Predigt Vergebung macht heil.
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Einleitung
Einleitung
Vergebung – vor vier Wochen habe ich hier im Gottesdienst über „Versöhnung“ gesprochen und dabei vor allem den Gedanken aufgegriffen, dass Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnt hat. Heute möchte ich dieses Thema noch ein wenig weiter einfalten und vor allem auch fragen, was das jetzt für uns und unsere Bereitschaft zur Vergebung bedeutet. Dazu möchte ich uns zunächst einmal eine sehr bekannte Geschichte lesen, ein Gleichnis, das Jesus erzählt hat. Ich werde dabei hin und wieder ein paar erläuternde Anmerkungen machen (Mat. 18,23-35):
Da wandte sich Petrus an Jesus und fragte: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er immer wieder gegen mich sündigt? Siebenmal?“
<Bei den Rabbinern wurde darüber diskutiert, wie oft man einem Schuldigen vergeben müsse. Da Vergebung ja immer auch die Abkehr von der Sünde bedeute, könne es ja nicht sein, dass man immer wieder mit der gleichen Schuld komme. Deshalb wurde hier als Regel aufgestellt, dass man bis zu dreimal vergeben müsse. Petrus war vermutlich der Ansicht, dass er mit den siebenmal, die er vergeben wollte, ziemlich großzügig und großmütig sei.>
„Nein“, gab Jesus ihm zur Antwort, „nicht siebenmal, sondern sieben mal siebzig mal.“
<Manche Ausleger und manche Bibelübersetzungen lesen hier „siebenundsiebzig mal“. Dies ist durchaus möglich, hat aber für die Bedeutung dessen, was Jesus sagt, keine Auswirkung. Jesus möchte zeigen, dass es grundsätzlich nicht möglich ist, Vergebung zu zählen. Ob 490 mal oder 77 mal ist dabei also völlig nebensächlich. Wer zählt, hat schon verloren!>
“Darum hört dieses Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der mit den Dienern, die seine Güter verwalteten, abrechnen wollte. Gleich zu Beginn brachte man einen vor ihn, der ihm zehntausend Talente schuldete.
<Dabei handelte es sich um einen Millionenbetrag! Um ein Talent zu verdienen, musste ein Tagelöhner etwa 20 Jahre lang arbeiten. Zehntausend Talente bedeutete also 200.000 Jahre Arbeit oder umgerechnet 60 Millionen Arbeitstage. Selbst der König Israels hatte zur Zeit Jesu ein Jahreseinkommen, das weit unter der Summe von 10.000 Talenten lag. Man vermutet, dass die Geldmenge, die in ganz Ägypten im Umlauf war, weniger als 10.000 Talente betrug!>
Und weil er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen und mit dem Erlös die Schuld zu begleichen.
<Allerdings muss man festhalten, dass auch mit dem Verkauf der ganzen Familie als Sklaven die ungeheure Summe keineswegs bezahlt werden konnte. Da ein Sklave zwischen 500 und 2000 Tagelöhnen wert war, konnte damit vielleicht gerade mal ein Tausendstel der eigentlichen Schuld beglichen werden.>
5Der Mann warf sich vor ihm nieder und bat auf den Knien: ‚Hab Geduld mit mir! Ich will dir alles zurückzahlen!’
<Das Versprechen „Ich will dir alles zurückzahlen“ war das Standartversprechen in antiken Geschäftsdokumenten. Dabei war allerdings sowohl dem König als auch dem Schuldner klar, dass dies nie der Fall sein würde.>
Da hatte der Herr Mitleid mit seinem Diener; er ließ ihn frei, und auch die Schuld erließ er ihm.
Doch kaum war der Mann zur Tür hinaus, da traf er einen anderen Diener, der ihm hundert Denare schuldete.
