Wie soll ich dich empfangen? - Bereit werden
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Einleitung
Einleitung
In der Apostelgeschichte wird uns erzählt, wie der Evangelist und Diakon Philippus dem äthiopischen Finanzminister begegnet, der gerade aus Jerusalem kommt und in der Schriftrolle des Buches Jesaja liest. Ziemlich direkt - und vielleicht sogar ein wenig unfreundlich - fragt er diesen hohen ausländischen Minister: “Verstehst du auch, was du liest”? Und als der das dann verneint, fängt Philippus an, es ihm zu erklären.
Ähnlich direkt möchte ich dich heute morgen fragen: “Verstehst du auch, was du singst?” Das ist ja eine Frage, die durchaus öfter angebracht ist. Ich glaube, dass wir oft Lieder singen, ohne uns bewusst zu machen, was wir da singen. Direkt vor der Predigt haben wir einige Verse aus einem alten Adventslied gesungen: “Wie soll ich dich empfangen”. Nun soll eine Predigt natürlich nicht irgendwelche Lieder auslegen. Eigentlich ist es sogar umgekehrt. Die Lieder, die wir in der Gemeinde singen, sind selbst Auslegung von Bibeltexten. Sie wurden geschrieben von Menschen, die dem, was ihnen von der Bibel und vom Glauben her wichtig war, einen dichterischen und musikalischen Ausdruck geben wollten.
Wir werden daher heute immer wieder auf Verse und Aussagen dieses Adventsliedes zu sprechen kommen. Aber die eigentliche Grundlage dieser Predigt ist nicht das Lied, sondern die Bibeltexte, die diesem Lied zugrunde liegen.
Zurück zu unserer Frage: “Verstehst du auch, was du singst?” Ich will noch einmal die erste Strophe zitieren:
1. Wie soll ich dich empfangen,
Und wie begegn' ich dir,
O aller Welt Verlangen,
O meiner Seele Zier?
O Jesu, Jesu, setze
Mir selbst die Fackel bei,
Damit, was dich ergötze
Mir kund und wissend sei.
Dieses Lied stammt aus der Feder von Paul Gerhardt, einem Pfarrer und Theologen des 17. Jahrhunderts. Er hat es im Jahr 1653 geschrieben und ganz bewusst gedichtet, um damit das Kirchenjahr zu beginnen, also als ein Lied für den 1. Advent.
Dass wir mit dem Text des Liedes an der einen oder anderen Stelle Schwierigkeiten haben, ist also ganz normal. Schließlich ist das eine Sprache, die vor etwa 350 Jahren gesprochen wurde. Gerhard fragt hier in der 1. Strophe, wie man sich auf die Begegnung mit Jesus vorbereiten kann. Und er meint damit sowohl, wie wir heute Jesus in unserem Alltag begegnen können und wie wir uns darauf vorbereiten können, dass Jesus einmal wiederkommen wird. Das ist es ja, was das lateinische Wort “Advent” bedeutet: “er kommt”. Drei verschiedene Ereignisse kann man damit beschreiben: 1. Advent weist immer zurück darauf, dass Jesus damals in Bethlehem zur Welt kam. 2. Advent bedeutet immer auch, dass er heute in unser Leben kommen will. Und 3. Advent ist zugleich auch der Blick in die Zukunft. Jesus wird einmal wiederkommen, und zwar als der Herr der ganzen Welt.
Paul Gerhardt hat hier die zweite und dritte Bedeutung des Advent besonders im Blick. Denn die hängen ja untrennbar zusammen. Nur wenn ich heute Jesus begegne und er in meinem Leben Herr wird, kann ich richtig vorbereitet sein dafür, ihm bei seiner Wiederkunft zu begegnen und mich von Herzen darauf zu freuen. Und so betet Paul Gerhardt: “O Jesu, Jesu, setze, mir selbst die Fackel bei, damit, was dich ergötze, mir kund und wissend sei.” Was bitte heißt das?
