Die Freiheit eines Christenmenschen
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Die Freiheit eines Christenmenschen
Die Freiheit eines Christenmenschen
Liebe Gemeinde,
heute möchte ich sie ein wenig mit ins Mittelalter Belgiens hineinnehmen.
Rainald III. von Geldern war im 14. Jahrhundert Herzog in der Region des heutigen Belgiens. Er lebe ein ausschweifendes Leben mit viel Völlerei. Sehr übergewichtig wurde Rainald oft mit seinem lateinischen Spitznamen Crassus genannt, was "Fett" bedeutet. Nach einem fast 11-jährigen Bruderkrieg nahm Rainalds jüngerer Bruder Eduard ihn fest. Er nahm Rainald gefangen, tötete ihn aber nicht. Stattdessen baute er ein Zimmer um Rainald in Nieuwkerk Castle und versprach ihm, dass er seinen Titel und sein Eigentum wiedererlangen könnte, sobald er in der Lage war, den Raum wieder zu verlassen.
Dies wäre für die meisten Menschen nicht schwierig gewesen, da das Zimmer mehrere Fenster und eine Tür von fast normaler Größe hatte und keine davon verschlossen oder verriegelt war. Das Problem war Rainalds Größe. Um seine Freiheit wiederzugewinnen, hätte er abnehmen müssen. Doch Eduard kannte seinen älteren Bruder, und jeden Tag schickte er ihm eine Vielzahl von köstlichen Speisen. Anstatt durch Fasten dem Gefängnis zu entkommen, wurde Rainald immer dicker.
Als Herzog Eduard der Grausamkeit bezichtigt wurde, hatte er eine Antwort parat: "Mein Bruder ist kein Gefangener. Er kann gehen, wenn er will." Rainald blieb 10 Jahre in diesem Raum und wurde erst entlassen, als Eduard 1371 in der Schlacht bei Baesweiler starb. Bis dahin war dann seine Gesundheit so ruiniert, dass er drei Monate später starb - er war der Gefangene seines eigenen Appetits.
Obwohl diese etwas eigenartige Anekdote uns zum Schmunzeln einlädt, macht sie uns doch eine traurige Wahrheit deutlich: Viele Menschen sind Gefangene ihrer eigenen Lüste und Leidenschaften. Uns wird Freiheit versprochen, wo wir tun und lassen können, was wir wollen. Doch unser Appetit und unser Hunger nach mehr schränken uns stärker ein, als wir uns eingestehen wollen: Pornografie, Sammelleidenschaft, Kaufsucht, Anerkennungsstreben und vieles mehr nehmen. Menschen sind gefangen, indem in ihnen ein unstillbarer Durst geweckt ist, der sie nach dem nächsten Kick trotzdem immer noch unzufrieden zurücklässt.
Das weiß auch der Apostel Paulus. Darum ermahnt und ermutigt er die Christen in Korinth, sich nicht mehr daran zu orientieren, sondern an Jesus Christus.
Wir lesen im 1. Korintherbrief Kapitel 6, 9-20:
9 Das müsstet ihr doch eigentlich wissen: Wer Unrecht tut, wird keinen Anteil an Gottes Reich erben. Macht euch nichts vor! Das betrifft Menschen, die in verbotenen sexuellen Beziehungen leben, die Götzen dienen oder die Ehe brechen. Das betrifft auch Männer, die sich wie Frauen verhalten oder mit Männern schlafen. 10 Und das betrifft Diebe, Habgierige, Säufer und Menschen, die andere verleumden oder berauben. Sie alle werden keinen Anteil am Reich Gottes erben. 11 Manche von euch gehörten früher dazu. Aber ihr seid reingewaschen worden. Ihr seid zu Heiligen geworden und von Gott als gerecht anerkannt – durch den Herrn Jesus Christus, in dessen Namen ihr getauft seid, und durch den Geist unseres Gottes. 12 »Ich darf alles!« – Aber das heißt nicht, dass auch alles gut für mich ist. »Ich darf alles!« – Aber das bedeutet nicht, dass ich mich von irgendetwas beherrschen lasse. 13 »Das Essen ist für den Magen da und der Magen für das Essen!« Aber Gott wird sowohl dem einen als auch dem anderen ein Ende bereiten. Denn unser Leib ist nicht für verbotene sexuelle Beziehungen da, sondern für den Herrn. – Und der Herr sorgt für den Leib: 14 Gott hat den Herrn vom Tod auferweckt. Durch seine Kraft wird er auch uns auferwecken. 15 Wisst ihr nicht, dass eure Körper Glieder am Leib von Christus sind? Soll ich nun die Glieder nehmen, die Christus gehören, und daraus Glieder einer Prostituierten machen? Niemals! 16 Das müsst ihr doch wissen: Wer sich mit einer Hure einlässt, wird eins mit ihr! Denn in der Heiligen Schrift steht: ›die zwei sind eins, mit Leib und Seele.‹ 17 Wer sich aber auf den Herrn einlässt, wird eins mit seinem Geist. 18 Hütet euch vor verbotenen sexuellen Beziehungen! Jede andere Schuld, die ein Mensch auf sich lädt, betrifft nicht seinen Leib. Wer aber in verbotenen Beziehungen lebt, wird schuldig an seinem eigenen Leib. 19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der ist in euch, Gott hat ihn euch geschenkt! Nun gehört ihr nicht mehr euch selbst. 20 Gott hat euch freigekauft. Sorgt also dafür, dass euer Leib Gott Ehre erweist!
