Leb' Dein Leben, Du hast nur dieses
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· 19 viewsAufruf und Ermutigung zur Lebensbewältigung in Zeiten ständiger Unsicherheit
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Prediger 11,1-6
Prediger 11,1-6
1 Wirf dein Brot hin aufs Wasser! Denn nach einiger Zeit wird es wieder zu dir zurückkommen. 2 Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird. 3 Wenn die Wolken voller Wasser sind, wird es regnen. Wohin ein Baum auch fällt - nach Norden oder Süden -, er bleibt da liegen, wo er hingefallen ist. 4 Wer immer nach dem Wind sieht, wird nie säen und wer immer auf die Wolken achtet, wird nichts ernten. 5 Du weißt nicht, welche Richtung der Wind einschlagen wird, auch kannst du dir nicht erklären, wie der Körper eines Kindes im Leib der Mutter entsteht. Ebenso verstehst du das Tun Gottes nicht, der alles bewirkt. 6 Säe morgens deine Saat aus, und leg auch abends deine Hände nicht in den Schoß! Denn du kannst nicht wissen, welches von beiden gedeiht, oder ob sogar beides gelingt.
Einleitung
Einleitung
Und damit einen schönen Montag-Morgen zusammen. Inzwischen befinden wir uns in Semester-Woche fünf. Ich denke, so langsam kann man wohl nicht mehr von Semester-”Anfang” sprechen, nein, wir sind schon mittendrin Richtung Bergfest. Und gerade ich finde das ziemlich schade, weil ich nur dieses eine Semester bei euch sein kann und es für mich danach schon wieder Richtung Gießen geht. Was ich aber noch viel trauriger finde, ist, dass ich in den Wochen, die ich bereits hier bin, sehr mit altbekannten Problemen zu kämpfen habe. Ein kurzer Rückblick, damit ihr nachvollziehen könnt, worum es geht:
Seit ich ein kleines Kind bin, habe ich ununterbrochen Tinnitus auf beiden Ohren. Man vermutet, dass das daher kommt, dass mir mal ein Junge aus dieser Entfernung mit allem, was er hatte, ins Ohr geschrien hat. Und ich erinnere mich noch daran, wie ich mir noch zehn Minuten danach die Ohren gehalten habe und den restlichen Tag lang fast nichts mehr hören konnte. Und mit einem Mal war da dieses Geräusch, dieser Ton, und er geht nicht weg. Doch das ist eigentlich gar nicht so schlimm, ich habe über die Jahre gelernt, damit umzugehen und meinen Tinnitus mehr und mehr zu ignorieren. Klar, manchmal geht man auf ein Konzert oder kommt von einer Party nach Hause und dann ist der Tinnitus ein bisschen stärker, aber das erleben ja auch andere. Ich bin eigentlich immer ganz gut mit diesem Geräusch klargekommen. Mit dem Tinnitus kann ich leben. Und mit dieser Einstellung bin ich auch in mein Auslandssemester zu euch nach Basel gekommen. Ich hatte ziemlich große Erwartungen. Ich mein, ihr müsst euch das vorstellen: Im Auslandssemester lässt man für drei Monate einfach mal alles zurück: Die Verantwortlichkeiten, die Räumlichkeiten, die Freunde, die Gemeinde. Man hat einfach mal Zeit. Und entsprechend viele Sachen habe ich mir für dieses Semester vorgenommen. Endlich mal die Dinge tun können, die in den letzten Monaten und Jahren einfach zu kurz gekommen sind. Doch in der Nacht vom 01. auf den 02. Oktober wache ich plötzlich mitten in der Nacht auf und alles in meinem Kopf dröhnt wie verrückt. Nun gut, dass der Tinnitus mal für ein paar Sekunden schlimmer ist, kenne ich noch von früher. Nur sind es jetzt schon zehn Minuten. Egal, ich versuche mal einzuschlafen und morgen früh ist es bestimmt wieder besser. … Und dann wache ich am nächsten Morgen wieder auf … und nichts hat sich geändert. “Na gut”, denk ich mir, “Ablenkung ist die beste Medizin.” Ich wasche mich, versuche, in meinen Tag zu starten und die Dinge zu erledigen, die dran sind, Hauptsache, ich bin beschäftigt und um mich herum lenken mich andere Geräusche von meinem Tinnitus ab. Aber egal wie lange ich mich auch