<Ein Talent war umgerechnet 6000 Denare. Die Summe von 10.000 Talenten entsprach also der unvorstellbaren Menge von 60.000.000 Denaren. Hundert Denare entsprach dem Lohn eines Tagelöhners für 100 Tage Arbeit.>
Er packte ihn an der Kehle, würgte ihn und sagte: ‚Bezahle, was du mir schuldig bist!’ Da warf sich der Mann vor ihm nieder und flehte ihn an: ‚Hab Geduld mit mir! Ich will es dir zurückzahlen.’ Er aber wollte nicht darauf eingehen, sondern ließ ihn auf der Stelle ins Gefängnis werfen, wo er so lange bleiben sollte, bis er ihm die Schuld zurückgezahlt hätte.
<Vermutlich hatte er die Hoffnung, dass Freunde oder Familienangehörige des Mannes das Geld aufbringen würden, um ihn aus dem Gefängnis zu befreien. Sonst gab es nämlich keine Möglichkeit, im Gefängnis irgendwie zu Geld zu kommen.>
Vier Gedanken zu dieser Geschichte:
1. Vergebung ist teuer
1. Vergebung ist teuer
Diese Geschichte ist doch ungeheuerlich! Ich meine damit jetzt zunächst nicht die Reaktion des Knechtes, dem so viel vergeben wurde, sondern die Tatsache, dass der König ihm vergab. Eine so große Summe war ja für den König selbst unvorstellbar viel. Ich habe schon angedeutet, dass er vermutlich selbst nicht über eine solche Menge an Geld verfügte. Es war also keineswegs die herablassende Gnade eines reichen Mannes, der einem Schuldigen eine Summe erließ, die ihm selbst nicht besonders weh tat! Wenn mir jemand eine Million Euro schulden würde – eine Summe, die ich wohl nie in meinem Leben besitzen werden! – dann käme ich kaum auf die Idee, ihm diese Schuld zu erlassen!
Und auf der anderen Seite: Ist die Reaktion des Knechtes nicht verständlich? Schließlich war er arm wie eine Kirchenmaus. Und auch, als der König ihm seine Schuld erlassen hatte, war er ja nicht reich geworden. Er hatte noch immer kein Geld. Zwar waren die Schulden weg, aber davon konnte er sich kein Brot kaufen. Als jetzt der andere Knecht mit seiner hohen Schuld vor ihm stand – und für ihn waren 100 Tagelöhne, also ca. 4 Monatsgehälter, doch eine große Summe – da konnte er doch gar nicht so handeln wie der König. Sicher, dem tat der Schuldenerlass auch weh. Aber bei ihm ging es um das nackte Überleben. Er war ja gerade deshalb zum König gekommen, weil er kein Geld hatte und nicht einmal in der Lage war, mit der Rückzahlung seiner Schuld anzufangen. Wie konnte man da erwarten, dass er seinem Mitknecht die Schuld erließ.
Wir sind so schnell dabei und meinen, es sei für den König überhaupt kein Problem gewesen, diese Schuld zu vergeben. Und auch für den Knecht wäre es wohl ein Leichtes gewesen, nun seinerseits die Schuld seines Mitknechten zu vergeben. Beides ist falsch! Vergebung ist nämlich nie leicht. Sie ist immer schwer und teuer.
Als der König seinem Knecht vergab, da opferte er nicht etwas aus seinem großen Besitz, sondern gab mehr weg, als er selbst besaß! Das war also keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Wunder! Und wenn der Knecht jetzt seinem Mitknechten vergeben hätte, dann wäre das nicht nur eine gewisse Einbuße seines Vermögens gewesen, sondern diese Schuld war alles, was er hätte besitzen können. Er war ja arm und hatte nichts!
Jesus hat das Gleichnis erzählt, um uns unsere Situation vor Augen zu führen: Gott hat uns alle unsere Schuld vergeben. Das ist ihm keinesfalls leicht gefallen! Im Gegenteil: Es hat ihn sein Wertvollstes gekostet: seinen eigenen Sohn! Dass Gott uns vergibt, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Wunder! An dieses Wunder erinnern wir uns heute im Abendmahl! Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir mit unserer Sünde zu Gott kommen und ihn um Vergebung bitten dürfen, dass uns dieses Wunder überhaupt nicht mehr bewusst ist!