Jemand “die Fackel beisetzen” ist in der damaligen Sprache das, was wir heute mit “ein Licht aufgehen lassen” beschreiben würden. Es ist die Bitte, dass Jesus uns hilft zu sehen, was ihm gefällt - was ihn “ergötzt” (um es mit der Sprache von Paul Gerhardt zu sagen). Das möchte er erkennen, damit er sich richtig auf die Begegnung mit Jesus heute und bei seiner Wiederkunft vorbereiten kann. Damit bin ich auch bei meinem ersten Punkt heute morgen:
1. Advent - die Zeit der Vorbereitung
1. Advent - die Zeit der Vorbereitung
Jesus selbst hat seine Jünger - und damit auch uns - genau dazu aufgefordert: Bereitet euch darauf vor, dass ich wiederkomme und seid immer bereit, denn ihr wisst nicht, wann das sein wird. In Markus 13,28-37 sagt er:
»Denkt zum Vergleich einmal an den Feigenbaum. Wenn der Saft in die Zweige steigt und die Blätter sprießen, wisst ihr, dass es bald Sommer ist. Genauso ist es, wenn ihr seht, dass diese Dinge geschehen. Dann wisst ihr, dass das Kommen des Menschensohnes nahe bevorsteht. Ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles geschehen ist. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch wann jener Tag und jene Stunde sein werden, weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn; nur der Vater weiß es. Seht euch also vor und seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. Es ist wie bei einem Mann, der verreist. Bevor er sein Haus verlässt, überträgt er seinen Dienern die Verantwortung und teilt jedem seine Aufgabe zu. Dem Türhüter befiehlt er, wachsam zu sein. Darum seid wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt: ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim ersten Hahnenschrei oder früh am Morgen. Seid wachsam, damit er euch, wenn er unvermutet kommt, nicht schlafend antrifft. Ich sage es euch und sage es allen: Seid wachsam!«
Auf der einen Seite sollen wir also die sogenannten “Zeichen der Zeit” beobachten. So wie man bei einem Feigenbaum sehen kann, wann der Sommer kommt. Auf der anderen Seite aber können wir dadurch nicht vorausberechnen, wann das nun genau sein wird. “Zeit und Stunde” wissen wir nicht.
Wenn wir uns heute umsehen, sehen wir viele solcher “Zeichen der Zeit”. Die Pandemie ist dabei nur ein sehr deutliches Zeichen. Auch die gesellschaftlichen Entwicklungen sprechen dafür, dass - um es mit dem Gleichnis zu sagen - der Sommer bald kommen wird. Wir sollen uns also bereit machen. Und zwar immer, denn wir wissen ja nicht, wann genau Jesus wiederkommen wird. Als die Pest im Mittelalter wütete, haben auch viele Menschen gedacht, dass Jesus jetzt sicher bald wiederkommen wird. Und doch war es noch nicht “Sommer”. Genausowenig wie wir heute mit Sicherheit sagen können, dass diese Pandemie das eindeutige Zeichen dafür ist, dass es nun bald soweit ist. Eins aber ist absolut sicher: Jesus wird wiederkommen. Nur wann das sein wird, können wir nicht sagen oder auch nur ahnen.
Paulus schreibt den Thessalonichern:
Zur Frage nach dem Zeitpunkt und den näheren Umständen dieser Ereignisse braucht man euch nichts zu schreiben, Geschwister. Ihr selbst wisst ganz genau, dass jener große Tag, der Tag des Herrn, so unerwartet kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn die Leute meinen, es herrsche Frieden und Sicherheit, wird plötzlich das Unheil über sie hereinbrechen wie Wehen, die eine schwangere Frau überfallen, und es wird kein Entrinnen geben. Ihr aber, Geschwister, lebt nicht in der Finsternis, und deshalb wird euch jener Tag nicht wie ein Dieb überraschen. Ihr alle seid ja Menschen des Lichts, und euer Leben wird von jenem kommenden Tag bestimmt. Weil wir also nicht zur Nacht gehören und nichts mit der Finsternis zu tun haben, dürfen wir auch nicht schlafen wie die anderen, sondern sollen wach und besonnen sein.
“Menschen des Lichts” sind wir, sagt Paulus hier. Wir sind Menschen, denen Gott, um es mit den Worten von Paul Gerhardt zu sagen, die “Fackel beigesetzt” hat, so dass wir erkennen können, was seinem Willen entspricht.