ablenke, irgendwann kommen doch wieder Situationen, in denen man Ruhe haben will, mindestens mal beim Arbeiten oder Einschlafen. Und spätestens dann holt einen der Tinnitus wieder ein. So sehr ich auch lernen oder schlafen will, sobald es um mich herum ruhig ist, kann ich an nichts anderes mehr denken als nur noch an dieses Geräusch: Biiiiiiiiiiiiiiiip. Es ist die ganze Zeit da, keine Ruhe, keine Auszeit, nicht mal fünf Minuten Pause. Und nach einigen Tagen, als es nicht besser wird, beginnen in mir die Gedanken: “Was, wenn das nicht mehr weggeht? Was, wenn der noch schlimmer wird? Was, wenn ich irgendwann gar nichts mehr anderes als nur dieses Geräusch hören kann?” Und dann kriegt man Panik, die Tränen steigen einem in die Augen und man will weg, einfach nur noch weg. Man will Ruhe, einfach nur mal ne Stunde Pause. Aber dieser Ton ist da, er bleibt, erbarmungslos, allgegenwärtig. Und ich weiß: “Kein Arzt der Welt kann da was tun, Tinnitus kann man nicht heilen. Tinnitus kann man nicht sehen, da kann man nichts operieren; das ist einfach nur ein subjektives Geräusch, das niemand sonst hören kann, nur Du. Und das macht es so schlimm: Niemand kann Dich nachvollziehen, niemand kann mit Dir leiden. Nur Du hörst das und Du nimmst dieses Geräusch mit, wo immer Du auch hingehst.” Und so stehe ich heute Morgen hier … und das Geräusch ist noch kein Stückchen leiser geworden. Seit 17 Tagen lebe ich nun schon mit diesem Ton und weiß nicht, ob und wann er aufhört, ob er leiser oder gar noch lauter wird. Dabei bin ich doch mit so vielen Erwartungen in die Zeit hier in Basel gestartet. Aber so ist das, man weiß nicht, was die Zukunft bringt. Niemand von uns weiß das.
Hauptteil
Hauptteil
Und dann erinnere ich mich an diesen einen Text, den ich euch gerade vorgelesen habe, aus Prediger 11. Ich lese ihn noch einmal vor:
1 Wirf dein Brot hin aufs Wasser! Denn nach einiger Zeit wird es wieder zu dir zurückkommen. 2 Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird. 3 Wenn die Wolken voller Wasser sind, wird es regnen. Wohin ein Baum auch fällt - nach Norden oder Süden -, er bleibt da liegen, wo er hingefallen ist. 4 Wer immer nach dem Wind sieht, wird nie säen und wer immer auf die Wolken achtet, wird nichts ernten. 5 Du weißt nicht, welche Richtung der Wind einschlagen wird, auch kannst du dir nicht erklären, wie der Körper eines Kindes im Leib der Mutter entsteht. Ebenso verstehst du das Tun Gottes nicht, der alles bewirkt. 6 Säe morgens deine Saat aus, und leg auch abends deine Hände nicht in den Schoß! Denn du kannst nicht wissen, welches von beiden gedeiht, oder ob sogar beides gelingt.
Ich weiß nicht, mit was für Gedanken und Herausforderungen ihr heute morgen hier her gekommen seid. Wir alle leben sehr unterschiedliche Leben. Die einen sind schon verheiratet und haben Kinder, die anderen kommen gerade erst aus der Schule und stehen noch ganz am Anfang. Doch der Prediger nennt uns heute morgen eine Sache, in der wir alle gleich sind: Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Wir haben keine Ahnung, ob die Dinge, die wir heute in Angriff nehmen, morgen ein gutes Ende nehmen werden. Wir wissen es nicht. Und das gilt für so viele Bereiche des Lebens, der Prediger zählt ein paar davon auf: Geld und Vermögen zum Beispiel. ‘Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird’, schreibt der Prediger. Oder aus der Sicht eines Bauers: Der kann nicht wissen, ob dieses Jahr genügend Regen zur rechten Zeit kommen wird und doch hängt seine ganze Existenz davon ab. Und nun kommt das, was der Prediger uns heute morgen klarmachen will: Ja, Gottes Wege sind unergründlich und unsere Zukunft ist ungewiss. Aber das soll uns nicht dazu bringen, dass wir deshalb gar nichts mehr tun, nie mehr das Risiko gehen, nie etwas wagen.
