Glaube und Angst
Glaube und Gefühl • Sermon • Submitted
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· 14 viewsGefühle gehören zu uns dazu und dürfen erstmal sein wie sie sind. Gott hat uns als fühlende Wesen erschaffen. Der Glaube ist nicht einfach das "Heilmittel" für die Angst. Es ist die Bereitschaft, mich nicht in meine Angst zurückzuziehen, sondern trotz meiner Angst zu leben und zu handeln.
Notes
Transcript
Handout
Zu Beginn möchte ich mit euch eine schnelle Abstimmung durchführen zu der Frage:
Was würdest du sagen, ist für deinen Glauben am Wichtigsten und hat den größten Einfluss?
Dein Denken und Verstand
Dein Wille
Deine Gefühle
Was von den dreien hat den größten Einfluss auf deinen Glauben?
Verstand, Wille oder Gefühl? Ich bitte um Handzeichen!
[-> Alles 3 abfragen]
Die “richtige” Antwort auf die Frage zu finden ist, nicht so leicht und man sollte die drei am Besten gar nicht gegeneinander ausspielen. Aber wenn man sich entscheiden müsste, dann ist wohl tatsächlich so, dass die Gefühle den stärksten Einfluss auf den gelebten Glauben haben.
Darüber ist man sich heute in der Religionswissenschaft ziemlich einig. Ich weiß nicht, wie es dir geht, wenn Du das hörst.. man möchte ja sofort widersprechen, oder? Das kann doch nicht sein! Mein Glaube ist doch nicht davon abhängig, was ich fühle! Das Gefühl ist doch so wechselhaft und unzuverlässig. Und da ist natürlich etwas Wahres dran. Ein Glaube, der nur auf Gefühlen aufbaut, der kann unheimlich schnell in sich zusammen fallen, sobald das erste Hochgefühl nachlässt. Dann ist der Glaube so schnell verschwunden, wie er gekommen ist.
Aber umgekehrt stelle man sich vor, ich würde in meinem Glauben von Anfang an absolut nichts fühlen. Weder würde ich im Glauben Trost erfahren, noch würde ich Liebe zu Gott kennen, noch würde ich das Gefühl kennen, von der Gemeinschaft der Glaubenden getragen zu sein. Was wäre das für ein Glaube, dem alle diese Erfahrungen fremd sind. Es könnte allenfalls ein Kopf-Glaube aus Gewohnheit oder Tradition sein. Aber kein Vertrauen, dass uns im Leben und im Sterben Halt gibt. Denn - das sagt uns auch die Psychologie - unsere Gefühle sitzen viel, viel tiefer in uns als unser Verstand oder unser Wille. Gefühle wie Angst, Trauer, Freude oder Wut beeinflussen uns ständig und meistens ist es uns noch nicht einmal bewusst. Sie beeinflussen unsere Entscheidungen, ob es die plötzliche Lust auf Schweinebraten mit Klößen beim Mittagessen ist oder aber die Wahl der künftigen Partnerin. Unsere Gefühle veranlassen uns zu großmütigen Taten der Hingabe und sie können uns gleichzeitig sehr egoistisch oder lieblos gegenüber anderen handeln lassen.
Wir können unseren Gefühlen nicht entgehen. Wir können ihnen nicht ausweichen. Manch eine hat vielleicht gelernt, Gefühle sofort zu unterdrücken und wegzuschieben, sobald sie auftauchen. Aber das führt nur dazu, dass sie zu den unmöglichsten Momenten noch stärker in uns aufbrechen und uns überraschen. Ein anderer ist vielleicht sehr impulsiv und trägt seine Gefühle immer sofort unkontrolliert nach außen.
Wenn wir uns in den kommenden Wochen mit verschiedenen Gefühlen befassen, werden wir immer auch nach dem Sinn der verschiedenen Gefühle fragen. Hinter jedem Gefühl steckt nämlich erst einmal ein positiver Nutzen.
