Alles wird gut
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Liebe Gemeinde,
ich muss sagen: Ich fühle mich innerlich ganz schön zerrissen. Ich weiß ehrlich nicht, wie ich mit der Situation, in der wir zur Zeit leben, umgehen soll. Ab morgen gelten in Sachsen neue, schärfere Einschränkungen; das gesellschaftliche Leben wird wieder etwas heruntergefahren.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Manches erscheint mir sinnvoll, bei manchem kann ich nur den Kopf schütteln. Besonders, dass Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, so viele Nachteile bekommen, stößt mir auf — aber ich weiß, dass die Meinungen hier weit auseinander gehen.
Auf der einen Seite gehen mir manche der getroffenen Maßnahmen zu weit, auf der anderen Seite ist mir auch sehr unwohl, wenn ich auf die immer weiter steigenden Zahlen blicke, die das RKI uns tagtäglich vor Augen hält. Dabei habe ich längst jedes Gefühl für diese Zahlen verloren…
Ich weiß ehrlich nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Und ich merke, wie die verschiedenen Meinungen, meine Ängste und Sorgen von allen möglichen Seiten an mir ziehen. — Vielleicht geht es euch ja ähnlich.
Ich denke, solche Zerrissenheit begegnet uns öfters im Leben. Es ist nicht immer leicht, mit den Dingen umzugehen, die uns entgegentreten, sich eine sinnvolle Meinung zu bilden oder mit den Gefühlen zurechtzukommen, die in einem aufsteigen wollen. Unser Leben ist voller Ambivalenz, wir befinden uns immer wieder in einer Spannung, die von verschiedenen Seiten aufgebaut wird.
Das mag ein Stück weit auch heute, an diesem Ewigkeitssonntag so sein. Einerseits schauen wir zurück. Wir denken an die lieben Menschen, von denen wir im vergangenen Jahr Abschied nehmen mussten. Die Trauer über den Verlust ist noch zu spüren, wenngleich es sicher auch viele schöne Erinnerungen gibt.
Einerseits also dieser Rückblick, für den wir uns nachher auch noch einmal Zeit nehmen. Andererseits ist der Ewigkeitssonntag gleichzeitig ein Ausblick, der voller Hoffnung sein will. Gott lädt uns dazu ein, nicht nur auf das Vergangene und auch nicht nur auf das Hier und Jetzt zu schauen, sondern auf das, was erst noch kommt, auf das, was Gott uns Christen verheißen hat. Wir sind eingeladen, uns wieder neu unserer christlichen Hoffnung bewusst zu werden, unseren Blick und unser ganzes Leben wieder neu auf die Ewigkeit auszurichten.
Die Hoffnung, die Gott uns schenken will, wird uns heute mit einem Text aus dem Alten Testament vor Augen gemalt. Auch hier geht es um eine Situation, die voller Spannung ist: Die Israeliten sind zurückgekehrt — endlich! Vor 70 Jahren hatten sie — bzw. inzwischen muss man sagen: ihre Vorfahren — einen Krieg verloren. Der Großteil des Volkes wurde verschleppt und musste fernab der Heimat ein neues Leben beginnen, mitten in einer fremden Kultur, einer fremden Sprache und so weiter.
Nun endlich, 70 Jahre später, durften sie zurückkehren in ihre Heimat und die Heimat ihrer Vorfahren. Doch hier erwarten sie nicht Milch und Honig, sondern Berge von Trümmern. Jerusalem, die einst prächtige Hauptstadt, liegt immer noch in Schutt und Asche. Noch einmal wird den Menschen ganz leibhaftig der schmerzliche Untergang vor Augen gemalt.
Mitten in diesen Anblick, mitten in diese innere Zerrissenheit spricht Gott hinein; durch den Propheten Jesaja hatte Er diese Worte schon viele Jahre vorher aufschreiben lassen.
Lesung Jesaja 65,17-19.23-25
17 Seht, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dann denkt niemand mehr an das, was früher war. Es ist für immer vergessen. 18 Freut euch und jubelt ohne Ende über das, was ich jetzt erschaffe! Ich mache Jerusalem zu einer Stadt des Jubels, und seine Bewohner erfülle ich mit Freude. 19 Auch ich will über Jerusalem jubeln und mich über mein Volk freuen. Man wird dort niemanden mehr weinen hören, die Klage ist für immer verstummt.
[…]
23 Keiner müht sich mehr vergebens. Niemand bringt Kinder zur Welt, die früh sterben. Denn sie sind die Nachkommen derer, die der Herr gesegnet hat. Darum werden sie mit ihren Kindern leben. 24 Schon ehe sie rufen, antworte ich ihnen. Während sie noch reden, erhöre ich sie. 25 Wolf und Lamm weiden friedlich zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Doch die Schlange muss sich von Erde ernähren. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg. Das sagt der Herr.
Im schmerzenden Anblick der alten Trümmer verheißt Gott eine neue Schöpfung! Eine neue Schöpfung, die so wundervoll ist, dass sie alles vorherige vergessen lässt. Da wird alles voller Freude sein, Trauer und Klage sind verstummt, denn es gibt keinen Grund mehr, traurig zu sein. Alles ist perfekt und gut. Alles ist so, wie Gott es sich ursprünglich erdacht hatte.