Aber Jesus will ja noch viel mehr. Er erzählt dieses Gleichnis, um uns nun unsere Aufgabe vor Augen zu führen. Natürlich hätte der Knecht seinem Mitknechten vergeben müssen. Schon allein aus Dankbarkeit über seine eigene Befreiung hätte er ihm die Freiheit geben müssen. Und doch: Diese Vergebung wäre ebenfalls nicht einfach ein leichtfertiges: „Ist schon in Ordnung“ gewesen. Sie hätte den Knecht des Königs viel gekostet – alles, um genau zu sein.
Vergebung ist nämlich wirklich teuer! Aber es gibt dazu keine Alternative. Auch das ist deutlich aus diesem Gleichnis heraus. Ich kann nicht dankbar in Anspruch nehmen, dass Gott alles weggegeben hat, was ihm wertvoll und teuer war, damit ich Vergebung bekomme – und dann selbst nicht bereit sein, alles weg zu geben, was mir wertvoll und teuer ist, um anderen zu vergeben! Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt:
2. Vergebung ist notwendig
2. Vergebung ist notwendig
Das Gleichnis ist ja noch nicht ganz fertig. Ich lese also weiter:
Als das die anderen Diener sahen, waren sie entsetzt. Sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles.
<Offensichtlich waren die Diener des Königs schon vorher entsetzt gewesen. Sie hatten miterlebt, wie ihr Herr mehr verschenkt hatte, als er besaß. Ihnen war der Mund vor Staunen offen stehen geblieben. Darum schockierte sie jetzt das Verhalten des Knechtes so sehr.>
Da ließ sein Herr ihn kommen und sagte zu ihm: ‚Du böser Mensch! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest du da mit jenem anderen Diener nicht auch Erbarmen haben müssen, so wie ich mir dir Erbarmen hatte?’
<Interessant ist, dass der Herr nicht sagt: ‚Ich habe dir so viel erlassen, hättest du dann nicht dem anderen das wenige erlassen müssen?’ Offenbar weiß auch der König, dass die Summe von 100 Denaren für seine Untertan kein Pappenstiel war. Es ging um etwas ganz Anderes: ‚Ich habe dir Erbarmen erwiesen. Nun hättest du auch Erbarmen erweisen müssen.’>
Voller Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm alles zurückgezahlt hätte, was er ihm schuldig war.
<Das bedeutet letztlich, dass der Knecht nie wieder aus dem Gefängnis kommen würde!>
Vergebung ist notwendig – wenn man selbst Vergebung erlebt hat. „Wie kannst du“, so fragt der König seinen Knecht, „wie kannst du meine Barmherzigkeit dankbar annehmen und dann nicht auch selbst bereit sein zur Barmherzigkeit?“
Der König nimmt seinen Schuldenerlass zurück und lässt seinen unbarmherzigen Diener in das Gefängnis werfen. - Aber das kann doch natürlich nicht bedeuten, dass Gott uns, wenn wir einander nicht vergeben, unsere Schuld auch nicht vergibt!? Oder? Nun, Jesus ist noch nicht ganz fertig mit seiner Geschichte. Er zieht selbst das Fazit:
So wird auch mein Vater im Himmel jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von Herzen vergibt.
Das kann doch nicht sein, oder?
Im Vaterunser heißt es: „Und vergibt uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Im Anschluss an das Vaterunser greift dann Jesus eine einzige Bitte dieses Gebetes heraus und erläutert sie noch näher. Er sagt:
Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben. Mt. 6,14f
Mir ist klar, dass dies ein sehr schwieriges Thema ist. Schließlich sagt Jesus diese Dinge zu Menschen des alten Bundes und bevor er selbst die vollkommene Erlösung für uns am Kreuz vollbracht hat. Auf der anderen Seite schreibt auch Jakobus:
Denn es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat. Jak. 2,13
Ich kann und will heute morgen nicht die Frage diskutieren, ob es möglich ist, dass Gott die Vergebung, die er mir einmal gewährt hat, wieder zurück nimmt, wenn ich nicht bereit bin, einem anderen Menschen zu vergeben. Erst recht will ich nicht versuchen zu erklären, wann ein Mensch durch seine mangelnde Bereitschaft zu vergeben diese Grenze überschreitet und dann – falls dies möglich ist – sein eigenes Heil sozusagen verliert.