Ich meine, der Prediger hat es doch eigentlich sehr treffend formuliert: Der Bauer weiß nicht, wie das Wetter werden wird, aber er kann es nicht beeinflussen. Ein paar Wochen zu wenig oder zu viel Regen und seine ganze Ernte kann in Gefahr stehen. Und dann hat er nichts, keine Essensvorräte mehr, keine Lebensversicherung, das ist ne richtig existenzielle Situation, die der Prediger hier beschreibt. Es gibt Momente im Leben, da muss man eine Entscheidung treffen, von der alles abhängt. Und dann wäre es so schön, wenn man wüsste, was die Zukunft bringen wird. Werde ich den Kredit jemals abbezahlen können? Werde ich als Pastor meine Gemeinde nach vorne bringen können? Wird sich meine Tante einmal zu Jesus bekehren? Werde ich meinen Tinnitus jemals loswerden? - Sind das gute Fragen? Oder sind das schlechte Fragen? Bringen sie irgendwas? Bringt es mir etwas, mich jeden Tag zu fragen, ob mein Tinnitus jemals weggehen wird? Was hab ich davon? Der Prediger sagt eine Sache, die ich wirklich hilfreich illustriert finde: ‘Wohin ein Baum auch fällt - nach Norden oder Süden -, er bleibt da liegen, wo er hingefallen ist.’ Es gibt Dinge, die sind einfach so, die kannst Du nicht vorhersehen. Keiner von euch hier vor mir, kann mir sicher sagen, wie seine Zukunft wird. Keiner von euch weiß, ob er oder sie mal Krebs kriegen wird. Ob wir in Deutschland oder der Schweiz mal Christenverfolgung erleben werden. Wir haben schlichtweg keine Ahnung. Es gibt so eine Umstände und Faktoren in unserem Leben, auf die haben wir keinen Einfluss. Ein Kumpel von mir hat von einem Mal auf das andere Diabetes bekommen, einfach so. Das ist so ein Baum, von dem der Prediger hier schreiben könnte, der umfällt, und dann bleibt er da. Groß, sperrig, man kriegt ihn nicht weg, mit einem Mal hat man Diabetes und muss sein ganzes Leben damit kämpfen. Das Einzige, wo wir uns sicher drüber sein können, ist, dass wir mal sterben, alles andere?: Keine Ahnung, was passiert! …
Aber jetzt kommt das Entscheidende, was uns der Prediger heute morgen mitgeben will: Wir versetzen uns zurück in die Situation des Bauern, der abwartet, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um seine Saat auszusäen. Was hat der Prediger über ihn zu sagen? V4: Wer immer nach dem Wind sieht, wird nie säen und wer immer auf die Wolken achtet, wird nichts ernten. 5 Du weißt nicht, welche Richtung der Wind einschlagen wird, auch kannst du dir nicht erklären, wie der Körper eines Kindes im Leib der Mutter entsteht. Ebenso verstehst du das Tun Gottes nicht, der alles bewirkt. [Und jetzt die Botschaft:] Säe morgens deine Saat aus, und leg auch abends deine Hände nicht in den Schoß! Denn du kannst nicht wissen, welches von beiden gedeiht, oder ob sogar beides gelingt. Gott hat uns ein Leben gegeben, das, um es mal positiv auszudrücken, voller Abenteuer steckt. Es gibt soo viele Dinge, die ungewiss sind. Aber diese Tatsache sollte den Bauern nicht dazu bringen, inaktiv zu werden, im Gegenteil: Der Prediger fordert ihn auf, gerade weil er nicht weiß, was die Zukunft bringt, fleißig zu sein. Wenn er den ganzen Tag nur rumsteht und grübelt: Soll ich jetzt schon aussäen oder warte ich noch ein bisschen? Irgendwann kommt der Punkt, da ist es zu spät. Und das ist auch eine Sache, die ich mir in Bezug auf meinen Tinnitus ganz besonders aus diesem Text mitgenommen habe: Ich kann mich entweder den ganzen Tag