Bist du doch unser Vater
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Bist du doch unser Vater
Bist du doch unser Vater
Wir feiern heute den 2. Advent im Jahr 2021. Eigentlich ist uns alles andere als zum Feiern zumute. Die Bedingung zum Feiern sind schlecht. Advents- und Weihnachtsfeiern sind abgesagt. Das Singen unserer schönen Advents- und Weihnachtslieder ist auch in diesem Jahr wieder nur begrenzt möglich, denn die 4. Welle von Corona hat uns fest in der Hand und manche Auflagen der Politik erscheinen uns sinnvoll, doch manches führt auch zu Spaltungen in unserer Gesellschaft.
Vielleicht fragen wir überhaupt nach dem Sinn und Unsinn dieses ganzen Corona-Geschehens und überhaupt, wo ist denn an dieser Stelle Gott? Handelt er noch in unserer Welt?
Hat er die Menschheit vielleicht schon einmal vorsichthalber verlassen, vielleicht weil sie letztlich doch macht, was sie will und nicht auf ihn hört?
Alleingelassen sein - vielleicht haben wir das Gefühl auch an anderer Stelle in unserem Leben: bei Schicksalsschlägen im Leben, bei Not, Angst, Krankheit, Depressionen und Einsamkeit. Aber eben nicht nur von Gott, sondern auch von Menschen, von der Familie oder Freunden. Gerade auch diese Advents- und Weihnachtszeit lässt Menschen die Einsamkeit besonders spüren. Die Gefahr dazu ist jetzt in dieser Corona-Zeit mit ihrem Abstandsgebot besonders groß.
Alleingelassen sein - so erging es in der Bibel nicht nur einem einzelnen Menschen sondern einem ganzen Volk. Einem Volk, das in Lethargie und Hoffnungslosigkeit lebte. Es wendet sich dennoch an seinen Gott, von dem es doch lange nichts gehört hatte, mit dieser einzigartigen Aussage: “Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name”. Genau das hören wir beim Propheten Jesaja im 63 und 64. Kapitel:
Jesaja 63,15-64,3 (BB)
15 Schau doch vom Himmel herab, wo du in Heiligkeit und Pracht wohnst! Wo sind deine brennende Liebe und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und deine Barmherzigkeit –wir merken nichts davon.
16 Du bist doch unser Vater! Abraham weiß nichts von uns und Israel kennt uns nicht. Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name.
17 Warum lässt du uns in die Irre gehen, sodass wir deinen Weg verlassen, Herr? Warum machst du unser Herz so hart, dass wir keine Ehrfurcht mehr vor dir haben? Wende dich uns wieder zu! Wir sind doch deine Knechte, wir sind die Stämme, die für immer dir gehören.
18 Für kurze Zeit wurde dein heiliges Volk vertrieben, unsere Feinde traten dein Heiligtum mit Füßen.
19 Es geht uns, als wärst du nie unser Herrscher gewesen. Es ist, als wären wir nicht nach deinem Namen benannt. Reiß doch den Himmel auf und komm herab, sodass die Berge vor dir beben!
1 Komm wie ein Feuer, das trockene Zweige in Brand setzt und Wasser zum Kochen bringt! Zeig deinen Feinden, wer du bist. Völker sollen vor dir zittern.
2 Denn du vollbringst furchtbare Taten, die all unsere Erwartungen übertreffen. Komm doch herab, sodass die Berge vor dir beben!
3 Noch nie hat man so etwas vernommen, noch nie hat jemand davon gehört. Kein Auge hat jemals einen Gott wie dich gesehen: Du allein tust denen Gutes, die auf dich hoffen.
Da sitzt es in der Verbannung in Babylon, seit 70 Jahren, der Rest des Volkes Israel, ein Häuflein von Sklaven und Heimatvertriebenen. Demütigung durch andere Menschen steht auf der Tagesordnung. Es waren Menschen ohne Hoffnung auf eine Zukunft. Ein letzter Rest des Volkes mit noch ganz wenig Glauben an den Gott der Väter.
Aber wo ist denn nun dieser Gott der Väter, von dem man zwar noch Geschichten erzählt, wie Sagen oder Märchen? Wo ist dieser Gott, der die 10 Plagen in Ägypten bewirkte, der das Volk durch das Rote Meer führte, der als Feuer- und Wolkensäule vorherging? Mit dem man fast vertraulich reden konnte? Irgendwie ist dieser Gott abhanden gekommen.
“Die Menschen haben vergessen, dass sie Gott vergessen haben”, so hat einmal ein Bischof über die Menschen in Ostdeutschland gesagt. Es klingt hart, aber es ist wirklich so.
Das war damals in dem Rst von Isael auch fast nicht anders. Darum das eindringliche und flehende Gebet: “Schau doch vom Himmel herab, wo du in Heiligkeit und Pracht wohnst! Wo sind deine brennende Liebe und deine Macht? Dein großes Mitgefühl und deine Barmherzigkeit – wir merken nichts davon.”
Sind wir bei Gott unbekannt? Kennst Du uns noch? Willst Du nichts mehr von uns wissen? Will Gott vom Volk Israel wirklich nichts mehr wissen? Kühle Distanz! Ja sogar der Stammvater Abraham kennt sie nicht. Also nicht einmal mehr darauf kann man sich berufen, dass man ein Nachkomme von Abraham ist.