Der Sinn der Gefühle
Der Sinn der Gefühle
Kein Gefühl ist sinnlos oder nutzlos. Unsere Gefühle gehören untrennbar zu uns dazu. Wie Gott uns die Möglichkeit zum Denken und zum Wollen gegeben hat, so auch die Möglichkeit zum Fühlen. Das merken wir besonders gut im Alten Testament, im Buch der Psalmen. Dort drücken die verschiedenen Beterinnen und Beter ganz unverblümt ihre unterschiedlichen Gefühlslagen Gott gegenüber aus. Sie sprechen Gott ganz direkt an, ob sie nun zu Tode betrübt sind oder himmelhoch jauchzend. Ob sie voller Wut über ihre Feinde motzen oder ob ihr Herz mit Angst erfüllt ist. Alles sprechen sie vor Gott aus und halten es ihm hin. Und immer wieder kann man beobachten, wie sich durch das ausdrücken der Gefühle die innere Situation des Beters ändern kann und er oder sie im Gebet eine neue Perspektive gewinnt. Aber am Anfang steht immer die Wahrnehmung der eigenen Gefühlslage und die direkte Ansprache Gottes im Gebet.
Welche Auswirkung Gefühle in unserem täglichen Leben haben, hat der Pixar-Film “Alles steht Kopf” auf hervorragende Art und Weise dargestellt. In diesem Animationsfilm wird eine Familie gezeigt, die aus Mutter, Vater und einer Tochter besteht. Und während die Familie gemeinsam durch Höhen und Tiefen geht, wird immer wieder das innere Erleben der 3 Hauptfiguren gezeigt. Dort sitzen jeweils 5 verschiedene Gefühle in der Kommandozentrale und und übernehmen abwechselnd die Kontrolle: Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst. Und je nachdem wer von ihnen gerade die Kontrolle hat, verhält sich die Person nach außen hin entsprechend. Ihr seht jetzt einen kleinen Ausschnitt, wo die Tochter Riley noch ein Kleinkind ist und mit Brokkoli gefüttert werden soll...
[Filmclip “Alles steht Kopf”]
Auch wenn dieser Film natürlich sehr witzig gemacht ist, stecken dahinter tiefe Wahrheiten, die ich mit meinem Schöpfungsglauben folgendermaßen benennen würde:
Gott hat uns als fühlende Wesen erschaffen
Gefühle sind zunächst wie sie sind
Gefühle geben Auskunft darüber, ob meine Bedürfnisse erfüllt sind
Das biblische Menschenbild sieht unser Denken, Fühlen und Wollen als eine Einheit, die immer wieder mit dem Bild des “Herzen” ausgedrückt wird. Das Personzentrum, wo der Mensch Pläne macht und Erfahrungen verarbeitet.
Weil Gott uns als fühlende Wesen geschaffen hat, gehört es zu einem reifen Glauben dazu, die eigene Gefühlswelt kennen zu lernen und sich mit Gefühlen zu beschäftigen. Ich halte es für ein großes Problem, dass in unserer protestantischen Tradition oft genau das Gegenteil passiert ist. Da wurden Gefühle abgetan als sprunghafte Launen oder als Beweis für mangelnde Ernsthaftigkeit.
Besonders schräg wird es, wenn noch die Geschlechterrollen mit hineingemischt werden und Frauen auf einmal nur nach ihren Gefühlen handeln, während Männer immer rational handeln. Das hat viel zu oft dazu geführt, dass uns Männern schon als Kindern beigebracht wurde, unsere Gefühle zu unterdrücken. Gleichzeitig wurde bei Frauen immer wieder bezweifelt, ob sie überhaupt entscheidungsfähig sind und Verantwortung übernehemen können.
Dagegen stehen die zahlreichen Berichte von Männern und Frauen in der Bibel, die sehr wohl ihre Gefühle ausdrücken und auch negative Gefühle zulassen.
Jesus hatte Gefühle
Jesus hatte Gefühle
Besonders stark sehen wir das bei Jesus selbst. Wie er über die Verlorenheit Jerusalems weint oder in tiefe Trauer über den Tod seines Freundes Lazarus ausbricht. Wie er zornig über selbstgerechte Religionsführer und gierige Kaufleute wird. Und wie ihn vor seiner Gefangennahme im Garten Gethsemane die Todesangst packt und er mit einer Panikattacke kämpft. Das alles wird uns in den Evangelien schonungslos berichtet. Wenn wir uns Jesus also als einen weltfremden Gottmenschen vorstellen, der 10cm über dem Boden schwebt, dann hat das nichts mit den Berichten der Evangelien zu tun. Jesus hat die menschlichen Gefühlslagen in ihren Extremen selbst durchlebt.