Vorbereitet sei - das war der erste Gedanke zum Advent. Dazu gehört aber auch ganz wesentlich ein zweites:
2. Advent - die Zeit der Selbstreflexion
2. Advent - die Zeit der Selbstreflexion
Um wirklich vorbereitet zu sein dafür, Jesus zu begegnen, wenn er wiederkommt, ist es nötig, dass wir unseren eigenen Standpunkt kennen. Diese Predigt ist ja nicht nur die erste Predigt zu unserer Adventslieder-Reihe, sondern sie ist auch Teil unserer Predigtreihe zum Thema “Geistliches Wachstum”. Wir haben in dem Buch von Markus Schmidt ja ein ganzes Kapitel übersprungen: das Kapitel 3, in dem es um die “Selbstreflexion” geht. Ich dachte mir, dass das eigentlich sehr gut für diese Predigt zum 1. Advent passt. Sozusagen als Motto für die gesamte Adventszeit: eine Zeit, um darüber nachzudenken: Wo stehe ich. Damit wir eine Antwort finden auf die große Frage: “Wie soll ich dich empfangen”.
Um es mit einem Bild zu sagen, das Markus Schmidt in seinem Buch benutzt: Stellt euch vor, ihr seid irgendwo in einer fremden Stadt in einem Einkaufszentrum und sucht ein bestimmtes Geschäft. Wie gut, dass es da in jedem Einkaufszentrum Tafeln gibt, auf denen man einen Lageplan findet und sehen kann, wo die einzelnen Geschäfte sind. Wenn du jetzt vor so einem Lageplan stehst, musst du zwei Dinge finden: 1. Das Geschäft, das du suchst und 2. Den Ort, an dem du gerade stehst. Es nützt nicht viel zu wissen, wohin man will, wenn man nicht weiß, wo man gerade ist.
Das gilt nicht nur in Einkaufszentren. Es gilt auch im geistlichen Leben. Das Nachdenken darüber, wo wir gerade geistlich stehen, ist sehr wichtig, damit wir an unser Ziel kommen können. Paulus schreibt das sehr deutlich:
Würden wir uns selbst einer kritischen Beurteilung unterziehen, dann müsste der Herr uns nicht richten.
Stellt euch selbst auf die Probe, um zu sehen, ob ihr im Glauben gefestigt seid; prüft, ob ihr bewährt seid! Eigentlich müsst ihr doch erkennen, dass Jesus Christus in eurer Mitte ist, oder nicht? Andernfalls hättet ihr ja die Probe nicht bestanden!
Prüft euch selbst - das ist der Auftrag, den Paulus hier den Korinthern und uns erteilt. Dazu gehört natürlich ganz grundlegend erst einmal die Frage, ob ich Jesus denn überhaupt schon begegnet bin. Paul Gerhardt betont das sehr in seinem Lied. In der vierten Strophe schreibt er:
4. Ich lag in schweren Banden,
Du kommst und machst mich los;
Ich stand in Spott und Schanden,
Du kommst und machst mich groß
Und hebst mich hoch zu Ehren
Und schenkst mir großes Gut,
Das sich nicht lässt verzehren,
Wie irdisch Reichtum tut.
Das ist sozusagen der erste Schritt. Mach dir bewusst, was Jesus alles für dich getan hat. Und stelle sicher, dass du das wirklich für dich persönlich angenommen hast. Um wachsen zu können, muss man geboren sein. Um geistlich wachsen zu können, muss man geistlich geboren sein. Deshalb will ich dich einfach noch einmal ganz konkret fragen: Hast du das schon erlebt, dass Jesus in dein Leben gekommen ist. Dass er deine “schweren Bande” gelöst, dir die Vergebung deiner Schuld geschenkt und zu Gottes Kind gemacht hat? Gerhardt beschreibt dies so: “Du kommst und machst mich groß und hebst mich hoch zu Ehren”. Gott will, dass wir seine Kinder sind. Das ist die höchste Ehre, die überhaupt denkbar ist. Gott will und ein Geschenk machen, das unvergänglich ist: Vergebung unserer Schuld und ewiges Leben. Das ist ein “großes Gut, das sich nicht lässt verzehren, wie irdisch Reichtum tut”.
Das ist der erste Schritt der Selbstreflexion. Sozusagen die Frage: “Lebe ich eigentlich geistlich”? Im Bild gesprochen könnte man sagen: Bin ich denn überhaupt in dem Einkaufzentrum? Aber dann muss auch die zweite Frage folgen: “Wo stehe ich denn gerade?”