Aber ich will auch nichts von der Warnung wegnehmen, die Jesus hier deutlich sagt. Ich kann nicht dankbar Gottes Vergebung in Anspruch nehmen und gleichzeitig nicht bereit sein, meinem Mitmenschen zu vergeben – auch dann übrigens nicht, wenn der an mir so sehr schuldig geworden ist, dass es sich um weit mehr als um irgend eine kleine Lappalie handelt. Ich kann nicht Gottes Barmherzigkeit dankbar in Anspruch nehmen – immer wieder und jeden Tag neu – und unbarmherzig leben. Das passt nicht zusammen. Jakobus würde sagen: Dann ist dein Glaube nicht wirklich echt.
Wir haben also gesehen: 1. Vergebung ist teuer und 2. Vergebung ist notwendig. Jetzt komme ich zum dritten:
3. Vergebung ist wertvoll
3. Vergebung ist wertvoll
Ich will euch einmal eine kleine, wahre Geschichte erzählen:
In einem Ort namens Olathe in dem amerikanischen Bundesstaat Kansas gab es einen Rechtsanwalt, der eine sehr seltsame Angewohnheit hatte. Jeweils zu Weihnachten vergab James Conard all seinen Klienten, die ihm noch Geld schuldeten. Es handelte sich dabei um Beträge zwischen 5.000 und 10.000 US$!
Zwei Einsichten hatten ihn dazu gebracht: Erstens hatte er erkannt, dass Schuld eine Bindung darstellt und dass Gott Vergebung nicht nur geistlich, sondern auch materiell will. Und zweitens hatten diese unbezahlten Rechnungen dazu geführt, dass er selbst voller Unwillen und Ärger war.
Als er diesen Schuldenerlass zum ersten Mal durchgeführt hatte, war dies für ihn eine derartig angenehme Erfahrung gewesen, dass er sich entschlossen hatte, damit weiter zu machen. Kurz vor Weihnachten schickte er allen Klienten, die ihre Rechnungen mehrere Monate lang nicht bezahlt hatten, einen Brief, in dem er sie über den Erlass ihrer Schulden informierte.
In diesem Brief stand u.a.: „Ihre Rechnung – Kopie ist beigefügt – ist vollständig vergeben. Ich möchte als Gegenleistung nur zwei Dinge von ihnen erbitten. Erstens: Würden Sie bitte mir vergeben, wenn ich sie irgendwie verletzt haben sollte, als ich ihren Fall vertreten habe? Und zweitens, würden Sie in den nächsten Monaten mindestens einem anderen Menschen, der ihnen noch Geld schuldet, diese Schuld erlassen? Ich wünsche Ihnen ein besonders gesegnetes Weihnachtsfest und Neues Jahr.”
Da hat ein Mensch erkannt, dass Vergebung notwendig ist. Das war ja der eine Grund, der ihn zu diesem Schuldenerlass geführt hat: Gott will, dass wir vergeben, und zwar nicht nur geistlich, sondern auch materiell. Aber da war auch noch etwas anderes. Dieser Anwalt hatte erkannt, dass die ausstehenden, noch nicht bezahlten Rechnungen ihn selbst belasteten, und er stellte fest, dass die Vergebung dieser Schulden ihn selbst erleichterte.
