Am Rande des Todes - das Leben mit neuen Werten

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Liebe Gemeinde,
am heutigen Sonntag ist Krankheit und auch die ganzheitliche Heilung das Thema dieses Gottesdienstes. Im Evangelium haben wir vorhin von der Heilung des Gichtbrüchigen gehört. Normalerweise sieht die Bibel in Krankheiten gerichtliche Heimsuchungen Gottes. Mancher sieht das ja auch jetzt in der Corona-Pandemie. Sicher ist sie ein Fingerzeig an uns Menschen heute, dass wir als Menschheit nicht einfach so weiter machen können, wie wir bisher getan haben.
Aber so einfach ist das mit dem Thema Krankheit doch nicht. Und ich denke, wenn man selbst schwer krank war, oder liebe Angehörige oder Freunde als Folge einer schweren Krankheit verloren hat, sieht und empfindet man das anders und ist an dieser Stelle viel sensibler. Das Thema Krankheit und ihre Folgen ist vielschichtiger, auch für uns als Christen.
Vor 50 Jahren hat das Duo Paul Simon und Art Garfunkel ein Lied gemacht, das noch heute die Menschen anrührt: “Bridge over roubled water - ein Brücke über unruhiges Wasser.” Es ist das Titellied ihrer letzten Schallplatte. Man kann dieses Lied noch bei Youtube oder auch bei den verschiedensten Streamingdiensten anhören.
Da wird die Frage aufgeworfen, was man macht, wenn man im Leben ganz unten ist, eben zum Beispiel durch schwere Krankheit. Sie lassen in dem Lied spüren, wie wichtig hier eine gute Freundschaft ist., wie wichtig es ist wenn jemand einem beisteht.
Was machst du, wenn du müde bist, dich klein fühlst, wenn die Dunkelheit kommt und überall Schmerzen sind. Wo ist eine Brücke, wenn es schwer wird, dunkel, schmerzhaft und einsam?
Viele Schicksalsschläge im Leben können uns das fragen lassen, aber auch Krankheit, denn auch Krankheit ist Schicksal, das das Leben von jetzt auf gleich verändert. Krankheit kann nicht nur Schmerzen verursachen und Angst auslösen. Krankheit kann das Leben unerbittlich aufteilen: in ein helles gestern und ein dunkles heute und morgen. Krankheit kann uns einsam machen. Krankheit lässt uns bohrende Fragen stellen.
Jeder von uns hat dieses schon mehr oder weniger stark erlebt. Einer, der das richtig massiv in seinem Leben erlebt hat, war der König Hiskia. Er lebte um 700 vor Christus.
Er war der König von Juda und wurde urplötzlich richtig todkrank. Als junger Mann war er schon in Juda König geworden. Er vertraute auf Gott und seine Führung und hatte in Juda einen guten Ruf als König. Wir würden sagen, er gehörte zu den guten Königen im Land und die waren damals recht selten.
Jetzt mit 39 stand er im Zenit des Lebens, auf dem Höhepunkt seiner Regentschaft. Das Volk vertraute ihm, und was er anpackte, das gelang. Er überstand auch eine sehr kritische Situation, als eine der damaligen Weltmächte seine Hauptstadt belagerte. Es schien alles sehr gut für ihn zu laufen.
Aber dann wurde er krank. Sehr krank. So krank, dass der berühmte Prophet Jesaja zu ihm kam und sagte: Bestell dein Haus. Im Klartext heißt das: Das wird nichts mehr. Ordne deine Dinge. Nimm Abschied. Lass alle Hoffnung fahren.
Da war er angekommen auf den Trümmern seines Lebens.
Was nützte es ihm jetzt noch, dass es ihm zuvor so gut ging, dass er so großen Erfolg hatte? Jetzt war alles nur noch zum Heulen. Und genau das tat Hiskia auch: Er legte sich hin, starrte die Wand an und heulte. Er haderte mit sich, mit dem Leben, mit Gott, überhaupt mit allem. Doch dann ging irgendwann das Heulen in eine Art Gebet über, in eine Art Klagen und Anklagen, und dann sogar in ein Verhandeln mit Gott:
“Ach Herr, denk doch daran, wie ich vor dir gelebt habe: Ich habe mich treu an dich gehalten. Mit ganzem Herzen bin ich dir gefolgt und habe getan, was dir gefällt.“ “Und jetzt lässt du mich einfach so verrecken. Menschen sterben, ja das ist so, aber für mich ist es doch viel zu früh. Ich könnte schon noch ein bisschen länger leben”.
Dann ging sein Beten wieder ins Weinen über.