Vor ein paar Jahren ist ein Lied entstanden, dass gern bei missionarischen Veranstaltungen gesungen wird, weil es deutlich macht, wie wir zu Gott kommen können:
“Jesus, zu dir kann ich so kommen, wie ich bin. Du hast gesagt, das jeder kommen darf. Ich muss dir nicht erst beweisen, dass ich besser werden kann. Was mich besser macht vor dir, das hast du längst am Kreuz getan. Und weil du mein Zögern siehst, streckst du mir deine Hände hin, ich kann so zu dir kommen, wie ich bin.”
Genau das wusste auch der Apostel Paulus und die Christen in Korinth. Aber Paulus macht den Christen in Korinth und uns heute mit recht kräftigen Worten deutlich, dass wer zu Jesus gekommen ist, nicht so bleibt, wie er ist, sondern dass sich das Leben radikal verändert.
Was waren das für Leute, an die der Apostel Paulus hier schrieb? Es war eine Gemeinde von Sündern und Heiligen.
Genauso nannte auch die amerikanische Pastorin Nadia Bolz-Weber die Gemeinde, die sie vor 13 Jahren in Denver in einer Wohnstube gründete. Es war eine Gemeinde für alle - für Sünder und Heilige. Es sind Menschen, wie Du und ich, Menschen mit unterschiedlichen Vorleben, mit einer unterschiedlichen Lebensgeschichte. Und doch hat sie Jesus Christus mit seinem Evangelium angesprochen und verändert.
Um diese Veränderung, um dieses Neuwerden geht es heute. Das geschieht nicht nur ein bisschen, nicht nur im Kopf, sondern geschieht im ganzen Menschen, auch mit dem Leib.
Es erschreckt uns fast, wie massiv hier Paulus über die Sünde spricht. Aber er macht hier deutlich, dass obwohl das Evangelium wirkt, die Wirkkraft der Sünde noch lange nicht ausgeräumt ist. Die christliche Gemeinde besteht eben nicht aus lauter Heiligen, sondern es passieren in ihr immer wieder schreckliche Dinge. Paulus benennt hier Dinge, die in Korinth vorkommen.
Man könnte fast meinen, der nächste Tatort könnte in der christlichen Gemeinde in Korinth gedreht werden oder auch in unserer Gemeinde? Es wird deutlich, die Jesusleute von Korinth leben mitten in der Gesellschaft dieser Welt und können und sollen sich von ihr nicht abschotten. Sie bleiben verführbar und hatten - teilweise in der Vergangenheit Anteil an der Ungerechtigkeit der Welt, wie der Apostel Paulus diese Gesellschaft nennt.
Nun hat sich das geändert: Reingewaschen von den Sünden und Veränderung des Lebensstils. Darum kann Paulus schreiben:
11 Manche von euch gehörten früher dazu. Aber ihr seid reingewaschen worden. Ihr seid zu Heiligen geworden und von Gott als gerecht anerkannt – durch den Herrn Jesus Christus, in dessen Namen ihr getauft seid, und durch den Geist unseres Gottes.
Durch die Gemeinschaft mit dem Auferstanden haben die Menschen Anteil an der Befreiung. Auch an uns selber können wir das sehen. Es gilt für uns, die wir glauben: “sauber, heilig, gerecht!” Durch Jesus Christus kann ich mich als einen solchen ansehen, der ich nicht war und auch noch nicht bin!
Jetzt hören wir immer wieder “Alles ist mir erlaubt!” - Das ist ja eine Sehnsucht, die die Menschen gerade jetzt in Corona-Zeiten in besonderer Weise haben. Leider ist das aber nicht so. Selbst heute beim Gottesdienst haben wir gewisse Einschränkungen.