Vergebung ist etwas ungeheuer Wertvolles! Sie heilt nicht nur die Beziehungen zwischen mir und meinen Mitmenschen, sondern sie heilt auch mich selbst! Die Schuld, die ich einem anderen Mitmenschen nicht vergebe, trage ich selbst als Last mit mir herum! Wenn wir den Begriff „Schuldenlast“ hören, dann geht es dabei eigentlich immer um die Schulden, die ich bei anderen habe. Aber auch die Schuld, die andere bei mir haben, und die ich nicht vergebe, belastet mich ungeheuer. Gerade weil sie die Beziehungen untereinander vergiftet, schädigt sie letztlich auch mich selbst!
Unvergebene Schuld belastet, und zwar auch den, der nicht vergeben möchte! Was du mit dir herumschleppst an Groll und Verbitterung gegenüber den Menschen, die an dir schuldig geworden sind, hindert dich daran, wirklich froh zu werden.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass auch hier unter uns, in unserer Gemeinde, unvergebene Schuld unter der Oberfläche schwelt. Dinge, die wir einfach nicht vergeben wollen. Vielleicht manchmal sogar viele Jahre zurück liegende Ereignisse. Es kann sogar sein, dass es überhaupt nicht Menschen betrifft, die zusammen mit mir in dieser Gemeinde sein. Vielleicht stammen die Wunden aus einer Zeit, wo du zu einer anderen Gemeinde gehörtest. Oder es ist dein ungläubiger Nachbar, der an dir schuldig geworden ist.
Und nun willst du einfach nicht vergeben. Zu schlimm war die Schuld der Anderen. Das ist wie in unserem Gleichnis: Wir haben den Eindruck, dass wir unheimlich viel verlieren, dass wir uns geradezu selbst aufgeben würden, wenn wir diese Schuld verzeihen – zumindest solange der Andere nicht in Sack und Asche kommt und um Vergebung bittet.
Dieser Eindruck mag sogar ganz richtig sein! Wir verlieren vielleicht wirklich viel und müssen uns tatsächlich selbst aufgeben, wenn wir verzeihen – nur: Gott selbst hat noch viel mehr verloren, hat noch viel mehr aufgegeben, um uns vergeben zu können. Und er hat seine Vergebung nicht davon abhängig gemacht, ob wir auch vorher ganz zerknirscht sind, ob wir in Sack und Asche herumlaufen und uns tatsächlich geändert haben, bevor er seine Vergebung in die Tat umsetzt. Im Gegenteil: Jesus ist für uns gestorben, als wir noch Gottes Feinde waren (Röm. 5,10).
Aber wir verlieren nicht nur etwas, wenn wir vergeben – wir gewinnen auch unendlich viel! Wir selbst werden heil, wenn wir Schuld nicht mehr länger nachtragen, sondern sie vergeben.
Und umgekehrt gilt: Wenn du nicht bereit bis zur Vergebung, dann hindert dich das in deinem eigenen, geistlichen Leben, weiter zu kommen. Es ist wie eine schwere Last, die du mit dir herumträgst und die dich einfach nicht wirklich voran kommen lässt.
Vielleicht sagt du jetzt: Ich habe ja vergeben. Nur vergessen kann ich nicht. Dabei ist mit „vergessen“ natürlich nicht gemeint, dass dir das Ganze nicht mehr einfällt, wenn du darüber nachdenkst. Das geht überhaupt nicht. „Vergeben und vergessen“ heißt vielmehr: Die Schuld steht nicht mehr zwischen uns, auch wenn ich manchmal sicher noch daran denke. Ich habe mich entschlossen, dem Anderen unbelastet entgegen zu treten. Nichts steht mehr zwischen uns.
Ein Mann unterhielt sich einmal mit seinem Freund und erzählte ihm von einem Streit, den er gerade mit seiner Frau gehabt hatte. „O, wie hasse ich das!“, sagte er, „Jedes Mal, wenn wir uns streiten, wird sie historisch.“
Der Freund warf ein: „Du meinst, sie wird hysterisch?“
„Nein!“, erwiderte der, „Ich meine historisch. Jedes Mal, wenn wir uns streiten, zieht sie alte Streitfälle der Vergangenheit aus der Tasche und hält sie mir vor.“
Wir sind so historisch – wir sagen: „Ich vergebe dir“, aber dann behandeln wir den anderen nicht so, als hätte er nicht gegen uns gesündigt, sondern die Schuld bleibt irgendwie doch zwischen uns stehen.
