was diese Gläubigen erfahren haben und was sie dazu bewegt hat, diese Worte zu schreiben.
Nicht immer ist das so ganz eindeutig. Bei diesem Psalm wird es in der Einleitung klar gesagt. Er wurde von Juden geschrieben, die nach der Zerstörung von Jerusalem durch die Babylonier ins Exil geführt worden waren. Sie saßen jetzt in der großen Stadt Babel, wohin sie deportiert worden waren. Ihr kennt vielleicht das Lied “By the Rivers of Babylon” von Boney M. In diesem Lied wird Psalm 137 aufgegriffen und einige Verse daraus vertont. So beginnt dieser Psalm nämlich:
Psalm 137,1 GN
An den Flüssen Babylons saßen wir und weinten, jedes Mal, wenn wir an Zion dachten.
Die Erinnerung an Zion, an Jerusalem, war ganz präsent für diese Menschen. Und damit auch das, was wir z.B. von dem Propheten Jeremia erzählt bekommen: die Grausamkeiten der Babylonier, die diese bei der Eroberung Jerusalems geübt hatten. Sie hatten z.B. Schwangeren bei lebendigem Leib den Bauch aufgeschlitzt und das ungeborene Kind herausgeholt und vor den Augen der sterbenden Mutter getötet. Unvorstellbare Grausamkeiten hatten sie gesehen. Und jetzt sollten sie für ihre Eroberer singen und fröhlich sein:
Psalm 137,3 GN
Doch die Feinde, die uns unterdrückten, die uns verschleppt hatten aus der Heimat, verlangten von uns auch noch Jubellieder. »Singt uns ein Lied vom Zion!«, sagten sie.
Ich glaube, wir alle können uns gut vorstellen, dass in einer solchen Situation der Wunsch nach Rache aufkommt. Der Wunsch nach Gerechtigkeit. Der Wunsch nach Vergeltung. Und diesen Wunsch drücken sie in diesem Psalm aus.
Was machen wir jetzt damit? Wie können wir mit solchen grausamen Texten umgehen? Und dieser Psalm ist ja nur einer aus einer Reihe von Psalmen, in denen Gottes Rache herbeigesehnt wird.
Was ist das eigentlich - Rache? Ist der Wunsch nach Rache und Vergeltung schon etwas Negatives? Hat es nicht auch etwas mit Gerechtigkeit zu tun?
Wir alle kennen ja Rachegefühle. Ich bin überzeugt davon, dass es keinen Menschen auf dieser Welt gibt, der sie nicht kennt. Sicher, uns ist in den meisten Fällen nicht so etwas Schlimmer wiederfahren, wie das die Juden damals erlebt haben. Obwohl es in vielen Krisengebieten dieser Welt, in Kriegen und Auseinandersetzungen durchaus Vergleichbares gibt.
Wenn uns Unrecht geschieht, dann ist der Wunsch nach Rache und Vergeltung etwas völlig normales. Es ist einfach menschlich. Das eigentliche Problem ist, dass wir in unseren Rachegelüsten dann selbst wieder über das Ziel hinaus schießen. Dass es uns nicht nur um Gerechtigkeit geht, sondern dass wir unsere Wut und unseren Ärger loswerden wollen und dabei selbst meistens neue Ungerechtigkeit hervorbringen. Deshalb schreibt Paulus:
Epheser 4,26 GN
Versündigt euch nicht, wenn ihr in Zorn geratet! Versöhnt euch wieder und lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen.
“Wenn ihr in Zorn geratet”, sagt Paulus. Dass wir in Zorn geraten, das können wir nämlich nicht ändern. Wir können unsere Gefühle nicht nach Belieben ein- oder ausschalten. Und das allein ist auch noch nicht Sünde. Um es mit einem banalen Beispiel zu sagen:
Wenn mir jemand die Vorfahrt nimmt und ich darüber zornig werden, dann ist das nicht Sünde. Das ist einfach menschlich. Aber wenn ich dann meinen Zorn auslebe und diesem Verkehrssünder ganz dicht auffahre, wenn ich hupe und ihn zum Anhalten dränge. Wenn ich aussteige, ihn anbrülle und dann vielleicht sogar handgreiflich werde - dann ist das Sünde.
Ihr könnt euch das bei mir vielleicht gar nicht vorstellen :-). Es ist zwar schon viele Jahre her, aber bis auf das “handgreiflich werden” habe ich das schon mal getan. Ihr könnt meine Frau fragen … Übrigens war ihr Zorn über mein Verhalten dann ebenfalls durchaus berechtigt. Im Gegensatz zu meinem zornigen “Ausrasten”!