Ich denke, dass die Adventszeit eine sehr gute Zeit ist für diese Selbstreflexion. Aber wie macht man das konkret? Schmidt gibt in seinem Buch ein paar sehr gute Ideen dazu, damit das auch wirklich praktisch werden kann. Eine Möglichkeit der geistlichen Bestandsaufnahme ist der Vergleich mit einem Segelschiff, mit dem man sowohl segeln als auch rudern kann. Schmidt sagt, dass man sich selbst fragen sollte, wie es zurzeit aussieht:
Segle ich? Fahre ich mit geistlichem Rückenwind? Erlebe ich Gebetserhörungen, ist Gott für mich eine Realität, mit dem ich meinen Alltag lebe?
Rudere ich? Ist mein geistliches Leben eher von Pflicht und Anstrengung geprägt, als von Freude? Aber es geht trotzdem voran, weil ich nicht aufgegeben habe.
Lasse ich mich treiben? Erfahre ich Stillstand, geistliche Dürre, Probleme im Leben, die mich entmutigen? Bibellesen oder Gebet treten in den Hintergrund oder ich höre ganz damit auf?
Beginne ich zu sinken? Schmidt schreibt: “Wenn man sich lange genug treiben lässt, beginnt man über kurz oder lang zu sinken.” Stillstand ist immer auch Rückgang.
Wo stehst du gerade? Wenn man diese Frage für sich beantwortet hat, ist es wichtig, den nächsten Schritt zu gehen und darüber nachzudenken, wo die Blockaden sind, die dich geistlich hindern. Was müsste geschehen, damit du wieder mit voller Windstärke segeln könntest. Das können ganz verschiedene Dinge sein. Manchmal sind da geistliche Fragen, die geklärt werden müssen. Oder es sind geistliche Übungen oder Rituale, die du dir vorgenommen hast, aber die es nicht in deinen Alltag geschafft haben. Regelmäßiges Lesen in der Bibel, Gebet nicht nur in Sondersituationen, sondern als Teil deines Alltags. Und manchmal sind es auch Beziehungen, die geklärt werden müssen, damit man wieder geistlich vorankommt. Ich möchte euch alle ermutigen, diese Zeit des Advent dafür zu nutzen, über euch selbst und euren geistlichen Zustand nachzudenken. Mach doch den Advent zu einer Zeit der Selbstreflexion. Nutze die Zeit der vermutlich auch in diesem Jahr wieder ausgefallenen Advents- und Weihnachtsfeiern doch einmal, um über dich selbst nachzudenken.
Und wenn deine geistliche Selbstreflexion dann zeigt, dass du nicht wirklich segelst, dass du dich vielleicht abmühst oder sogar schon irgendwie aufgegeben hast oder gar dabei bist, zu sinken, gibt es einen ganz wichtigen Schritt und eine ganz wesentliche Erkenntnis: Der entscheidende Schritt, den du gehen musst, ist, dass du Gott bittest, dir zu zeigen, was du ändern sollst und dir dabei zu helfen, das auch zu tun. Und die entscheidende Erkenntnis ist, dass dieses Gebet auf jeden Fall erhört werden wird. Gott selbst hat genau daran ein großes Interesse und sein Heiliger Geist will und wird dir helfen, geistlich voran zu kommen.
In dem Lied von Paul Gerhardt ist das der eigentliche Schwerpunkt: Mach dir bewusst, dass Gott schon längst auf deiner Seite ist. Er hat so viel getan für dich. In Strophe 3 haben wir gesungen:
3. Was hast du unterlassen
Zu meinem Trost und Freud',
Als Leib und Seele saßen
In ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen,
Da Fried' und Freude lacht,
Da bist du, mein Heil, 'kommen
Und hast mich froh gemacht.
Ich glaube, dass das immer der erste Schritt zur geistlichen Erneuerung ist, dass wir uns bewusst machen, was Gott alles für uns getan hat. “Da bist du, mein Heil, kommen und hast mich froh gemacht.” Wenn wir erkennen, dass der lebendige Gott selbst auf unserer Seite ist, dass er uns unendlich liebt, dann können wir neue Freude und neuen Mut gewinnen, geistlich voran zu gehen. Sozusagen neuen Rückenwind, damit unser Segel wieder seine Funktion erfüllen kann. Und dann erst können wir uns auch freuen darauf, dass Jesus wiederkommen wird. Und damit bin ich bei meinem letzten Gedanken:
3. Advent - die Zeit der Erwartung
3. Advent - die Zeit der Erwartung
In dem Lied von Paul Gerhardt ist das der eigentliche Schwerpunkt: die Erwartung. Das sind die Strophen, die wir gleich nach der Predigt singen werden. In Strophe 6 beginnt dies damit, dass Gerhardt von den Nöten und Sorgen schreibt, die unseren Alltag häufig beschweren. Und dann schreibt er:
Seid unverzagt! Ihr habet
Die Hilfe vor der Tür;
Der eure Herzen labet
Und tröstet, steht allhier.