Und an dieser Stelle nimmt die Geschichte dann eine überraschende Wendung: Gott hörte auf Hiskias Klage und erhörte sein Gebet. Er ließ den König genesen. Er wurde wieder gesund. Der Prophet Jesaja konnte es ihm verkünden, dass Gott Hiskia weitere 15 Jahre Lebenszeit schenkte. Darauf verfasste Hiskia folgendes Gebet:
Jesaja 38,9-20
Hiskijas Dankgebet
9 Hiskija, der König von Juda, erholte sich von seiner Krankheit. Dann verfasste er dieses Gebet:
10 Als ich krank war, sagte ich: Mitten im Leben muss ich gehen. Ich stehe an der Schwelle des Todes, der Rest meiner Jahre wird mir genommen.
11 Dann kann ich den Herrn nicht mehr sehen, den Herrn im Land der Lebendigen. Dann kann ich keinen Menschen mehr erblicken, weil ich nicht mehr auf der Welt bin.
12 Meine Bleibe auf der Erde wird abgebrochen, sie wird weggetragen wie ein Hirtenzelt. Ich habe mein Leben zu Ende gewebt, wie ein Weber, der am Schluss den Stoff einrollt. Der wird dann vom Webstuhl abgeschnitten. Tag und Nacht lässt du, Gott, mich mein Ende spüren.
13 Bis zum Morgen versuche ich vergeblich, zur Ruhe zu kommen. Doch wie ein Löwe zertrümmerst du mir die Knochen. Ja, Tag und Nacht lässt du mich mein Ende spüren.
14 Ich piepse vor Angst wie eine Schwalbe und gurre wie eine furchtsame Taube. Voll Sehnsucht richte ich meine Augen nach oben: Herr, ich bin in Not – tritt für mich ein!
15 Was soll ich sonst sagen? Er hat doch nur getan, was er mir angedroht hat. Ich bin so verbittert, dass ich keinen Schlaf mehr finde.
16 Herr, das ist es, wovon man lebt, und worin auch ich die Kraft zum Leben finde: Du kannst mich gesund machen. Deshalb lass mich leben!
17Jetzt weiß ich: Mein bitteres Leid hat mir Frieden gebracht. In deiner Liebe hast du mein Leben vor Tod und Grab bewahrt. Denn all meine Sünden hast du genommen und weit hinter dich geworfen.
18 Im Totenreich ertönt kein Dank, im Tod kein Lob für dich. Wer ins Grab hinabgestiegen ist, hofft nicht mehr auf deine Treue.
19 Doch wer am Leben ist, der kann dir danken, so wie ich es heute tue. Väter erzählen ihren Kindern von deiner Treue.
20 Der Herr hat mich gerettet. Deshalb wollen wir in seinem Tempel singen und musizieren, solange wir leben.
Hiskia war sich also bewusst, dass seine Krankheit eigentlich tödlich ist. Die konkrete Krankheit wird uns hier nicht genannt. Vielleicht war es eine Art Hautkrebs, Aussatz oder sogar Pest. Der Schreck steckt ihm noch in den Knochen. Die Beziehungen zerbrechen, das Lebenshaus bricht zusammen wie ein Hirtenzelt. Wir würden vielleicht sagen: “Es fällt alles zusammen wie ein Kartenhaus.” Es wird einsam. Da kann man in Anlehnung an das Lied von Simon& Garfunkel fragen: Wo ist eine Brücke, wenn es schwer wird, dunkel, schmerzhaft und einsam?
Hier wird das Bild des Hiskia deutlich: “Ich habe mein Leben zu Ende gewebt, wie ein Weber, der am Schluss den Stoff einrollt. Der wird dann vom Webstuhl abgeschnitten.” So kann das Leben zu Ende sein. Hiskia verdeutlich uns, dass es Gottes Entscheidung ist, wann und wie das Leben des Menschen zu Ende ist.
Als ich Anfang dieses Jahres wegen Corona im Krankenhaus lag, war mir das zu dem Zeitpunkt noch nicht so bewusst, wie tödlich diese Krankheit für mich hätte sein können. Aber wenige Wochen darauf starb daran eine gute Bekannte. Da merkte ich auf einmal, an was für einen seidenen Faden auch mein Leben hing. Da war und bin ich bis heute dankbar, dass das Leben weiter geht. Auch wenn es noch manche Postcovid -Erscheinungen gibt.