Aber eigentlich klingen diese vier Worte nach Freiheit. Und wenn wir sie in der Bibel lesen, erst recht. Es gilt ja auch für unser ganzheitliches Menschsein. Christsein bedeutet ja auch nicht, dass man ein Gesetz, die Thora, durch ein anderes Gesetz austauscht. Christsein ist auch nicht die Erfüllung von Unsummen von Spielregeln und Geboten. Christsein besteht auch nicht darin, dass man das tut, was andere Christen tun oder was andere Christen fordern. Aber die Aussage von der christlichen Freiheit ist falsch, wenn man sie isoliert betrachtet. Denn auch die christliche Freiheit hat eine Norm.
Ich lese den Abschnitt noch einmal:
12 »Ich darf alles!« – Aber das heißt nicht, dass auch alles gut für mich ist. »Ich darf alles!« – Aber das bedeutet nicht, dass ich mich von irgendetwas beherrschen lasse.
Damit wird deutlich, dass es für uns Christen doch eine Norm gibt. Eine Norm für das “Ich darf alles!”. Diese Norm ist die Agape, die göttliche Liebe. Die Liebe, mit der sich Gott uns Menschen zugewendet hat und aus der wir heraus leben sollen. So stellen sich für uns nun die Fragen: Wie gehen wir in menschlicher Liebe miteinander um? Und wie würden wir miteinander umgehen, wenn die göttliche Liebe unser Leben bestimmt?
Damit wird deutlich, wenn diese göttliche Liebe der Maßstab unseres Lebens ist, dann bräuchten wir keine Gesetze, Gebote und Verbote, noch nicht einmal irgendwelche gesellschaftlichen Ordnungen. Leider funktioniert das aber nicht so.
Ich lebe als Christ in einer Freiheit, die auch die Freiheit des anderen respektiert, die mich nicht zum willenlosen Objekt macht, die mich aus der Liebe Gottes heraus leitet. Ich kann darum anderen Menschen dienen und trotzdem frei sein.
In der Christenheit gab es immer wieder Zeiten der Leibfeindlichkeit. Der Körper wurde nur als vergängliche Hülle betrachtet. Dagegen tritt der Apostel Paulus auf, wenn er hier davon spricht, dass der Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Er macht damit einen Rückgriff auf das Schöpfungsgeschehen Gottes. Dort hieß es vom Menschen: “Siehe es ist sehr gut!” Genau dieser Leib gehört zum Gesamtleib von Jesus Christus. In unserem Leib ist Jesus Christus durch den Heiligen Geist gegenwärtig.
Nie ist ein größeres Wort über den menschlichen Leib gesprochen worden als hier: Er kann und soll Wohnraum sein für den Heiligen Geist, den Gott uns geschenkt hat. Wir sind damit Glieder des Leibes Jesu Christi.
Darum gelten für mich diese Fragen über den Umgang mit meinem Leib:
Wie gehe ich mit ihm um?
Was redet meine Zunge?
Was denke ich mit meinem Hirn?
Was hören meine Ohren?
Was sehen meine Augen?
Wonach greifen meine Hände?
In welcher äußeren Verfassung trete ich auf?
Merken die anderen etwas davon, dass ich Gottes Ebenbild bin?
Wie halte ich meinen Körper gesund und leistungsfähig, durch mäßigen Sport und gesunde Lebensweise?
Und wie es mit Krankheit und Leiden? Will sich vielleicht Gott auch dadurch verherrlichen? Auch der Apostel Paulus war nicht frei davon. Auch unser Körper unterliegt der Vergänglichkeit. Das spüren wir jeden Tag.
Der Kirchenvater Thomas von Kempen schrieb dazu: “Wenn du aber verlangst, dass du nie etwas von einer Unruhe fühlest, nie einige Beschwerden des Herzens oder des Leibes empfindest, so verlangst du etwas, das nicht in diese Welt hineingehört, sondern nur in dem Lande der ewigen Ruhe zu Hause ist.”
Gott will sich durch uns und auch durch unseren Körper verherrlichen. Er hat uns geschaffen, er will selbst in uns und unserem Körper sein. So wie wir sind und was wir sind – wir sollen Gott verherrlichen.
19 Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der ist in euch, Gott hat ihn euch geschenkt! Nun gehört ihr nicht mehr euch selbst. 20 Gott hat euch freigekauft. Sorgt also dafür, dass euer Leib Gott Ehre erweist!
Und Gottes Friede, der höher ist als alle Vernunft, Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unseren Herrn.
Amen