Das meint Paulus damit, wenn er schreibt, dass wir uns nicht versündigen sollen, wenn wir in Zorn geraten.
Wie aber gehen wir dann in einer biblischen und richtigen Art und Weise mit Zorn um? Ich glaube, dass uns hier die Rachepsalmen den Weg zeigen. Sie sind nämlich in der Tat dazu geschrieben, dass wir an ihnen lernen. Nicht, dass wir jetzt die gleichen Worte sagen müssten. Dass wir den Kindern unserer Feinde den grausamen Tod wünschen. Aber selbst wenn das unsere Rachegelüste wären, sollen wir an diesen Psalmen lernen, dass wir unsere Sehnsucht nach Rache und Vergeltung zu Gott bringen und bei ihm lassen können. Er ist der Einzige, der wirklich für Gerechtigkeit sorgen kann. Der nicht durch die Rache selbst wieder neues Unrecht produziert, wie das bei uns oft der Fall ist. Er weiß z.B., oder der Autofahrer, der mir da gerade die Vorfahrt genommen hat, in Gedanken bei seiner kranken Frau oder Problemen mit seinen Kindern war, ob er vielleicht gerade seine Arbeitsstelle verloren hat. Oder ob er einfach nur rücksichtslos war. Der Einzige, der wirklich für Gerechtigkeit sorgen kann, weil er hinter unser Verhalten sieht und unser Herz kennt, das ist Gott. Und damit bin ich bei meinem letzten Gedanken:

3. Mein ist die Rache, spricht der HERR.

Die Bibel ist zum Thema “Rache” recht eindeutig. Da wird uns zunächst für unsere persönlichen Rachegelüste gesagt:
Levitikus 19,18 LUT84
Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der Herr.
Wer also seine persönlichen Rachefeldzüge irgendwie rechtfertigen will, der hat offenbar ein größeres Problem mit der Bibel … Wir sollen den Nächsten lieben. Ja, wie Jesus es auf die Spitze getrieben hat: Wir sollen sogar unsere Feinde lieben! Das wird übrigens im Alten Testament auch von den Juden, die nach Babylon ins Exil geführt worden waren, so erwartet. Jeremia schreibt ihnen, dass sie das Beste dieser Stadt suchen sollen, in die Gott sie weggeführt hat (Jeremia 29,7). Sie sollen also erkennen, dass es eigentlich Gottes Handeln war, das sie hier nach Babylon gebracht hat. Und dass sie sich hier jetzt zum Wohl dieser Stadt einsetzen sollen.
Aber dabei bleibt die Bibel nicht stehen.
In 5. Mose 32,35 lesen wir:
Deuteronomium 32,35 LUT84
Die Rache ist mein, ich will vergelten zur Zeit, da ihr Fuß gleitet; denn die Zeit ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll, eilt herzu.
Und Paulus zitiert diesen Vers in Röm. 12,19:
Römer 12,19 LUT84
Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.«
Es ist also im Alten wie im Neuen Testament ganz klar:
Wir sollen uns nicht selbst rächen. Das führt nämlich automatisch zu neuen Ungerechtigkeiten. Aber das bedeutet nicht, dass das Thema “Rache” dann schon zuende wäre. Denn das zweite ist auch im AT wie NT ganz klar:
Gott gehört die Rache. Er wird für Vergeltung sorgen.
Entspricht das eigentlich unserem Gottesbild? Und wenn nicht, müssten wir unser Bild von Gott dann nicht ändern? Manche Christen machen es sich ja ganz leicht und behaupten, dass Gott im AT eben ein Gott der Rache sei, aber im NT sei er dann ein Gott der Liebe. Wie das gehen soll, ohne dass entweder das AT als falsch oder Gott als unbeständig und wandelbar angesehen wird, habe ich noch nicht verstanden. Und es klappt ja auch offensichtlich nicht, denn im NT wird genau das ja wiederholt, wie wir gesehen haben.
Ich glaube, dass ein Teil unserses Problemes darin liegt, dass wir mit den Worten “Rache” und “Vergeltung” immer gleich “Ungerechtigkeit” verbinden. Das aber ist bei Gott eben nicht der Fall. Bei Gott geht es hier um Gerechtigkeit! Das wird schon bei dem hebräischen Wort “Schalom” deutlich, das wir meistens mit “Frieden” übersetzen. Schalom meint einen Zustand, in dem alles so ist, wie es sein soll. Alles ist in Ordnung, alles ist heil. Schalom kann daher auch Gesundheit oder Reichtum bedeuten. Und damit alles in Ordnung, alles heil sein kann, müssen alle Ungerechtigkeiten und aller Mangel ausgeglichen werden, alles, was in Unordnung ist. Das hebräische Verb, von dem Schalom abgeleitet ist, bedeutet daher auch “vergelten” oder “ersetzen”, was für diesen Zustand des Heils fehlt.