So viel als einleitende Worte zur Predigtreihe “Glaube und Gefühl”. Heute in der ersten Predigt befassen wir uns mit dem Gefühl Angst. Angst ist eine menschliche Grunderfahrung. Jeder von uns könnte sicherlich von unzähligen Erfahrungen Angstgefühlen berichten. Angefangen bei der Angst vor Spinnen und Schlangen, die sich tief im Menschheitsgedächtnis befindet, über Formen wie Höhenangst, Platzangst, die Angst verlassen zu werden oder Angst sich zu binden, Angst vor Authoritäten oder Fremdenangst.
Unsere Sprache kennt unzählige Synonyme für Angst in ihren starken und schwachen Formen: Bedenken · Bedrohungsgefühle · Befürchtungen · Beklemmung · Beklommenheit · Furcht · Scheu · Sorge · Bammel (ugs.) · den Flattermann kriegen (ugs.) · Manschetten (ugs.) · Muffensausen (ugs.) · Schiss haben (ugs.) - Grausen - eine Mordsangst oder Heidenangst haben, bis schließlich zur Todesangst. Es gibt sogar die Angst vor der Angst. Sie kann auftreten, wenn ich sehr unter meinen Ängsten leide und deshalb vorsorglich jede Situation vermeide, die in mir Angst auslösen könnte.
Im englischen Sprachraum verbindet man Angst sogar besonders mit uns Deutschen und unserer Kultur, weshalb man international zuweilen von der “German Angst” spricht. Das trifft sicherlich nicht auf uns alle gleichermaßen zu, aber man kann doch zumindestens von so etwas wie einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis in unserer Kultur reden.
An dieser Stelle noch eine Vorbemerkung: Was ich in dieser Predigt zum Thema Angst sage gilt erstmal für das normale, menschliche Angstgefühl, das nicht krankhaft oder psychothisch ist. Sogenannte Angst-Störungen müsste man nochmal eigenständig betrachten. Sie sind nicht dasselbe, wie alltägliche Angst als menschliche Grunderfahrung.
Vor der Predigt haben wir eine Episode aus dem Lebend es Propheten Elija gehört, die uns im 1. Königebuch erzählt wird. Der Prophet Elija spielt im Alten Testament eine besondere Rolle. Er ist der erste Prophet, über den ausführlich berichtet wird. Und er erlebt immer wieder ganz besondere Zeichen und Wunder. Gott gebraucht ihn auf verschiedene Weise, um seinen Willen zu offenbaren und die Menschen zur Umkehr zu rufen.
Deshalb ist es besonders spannend für uns zu sehen, dass Elija als ein großer Mann Gottes es in seinem Leben auch gründlich mit der Angst zu tun bekam. Im vorigen Kapitel hatte Elija einen großen Sieg im Namen Gottes gefeiert. Im Wettstreit mit 400 Baalspriestern, war sein Gebet zum Israels erhört worden, während die vielen Gebete zu Baal unerhört blieben. Feuer fiel vom Himmel und erntzündete den völlig durchnässten Opferaltar von Elija. Das Ende vom Lied ist für uns sehr schwer verständlich und äußerst blutig, aber entscheidend ist für uns, dass Elija hier Gottes Treue auf wunderbare Weise erleben durfte. Doch unmittelbar nach diesem Hoch erlebt Elija eine finstere Drohbotschaft von der Frau des Königs - Isebel. So lesen wir in Vers 2:
Da schickte Isebel einen Boten zu Elija und ließ ihm sagen: »Die Götter sollen mich strafen, wenn ich dich morgen um diese Zeit nicht ebenso umbringen werde, wie du meine Propheten umgebracht hast!«
Eigentlich sollte Elija sich von dieser Botschaft doch nicht weiter beeindrucken lassen. Wenn Gott Feuer vom Himmel regnen lassen kann, dann kann er seinen Propheten wohl auch vor den Machenschaften einer mächtigen Frau bewahren, oder nicht? Kein Grund sich Sorgen zu machen.
Doch so einfach ist es im Leben ja leider oft nicht. Nicht so selten erwischt uns eine angsteinflößende Situation völlig unerwartet, gerade in dem Moment, wo wir uns besonders sicher fühlen und eine besondere Gotteserfahrung gemacht haben. Gleichzeitig ist Elija von dem großen Schaukampf auch völlig entkräftet und nachdem er sich zuvor in der Gemeinschaft seines Volkes befand, ist er hier mit seinem Diener auf sich allein gestellt.