Die Hilfe steht vor der Tür, und zwar in Gestalt einer Person. Der, der unsere Herzen labet, der uns tröstet und wieder Freude schenkt, der steht hier vor der Tür. Das bedeutet zweierlei: 1. Wenn Jesus mit seinem Trost und seiner Freude vor der Tür steht - mach auf uns lass ihn ein! Und 2. Wenn das so ist, dann brauchen wir nicht in unserer Not und Angst zu bleiben. Denn Jesus selbst will zu uns kommen und uns Freude und Trost schenken.
Diese Vorstellung, dass Jesus vor der Tür steht und wir nur aufzumachen brauchen, hat Gerhardt sicher aus Offb. 3,20, wo Jesus sagt:
Merkst du nicht, dass ich vor der Tür stehe und anklopfe? Wer meine Stimme hört und mir öffnet, zu dem werde ich hineingehen, und wir werden miteinander essen – ich mit ihm und er mit mir.
Es gibt also nur eins, was wir machen müssen: die Tür öffnen und Jesus hereinlassen. Das gilt natürlich am Anfang unseres geistlichen Lebens, wenn wir Jesus zum ersten Mal in unser Leben einladen. Aber in Offb. 3 geht es ja um Christen. Also um Menschen, die Jesus schon in ihr Leben eingelassen haben. Auch da kann es sein, dass Jesus vor der Tür steht. Dass wir - wenn wir ehrlich über unser geistliches Leben reflektieren - feststellen, dass wir eigentlich unseren Alltag ohne Jesus leben. Dann gibt es ja nur eine vernünftige Reaktion: Mach die Tür auf und lass Jesus herein. Gib ihm die Herrschaft über deinen Alltag.
Paul Gerhardt schreibt:
7. Ihr dürft euch nicht bemühen
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr ihn wollet ziehen
Mit eures Armes Macht;
Er kommt, er kommt mit Willen,
Ist voller Lieb' und Lust,
All' Angst und Not zu stillen
Die ihm an euch bewusst.
Was Gerhardt hier sagen will ist, dass wir keine Anstrengung brauchen, um Jesus irgendwie zu überzeugen, uns zu helfen. Er kommt gerne, voller Liebe und Lust. Und wenn er kommt, dann wird er “all Angst und Not” stillen. Und dann fährt Gerhardt fort:
8. Auch dürft ihr nicht erschrecken
Vor eurer Sündenschuld.
Nein, Jesus will sie decken
Mit seiner Lieb' und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern
Zu Trost und wahrem Heil,
Schafft, dass bei Gottes Kindern
Verbleib' ihr Erb' und Teil.
Ich finde es großartig, dass Paul Gerhardt nicht mit dem drohenden Zeigefinger ermahnt, sich richtig auf die Begegnung mit Jesus vorzubereiten. Es ist viel eher so, dass er eine große Vorfreude wecken will. Jesus die Tür zu öffnen und ihm die Herrschaft über unser Leben zu übergeben - das ist die größte Freude, die es gibt. Es gibt nichts Schöneres und Besseres für uns, als Jesus zu begegnen.
Das gilt übrigens auch im Blick auf die Wiederkunft von Jesus. Zurzeit ist ja unter vielen Christen das Thema “Endzeit” wieder aktuell geworden. Vor allem die Pandemie hat das stark begünstigt. Aber ich habe den Eindruck, dass wir das meistens mit der falschen Haltung angehen. Wenn wir von “Endzeit” reden, dann denken wir an Verfolgungen, an Kriege, an Krankheiten und Tod. Das ist sicher durchaus berechtigt. Aber es ist nicht das Eigentliche. Wir warten nicht auf diese “Enzeit”. Wir warten auf den wiederkommenden Herrn! Paulus schreibt das so:
Kommen wir nun zur Frage nach den Gläubigen, die schon gestorben sind. Es liegt uns sehr daran, Geschwister, dass ihr wisst, was mit ihnen geschehen wird, damit ihr nicht um sie trauert wie die Menschen, die keine Hoffnung haben. Nun, wir glauben doch, dass Jesus für uns gestorben und dass er auferstanden ist. Dann wird Gott aber auch dafür sorgen, dass die, die im Vertrauen auf Jesus gestorben sind, mit dabei sein werden, wenn Jesus in seiner Herrlichkeit kommt. Außerdem können wir euch unter Berufung auf ein Wort des Herrn versichern, dass sie uns gegenüber, soweit wir bei der Wiederkunft des Herrn noch am Leben sind, in keiner Weise benachteiligt sein werden. Der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, ein lauter Befehl wird ertönen, und auch die Stimme eines Engelfürsten und der Schall der Posaune Gottes werden zu hören sein. Daraufhin werden zuerst die Menschen auferstehen, die im Glauben an Christus gestorben sind. Danach werden wir – die Gläubigen, die zu diesem Zeitpunkt noch am Leben sind – mit ihnen zusammen in den Wolken emporgehoben, dem Herrn entgegen, und dann werden wir alle für immer bei ihm sein. Tröstet euch gegenseitig mit dieser Gewissheit!