fragen, wie lange ich den Tinnitus noch ertragen muss und warten, bis sich meine Umstände vielleicht mal verbessern oder ich fange an, ihn zu akzeptieren, ihn in mein Leben zu integrieren und mein Leben wieder in Angriff zu nehmen. Versteht mich nicht falsch: Es gibt eine Zeit, da dürfen wir wie Hiob mit Gott hadern und traurig über die Welt oder unsere Situation sein. Aber irgendwann muss auch wieder eine Zeit kommen, da ist genug geweint, genug gegrübelt, genug gewartet, da muss es mal losgehen! Wir leben nun mal in einer sündigen Welt. Und auch wenn Jesus uns gerettet und unser Leben auf den Kopf gestellt hat, leben wir immernoch in einer sündigen Welt. Und das können wir bedauern und uns bemitleiden und ständig darüber wütend sein, oder wir fangen an, mit Jesus an unserer Seite das Leben trotzdem zu meistern und das auszuhalten. Ich weiß nicht, ob ihr das nachvollziehen könnt, was ich jetzt sage. Vielleicht kennt ihr solche Gedanken ja auch: So viele junge Christen warten darauf, dass Gott ihnen zeigt, was der nächste Schritt für sie ist, wie ihr Weg ausgeht. Und wenn man sie zum Beispiel fragt: Was hast Du nach dem Studium vor? Dann kommt die Antwort: Das wird Gott mir noch zeigen. Und nicht selten stellen diese Leute dann irgendwann verzweifelt fest: Gott hat mir noch immer nichts gesagt. Und dann schieben sie die Entscheidungen stets vor sich her und drehen irgendwann vor Unsicherheit durch. Ich sage euch eins: Ja, ich glaube, dass Gott einen Weg für mich und euch hat, aber ich glaube nicht, dass es die Regel ist, dass er uns diesen Plan im Vorhinein verrät. So viele Menschen warten auf Gottes Plan wie auf die Anweisungen eines Navis: In 300 Metern musst Du links abbiegen. Doch ich stelle immer häufiger fest: Gott sagt Dir nicht, was in 300 Metern sein wird. Gott gibt Dir die Kraft und die Weisheit, selbst zu entscheiden, in welche Richtung Du gehen willst, auch wenn Du nicht weißt, was da auf Dich wartet. Und das finden wir ja auch in der Bibel: Ja, es gibt diese Leute, Jeremia, Hesekiel, die haben ganz klar und unmissverständlich von Gott einen Auftrag bekommen. Denen hat Gott im Vorhinein ihre konkrete Lebensaufgabe verraten. Aber dann gibt es auch Personen wie Nehemia, der keinen solchen Auftrag bekommen hat. Dem hat Gott nicht gesagt: Geh nach Jerusalem und bau die Stadtmauer wieder auf, Nein, er selbst kam auf diese Idee, und wusste als er vor dem König stand und um Erlaubnis bat, nicht, ob Gott das jetzt segnen würde oder nicht, das merkt man daran, dass da im Text beschrieben wird, dass Nehemia beim König noch ein Stoßgebet gen Himmel schickt, weil er nicht weiß, wie der König reagieren würde. Nehemia hätte sterben können für diese Anfrage, mit Proviant, Materialien und Militärkohorte nach Jerusalem reisen zu dürfen.
Schluss
Schluss
Von daher gibt es beides: Vielleicht hast Du von Gott einen klar kommunizierten Auftrag für Dein Leben bekommen. Vielleicht gehörst Du aber auch zu den vielen Leuten, die Gott damit beauftragt, in Unwissenheit zu bleiben und eigene Wege zu gehen und zu gucken, ob Gott sie segnen wird oder nicht. Das eine ist nicht geistlicher als das andere. Darum lasst uns diese Worte für diese Woche gesagt sein: Säe morgens deine Saat aus, und leg auch abends deine Hände nicht in den Schoß! Denn du kannst nicht wissen, welches von beiden gedeiht, oder ob sogar beides gelingt. Ich möchte noch kurz beten.