Echte Vergebung ist also 1. teuer, d.h. sie kostet uns wirklich vie!, sie ist 2. notwendig, denn nur wenn wir die Barmherzigkeit weitergeben, die Gott uns erwiesen hat, ist auch Gott bereit, uns zu vergeben. Und sie ist 3. wertvoll, denn sie heilt nicht nur die Beziehung zu dem Anderen, sondern auch mich selbst. Aber – und das ist die entscheidende Frage am Schluss – ist solch eine Vergebung, die wirklich vergisst in dem Sinne, dass sie dem Anderen seine Schuld nie mehr vorhält – ist solche eine Vergebung denn überhaupt möglich?
4. Vergebung ist möglich!
4. Vergebung ist möglich!
Dieser letzte Punkt ist ganz kurz: Vergebung ist möglich! Sonst würde Gott sie nicht von uns fordern. Vergebung ist möglich, weil Gott selbst uns vergeben hat und weil er uns durch seinen Geist alles zur Verfügung gestellt hat, was wir brauchen, um ein Leben zu führen, wie er das von uns möchte. Petrus schreibt dies in 2. Petr. 1,3:
Gott in seiner Macht hat uns alles geschenkt, was wir zu einem Leben in wahrer Frömmigkeit brauchen.
Was Gott von uns erwartet, ist unsere Bereitschaft zum Gehorsam. Wenn du heute Morgen erkannt hast, dass da jemand ist (oder vielleicht sogar mehrere Jemande), dem du vergeben musst, dann wartet Gott darauf, dass du dich bewusst dazu entschließt, gehorsam zu werden. Er wartet nicht darauf, dass du das alles auch schaffst. Aber wollen musst du schon! Er selbst wird dir dann durch seine Kraft helfen, diesen Wunsch der Vergebung auch in die Tat umzusetzen. Schließlich ist dies auch sein Wunsch und Wille! Und wenn du Gott um etwas bittest, was in seinem Willen ist, dann wird er deine Bitte erfüllen! Er füllt ja allen unseren Mangel aus, wie Paulus in Phil. 4,19 schreibt. Nur wollen musst du selbst! Und vielleicht kannst du dann ja auch nach dem Gottesdienst auf diese Person zugehen und die Vergebung auch aussprechen.
Ich weiß nicht, welche schlimmen Erfahrungen du gemacht hast, die du einfach nicht vergessen und vergeben kannst. Ich weiß nicht, an wie vielen Stellen Menschen an dir schuldig geworden sind. Es geht nicht darum, die erlittene Schuld irgendwie klein zu machen. Vergebung ist wirklich teuer! Aber ich weiß, dass Vergebung notwendig ist. Hier geht es tatsächlich um den Kern unseres Glaubens als Christ! Wenn du von Gottes Barmherzigkeit lebst, dann kannst und darfst du diese Barmherzigkeit niemand vorenthalten, egal was auch immer er dir angetan hat. Wenn du dich dazu entschließt, diese Schuld zu vergeben, dann wirst du feststellen, dass Vergebung auch wertvoll und hilfreich ist. Vergebung heilt auch die Wunden in deiner eigenen Seele, sie nimmt dir die Last weg, die durch unvergebene Schuld in deinem eigenen Leben liegt. Und Vergebung hilft, dass Beziehungen wieder heil werden können, auch wenn dies sicher oft lange dauert und vielleicht auch nicht immer funktioniert. Schließlich kann es ja durchaus sein, dass der Andere einfach nicht an einer heilen Beziehung interessiert ist. Aber du selbst wirst heil werden!
Und schließlich: Vergebung ist möglich. Entscheide dich dafür, Gott gehorsam zu werden und Schuld zu vergeben. Gott selbst wird dir dabei helfen!
Amen