An der Schwelle zwischen Leben und Tod zu stehen, das prägt und verändert natürlich jetzt das Leben. Auch bei Hiskia. Die Wertigkeiten im Leben verändern sich. Hiskia beschreibt es in den Bildern von den Tieren:
Bis zum Morgen versuche ich vergeblich, zur Ruhe zu kommen. Doch wie ein Löwe zertrümmerst du mir die Knochen. Ja, Tag und Nacht lässt du mich mein Ende spüren.
Ich piepse vor Angst wie eine Schwalbe und gurre wie eine furchtsame Taube. Voll Sehnsucht richte ich meine Augen nach oben: Herr, ich bin in Not – tritt für mich ein!
Hiskia erfährt aber etwas, was nicht selbstverständlich ist, und was auch nicht jedem gegeben ist. Er erfährt unerwartete Heilung von der tödlichen Krankheit.
Dennoch sortieren sich alle Dinge des Lebens ganz neu. Der vor einem stehende Tod ist ein großer Wachmacher: Was uns eben noch überragend wichtig erschien, wird urplötzlich entwertet. Hiskia verliert kein Wort mehr über seine Macht als König, über seine militärischen Erfolge oder seinen Reichtum. Das wird jetzt vollkommen nebensächlich.
Der große Naturwissenschaftler, Erfinder, Philosoph und Christ Blaise Pascal (1623-1662) hatte ein kurzes, aber ungewöhnliches Leben. Er wurde nur 39 Jahre alt. Mit 16 Jahren veröffentlichte er eine mathematische Studie über die Kegelschnitte. Als Zwanzigjähriger erfand er die erste Rechenmaschine. Doch er war von schwerer Krankheit gezeichnet. Von seinem 18. Lebensjahr an hat er nicht einen Tag ohne Schmerzen erlebt.
Neben seinem im Mantel eingenähten „Memorial”, einem ergreifenden Zeugnis über seine Bekehrung, und den „Pensees”, den fragmentarischen Gedanken, ist sein „Krankengebet” das Kostbarste aus seiner Feder. Im neunten dieser 15 Gebete schreibt er: „Verleihe mir die Gnade, Herr, deinen Trost mit meinen Schmerzen zu verbinden, damit ich leide als ein Christ. Ich bitte nicht darum, den Schmerzen entnommen zu sein; aber ich bitte darum, den Schmerzen der Natur nicht ausgeliefert zu sein ohne die Tröstungen deines Geistes. Ich bitte nicht darum, eine Überfülle des Trostes zu haben ohne irgendeinen Schmerz. Ich bitte auch nicht darum, in einer Überfülle der Leiden zu sein ohne Tröstung. Aber ich bitte darum, Herr, miteinander fühlen zu dürfen die Schmerzen der Natur und die Tröstungen deines Geistes. Denn das ist der wahre Stand des Christseins. Möchte ich nicht Schmerzen fühlen ohne Trost, sondern Schmerzen und Trost miteinander, um am Ende dorthin zu gelangen, nur noch deine Tröstungen zu empfinden ohne irgendeinen Schmerz.
Das Lied des Hiskia hat sich gewandelt, vom Klagelied zum Loblied. Für ihn heißt Leben Gott loben. Nur Lebende loben und nur Lobende leben. Trotz Krankheit, trotz Schmerz, trotz Leid gebührt Gott das Lob, das wollen uns heute Hiskia und auch Blaise Pascal sagen.
Für sie beide und auch für uns heute gibt es einen, der ist größer als alle Erfolge im Leben und stärker als alle Niederlagen, der ist da, wenn es uns gut geht, und nah, wenn wir um Hilfe schreien, wenn wir in Not sind. Er ist es wert, über alles geliebt und gelobt zu werden. Das tut jetzt Hiskia und wir werden auch dazu ermutigt.
Auch dann, es klingt zwar hart, wenn sich die Niederlage nicht umkehrt, das Schicksal sich nicht zum Guten wendet, die Krankheit nicht zur Gesundung führt, sondern zum Tod.
Gott ist es wert, ihn zu suchen, wenn man ihn noch nicht kennt. Er ist es wert, weil er uns auch in den schweren Stunden Beistand sein will und uns gerade da Kraft und Halt geben will.
Gott ist es wert, und es erfüllt uns mit größter Freude, Gewissheit, Zuversicht und Lebenslust, ihn mehr zu lieben als alles andere und in allem das zu suchen, was Gottes Wille ist und wohin sein Weg uns führt.
Doch wer am Leben ist, der kann dir danken, so wie ich es heute tue. Väter erzählen ihren Kindern von deiner Treue.
Der Herr hat mich gerettet. Deshalb wollen wir in seinem Tempel singen und musizieren, solange wir leben.
Amen.
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