Gott will Frieden und Gerechtigkeit. Aber damit Frieden, also Ganzheit und Heil, und Gerechtigkeit herrschen können, müssen Ungerechtigkeiten beseitigt und ausgeglichen werden. Und genau das ist gemeint mit dieser Aussage: “Mein ist die Rache, ich will vergelten”. Gott kann Ungerechtigkeit nicht ertragen. Sünde und Schuld muss bestraft werden, sie kann nicht einfach ignoriert werden. Wenn Gott Sünde und Schuld einfach so übersehen würde, dann würde am Ende die Ungerechtigkeit regieren.
Deshalb spricht die Bibel ganz klar davon, dass Gott am Ende dieser Welt Gericht halten wird. Gott wird für Gerechtigkeit sorgen. Alle Ungerechtigkeit, die dir und mir widerfahren ist, wird zur Sprache kommen. Alles Leid, das auf dieser Welt durch die Sünde der Menschen ausgelöst wurde, wird aufgegriffen werden. Ohne das Gericht am Ende der Welt gäbe es keine Gerechtigkeit. Und weil Gott ein Gott der Gerechtigkeit ist, kann ich meine persönlich erlebten Ungerechtigkeiten ihm überlassen. Die kleinen wie die großen.
Und da sind wir dann beim Abendmahl. Wir feiern hier ja, dass Gott seinen einzigen Sohn in diese Welt geschickt hat, damit er für unsere Schuld am Kreuz stirbt. Weil Gott eben Schuld nicht einfach übersehen kann. Weil Vergeltung erforderlich ist, damit Gerechtigkeit herrschen kann.
Seit Golgatha, seit dem Tod von Jesus am Kreuz, muss kein Mensch mehr in das Gericht Gottes kommen. Jeder, der sich auf Jesus einlässt, der die Vergebung seiner Schuld durch den Tod von Jesus annimmt, kommt nicht mehr ins Gericht. Das sagt die Bibel ganz eindeutig. Denn das Gericht über seine Schuld ist ja schon erfolgt. Diese Schuld hat Jesus schon getragen. Er wurde bestraft, damit ich nicht mehr bestraft werden muss. Am Kreuz hat Gott Vergeltung bewirkt, ist Gottes Rache erfüllt worden.
Nur wer dieses Opfer nicht annimmt, auf den wartet am Ende das Gericht Gottes. Denn das bleibt bestehen: Gott kann und wird keine Ungerechtigkeit dulden. Er kann und wird Sünde nicht übersehen und ungestraft lassen.
Das Abendmahl ist daher auch immer eine Erinnerung an dieses Gericht Gottes. Es führt uns ganz handgreiflich vor Augen, dass Gott unsere Schuld vergeben hat, indem er seinen Sohn an unserer Stelle bestraft hat. In der Taufe übrigens bekennen wir, dass wir dieses Opfer von Jesus für uns persönlich angenommen haben. Dass sein Tod auch für uns gilt. Dass wir mit ihm gestorben und auferstanden sind.
Jesus hat meine Schuld getragen. Ich komme daher nicht mehr in das Gericht am Ende der Welt. Ich will jetzt hier nicht über die Bedeutung des sogenannten “Preisgerichtes” sprechen, in dem auch wir für unser Verhalten als Christen beurteilt werden (aber eben nicht mehr verurteilt!). Das würde zu weit führen. Ich wollte es aber wenigstens erwähnen. Denn auch in dieser Hinsicht ist und bleibt Gott gerecht!
Am Ende dieser Predigt möchte ich dich also einladen zum Abendmahl. Wenn du in Jesus die Vergebung deiner Schuld erlebt hast, dann darfst du gerne kommen. Du darfst alle Verletzungen und alle Ungerechtigkeiten, die du erlebt hast, bei ihm abladen und ihm die Gerechtigkeit überlassen. Und dann kannst du befreit kommen und dich darüber freuen, dass Jesus uns die Vergebung geschenkt hat. Und dass er uns zu seinem Leib, der Gemeinde, gemacht hat.
Amen
Related Media
See more
Related Sermons
See more