In der Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel, wird Gott diese Verheißung der neuen Schöpfung wiederholen. Dort spricht er nicht mehr in die Trümmersituation der Israeliten, sondern in die Situation eines jeden von uns; Er spricht zu jedem, der seine Hoffnung auf den lebendigen Gott setzt — ganz egal, wie zerrissen seine jeweilige Lebenssituation auch scheinen mag.
Da heißt es unter anderem über die neue Schöpfung: Gott „wird jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“ — Wie wunderbar dieser Ausblick ist! Gott weiß um all unser Leid, Er sieht jede Träne, die wir vergießen. Und Er verspricht uns, dass alles Leid ein Ende haben wird.
Drei Punkte möchte ich aus dem Predigttext noch aufgreifen, die Gott uns für die Ewigkeit verheißt.
1. Gott wird unsere Gebete sofort erhören, ja eigentlich noch schneller: „Schon ehe sie rufen, antworte ich ihnen. Während sie noch reden, erhöre ich sie.“ (V.24) — Gott kennt uns ganz genau, Er weiß, was unser Herz bewegt. Dieser Vers wirkt fast so, als wäre Gott vor lauter Freude ganz aufgeregt, dass wir endlich ganz bei Ihm leben werden. Er kann es gar nicht abwarten, dass wir zu Ihm sprechen, sondern würde uns am liebsten gleich in den Arm nehmen.
Wie der Vater im Gleichnis um den verlorenen Sohn, der jeden Tag vor die Tür tritt und nach seinem Sohn Ausschau hält, ob der nicht doch wieder nach Hause zurückkehrt. Und als er ihn dann endlich sieht, rennt er sofort los. Alles andere ist ihm egal, er will einfach nur seinen Sohn wieder umarmen und an sich drücken.
Gott freut sich auf uns. Er will für uns da sein, mit uns zusammen leben. — Und wir werden ganz bei Ihm sein dürfen.
2. Es wird endlich Frieden geben! „Wolf und Lamm weiden friedlich zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind“, heißt es im Text (V.25a). Damit ist sicherlich nicht nur die Tierwelt gemeint, sondern auch das Miteinander von uns Menschen. Was sich hier auf der Erde als Illusion herausgestellt hat, wird in der Ewigkeit Realität. Gott wird unsere Herzen endgültig zum Guten verändern, dass wir unseren Mitmenschen nicht mehr wie ein gefährlicher Wolf begegnen, sondern ganz im Frieden. Selbst der Löwe wird uns als Vegetarier vorgestellt, der keinem anderen Tier mehr etwas Böses zufügt. So wird es unter uns endlich vollkommenen Frieden geben, ohne Hass und ohne Neid. Jesus sagt in der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Mt 5,9) In der Ewigkeit wird diese Verheißung zur Vollendung kommen.
Und 3. Das Böse gibt es nicht mehr. Gott hat es ein für alle Mal in seine Schranken gewiesen und gezeigt, dass Er der allmächtige Herrscher ist. Nicht nur das Böse in uns, sondern auch das Böse in Person. Im Text bei Jesaja heißt es: „Die Schlange muss sich von Erde ernähren.“ (V.25b, vgl. Gen 3,15) — Sie bekommt nichts anderes mehr zu fressen. Sie kann ihre bösen Spiele nicht mehr spielen. Mit dem Teufel — denn für nichts anderes steht die Schlange — endet alles Böse, endet alle Versuchung, endet alle Krankheit und endet auch aller Tod. Das Leben hat endgültig gewonnen. Gott demonstriert Seine Größe und Macht.
Das ist die Verheißung, die Gott uns zuspricht: Dass wir eines Tages — endlich — ganz bei Ihm leben werden. Dass Krankheit, Schmerz, Tod und Trauer ein Ende finden. Dass Gottes Liebe und Gottes Frieden endgültig und vollkommen jeden einzelnen von uns erfüllen. Und dass die Freude alles Leid, das wir jetzt noch tragen müssen, vergessen lassen wird. So wie Paulus im Römerbrief schreibt: „Ich bin überzeugt: Das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet. Gott wird sie an uns offenbar machen.“ (Röm 8,18)
Diese Verheißung ist für mich ein großer Trost in all dem Leid, das ich zu tragen habe. Und diese Verheißung ist für mich eine große Hoffnung und ein fester Orientierungspunkt in der Zerrissenheit, die immer wieder von allen Seiten an mir zieht: Eines Tages darf ich ganz bei Gott leben!
Das ist für mich deshalb eine so große Hoffnung und ein solcher Trost, weil ich weiß, dass Gott schon jetzt an meiner Seite ist, dass Er mich schon jetzt unendlich liebt und das schon immer getan hat. Auch ich verstehe dabei nicht alles, was in meinem Leben geschieht, warum ich durch manche schwere Zeit gehen muss, aber ich weiß, dass ich in all dem nicht allein bin. Deswegen ist die Hoffnung auf die Ewigkeit für mich kein Vertrösten, sondern schon jetzt ein großer Trost. Gott liebt mich; Er ist immer für mich da, ist bei mir. Und eines Tages darf ich ganz bei Ihm leben!
Ich wünsche euch, dass diese Verheißung auch für euch — und ganz besonders heute — zum Trost und zur Hoffnung wird. In Gottes Ewigkeit wird alles gut. Eines Tages dürfen wir ganz bei Ihm leben.
Amen.