Tröstet euch gegenseitig mit dieser Gewissheit! Als Christen warten wir nicht auf die Not und das Elend der Endzeit. Wir warten auf den wiederkommenden Herrn, mit dem wir die Ewigkeit zusammen verbringen werden. Paul Gerhardt sagt das in den letzten beiden Strophen seines Liedes so:
9. Was fragt ihr nach dem Schreien
Der Feind' und ihrer Tück'?
Ihr Herr wird sie zerstreuen
In einem Augenblick.
Er kommt, er kommt ein König,
Dem wahrlich alle Feind'
Auf Erden viel zu wenig
Zum Widerstande seid.
10. Er kommt zum Weltgerichte,
Zum Fluch dem, der ihm flucht;
Mit Gnad' und süßem Lichte
Dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne,
Und hol uns allzumal
Zum ew'gen Licht und Wonne
In deinen Freudensaal!
“Was fragt ihr nach dem Schreien der Feind und ihrer Tück”, so dichtet Gerhardt. Warum, so könnte man es umschreiben, warum schaut ihr so sehr auf die negativen Vorzeichen, die der Wiederkunft von Jesus vorausgehen. Warum beschäftigt ihr euch so sehr mit den negativen Dingen? Jesus wird die “in einem Augenblick” beenden. Er kommt ja als König, und niemand wird ihn aufhalten können. Selbst wenn sich alle seine Feinde auf der ganzen Welt zusammentun - sie können ihn nicht aufhalten.
Das halte ich für ungeheuer wichtig. Lasst uns nicht auf Corona schauen. Nicht auf die gesellschaftlichen Schwierigkeiten, die für uns Christen problematisch sind und vielleicht in Zukunft noch viel problematischer werden können. Lasst uns auf den schauen, der in einem einzigen Augenblick all das beenden und sein Reich aufrichten wird.
Ja, Jesus kommt zum Weltgericht. Aber wer zu ihm gehört, wer ihn “liebt und sucht”, für den steht nicht das Gericht an, sondern die unbegrenzte, ewige Freude in der Gegenwart des lebendigen Gottes.
Advent ist die Zeit der Erwartung - das war der dritte Gedanke, den ich uns weitergeben wollte. Wenn wir das richtig begreifen, wenn wir wirklich voller Vorfreude auf Jesus warten, dann ist das andere eigentlich logisch. Dann werden wir auch immer wieder darüber nachdenken, was Jesus für uns heute bedeutet und ob wir wirklich mit ihm unterwegs sind. Wir werden uns selbst prüfen und reflektieren, damit wir geistlich vorankommen und Jesus immer ähnlicher werden. Denn Advent ist auch eine Zeit der Selbstreflexion. Wir werden zu Menschen des Lichts werden, die sich vorbereiten darauf, Jesus, dem eigentlichen Licht der Welt, zu begegnen. Advent - die Zeit der Vorbereitung.
Ich wünsche euch für diese Adventszeit, dass es eine Zeit wird, in der Jesus euch immer größer und wichtiger wird. Eine Zeit, in der ihr euch bewusst darauf vorbereitet, ihm zu begegnen. Eine Zeit, in der ihr über euch selbst nachdenkt und Jesus die Tür öffnet, damit er euch verändern kann. Und eine Zeit, die geprägt ist von dieser großen Vorfreude darauf, dass Jesus wiederkommen wird und dass wir dann für immer bei ihm sein dürfen.
Amen