Mitten in der flehentlichen Bitte des Gebetes erscheint nun ein Satz, der für das Alte Testament eine neue und einzigartige Aussage ist. Es erscheint dieser markante und flehende Ruf: “Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name.” Diese Anrede an Gott ist ein Appell an die Treue und Barmherzigkeit Gottes, die er Israel erwiesen hat, obwohl das Volk immerwieder versagt hat.
Advent 2021 - haben wir nicht manchmal das Gefühl, dass Gott auch uns heute abhanden gekommen ist. Würde denn unsere Generation heute überhaupt diese Frage nach Gott stellen? Im Moment stellen wir ganz andere Fragen. Sicher es sind auch exenstenzielle Fragen. Als erstes steht die Frage: Wie kommen wir aus der Corona-Pandemie heraus? Dann die Frage nach dem Klima. Auch die Flüchtlingsfrage beschäftigt uns. Und natürlich die Frage nach Frieden in Europa. Dazu die ganz persönlichen Fragen unseres Lebens, aber die Frage nach Gott? Steht die noch auf der Schirm unserer Mitmenschen, steht sie noch auf unserem Schirm?
Nun Studien haben festgestellt, dass Jugendliche heute wieder viel religöser sind als frührer und wirklich mehr nach dem Sinn des Lebens und auch mehr nach Gott fragen. Aber eben außerhalb der verfassten Kirchen. Beeindruckt hat mich in diesem Jahr die Beerdigung des Youtuber Philipp Mickenbecker. Er hat mit seinem Leben und Sterben und auch mit seiner Beerdigung viele junge Menschen gerade auf den Glauben an Jesus Christus und auch auf die Hoffnung nach dem Tod angesprochen und geprägt. Er hat ihnen gezeigt, wie der Glaube an Jesus Christus im Leben aber auch im Sterben Hoffnung gibt und trägt.
Dennoch für viele Menschen ist Gott heute abhanden gekommen. Er ist für sie eine unbekannte Größe. Das merkt man schon daran, dass viele mit unseren kirchlichen Feiertagen nichts mehr anfangen können - auch mit dem wirklichen Sinn von Advent und Weihnachten nicht.
Und dann entdecken wir, dass es doch auch bei ihnen eine religiöse Sehnsucht gibt, so wie damals bei dem Volk in der Verbannung in Babylon. Wir endecken, dass das Leben vieler Menschen religiöse und pseudoreligiöse Züge hat. So werden manche Hobbies richtig religiös gelebt. Zum Beispiel beim Fußball. Aber auch bei der Lebens- und Todesbewältigung braucht der moderne Mensch von heute Rituale.
So ist der Mensch von heute auch auf der Suche nach Gott. Sein Leben ist letztlich bewusst oder unbewust ein Aufschrei nach ihm: “Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name.”
Der Rest des Volkes Israel in Babylon weiß: Wir brauchen diesen Gott. Darum bleiben wir an ihm dran. Wir bringen ihm unsere Verzweiflung und unser Verlorensein. Er muss sich unser erbarmen. Sie drängen ihn immerwieder. Sie erinnern ihn an frühere Zeiten. Soll das alles umsonst gewesen sein?
Sie fragen nach dem Mitgefühl und der Barmherzigkeit Gottes. Sie machen Gott fest an dem, dass er eben doch der Vater, der Befreier und Erlöser ist, dass das seine Größe und Stärke ist.
Corona - die Dauer-Krise, die wir seit 2 Jahren durchmachen. Irgendwie haben wir doch wieder Sehnsucht nach einem geordneten Leben ohne Kontaktbeschränkung und Maskenpflicht. Nun ist es sogar in den letzten Tagen noch schlimmer geworden. Und die Aussichten auf Besserung sind nicht da, vielleicht noch eher Verschärfung der Maßnahmen. Wie wir Gottesdienste am Heiligen Abend feiern wissen wir nicht. Da gibt es nur Plan A, B oder C oder gar kein Plan.
Aber auch andere Lebenskrisen haben wir zu bewältigen, wo wir nicht weiter wissen. Wie gehen wir damit um? Wie geht es weiter im Leben?
Wenden wir uns überhaupt an Gott? Wenn ja, welche Fragen stellen wir? Vielleicht diese: Warum lässt Gott zu, dass wir in die Irre gehen? Warum lässt Gott überhaupt soviel negatives in unserem Leben zu?
Auch in uns ist diese Sehnsucht da, die in den Worten des Volkes zum Ausdruck kommt: “Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name.”
Eben diese Sehnsucht nach Gott, der unser Leben in seiner Hand hält. Wir Menschen brauchen eine Zukunft und eine Neuorientierung. Ich selber spüre das gerade auch in dieser Zeit der Corona-Pandemie besonders. Der Rest Israels ließ sich nicht abbringen und suchte umso intensiver Zukunft und Neuorientierung bei Gott. Wo suchen wir es? Auch bei Gott oder lassen wir Gott einen frommen Mann sein?
Das Resümee des Volkes Gott gegenüber jedenfalls ist:
Noch nie hat man so etwas vernommen, noch nie hat jemand davon gehört. Kein Auge hat jemals einen Gott wie dich gesehen: Du allein tust denen Gutes, die auf dich hoffen.
Das ist die Zusage an uns für den 2. Advent: “Du, Herr, bist unser Vater, »unser Befreier« – das ist von jeher dein Name.”
Es ist Gottes Zusage - auch an uns heute!
Er will uns helfen!
Er will uns beistehen!
Er will barmherzig sein!
Wir dürfen ihm vertrauen!
Amen.