Die Bedrohung
Die Bedrohung
Bedrohungen können sehr unterschiedlich daher kommen. Sie können sehr konkret sein - eine schlimme Diagnose, eine plötzliche Kündigung oder die Zurückweisung durch einen lieben Menschen. Sie können sehr diffus sein, als eine dunkle Vorahnung oder als Erinnerung an eine Gefahr aus der Vergangenheit. Wir sind auch in der Lage, uns Bedrohungen vorzustellen oder gar einzubilden. Viele von uns haben immer mal wieder grundsätzliche Ängste vor der Zukunft. Für viele junge Menschen heutzutage kann die große Entscheidungsfreiheit mit ihren vielen Möglichkeiten beängstigend sein. Da erscheint es plötzlich als bedrohlich, wegen einer falschen Entscheidung möglicherweise wichtige Erfahrungen im Leben zu verpassen.
An dieser Stelle möchte ich euch kurz mit hinein nehmen in eine ganz andere, bedrohliche Situation aus meinem Leben. Vor 3 Jahren waren wir im Sommerurlaub in Kalabrien, in Süditalien. Das war einer der schönsten Urlaube, die ich in meinem Leben hatte, mit tollem Wetter und leckerem Essen. Zu den Sehenswürdigkeiten gehörte es, eine Bootsfahrt zu den umliegenden Inseln zu machen. Und so sind wir an einem Tag dann auf die Fähre gestiegen, die uns zu den Inseln bringen sollte. Die zweite Insel hatte als besonderen Hingucker einen Vulkan zu bieten. Als wir mit dem Boot nur noch wenige 100 Meter von der Insel entfernt waren, besagter Vulkan auf einmal an immer stärker zu qualmen.
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Kurze Zeit später kam Glut und Gesteinsbrocken dazu, die vor unseren Augen glühend ins Meer und in Richtung der Siedlung flogen. Die Ansagen vom Kapitän waren zwar auf italienisch, aber an seiner Stimmlage und Intensität konnte man erkennen, dass auch er so langsam in Panik geriet. Irgendwann folgte dann die Ansage, dass wir doch nicht, wie erwartet zum Hafen umdrehen würden, weil wir noch Menschen von der Insel retten mussten. In diesem Moment brach bei uns dann wirklich die Angst aus und ich musste mich sehr zusammenreißen, um nicht vollständig in Panik zu geraten. Ich habe noch selten so intensiv gebetet, wie in dem Moment, als wir mit unserem Schiff in Richtung des brennenden Vulkans zur Insel hinfuhren. Glücklicherweise konnten wir kurze Zeit später dann doch umdrehen, als die Nachricht kam, dass bereits genügend Rettungsboote auf der Insel sind. Das war für mich eine der bedrohlichsten Angsterfahrungen, die ich in meinem Leben hatte.
Auch Elija wird von der bedrohlichen Nachricht unmittelbar in Angst versetzt. Wir lesen in Vers 3:
1. Könige 19,3 (GNB2018)
Da packte Elija die Angst und er floh, um sein Leben zu retten.
Das Gefühl
Das Gefühl
Die Angst erscheint hier fast wie eine Person, die Elija hinterrücks am Schlafittchen packt und herumschleudert. Sie kommt über ihn und er kann sich nicht gegen sie wehren.
Das macht die Angst mit uns. Angst kommt von Enge. Wie alle Gefühle, drückt sich auch die Angst zunächst körperlich aus. Die Brust fühlt sich enger, die Knie zittern, wir bekommen einen Kloß im Hals. Der Atem wird schneller und wir beginnen nach kurzer Zeit zu schwitzen, während uns heiß und kalt wird. Außerdem drehen sich unsere Gedanken wie ein Karussell. Wenn die Angst länger anhält kann sie uns den Schlaf und den Appetit rauben. Sie kann verhindern, dass wir uns auf irgendetwas anderes konzentrieren.
1. Könige 19,4 (GNB2018)
Dann setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte den Tod herbei. »Herr, ich kann nicht mehr«, sagte er. »Lass mich sterben! Ich bin nicht besser als meine Vorfahren.«
Elija packte die Angst. So sehr, dass er völlig am Leben verzweifelt. Und das, obwohl er von ganzem Herzen an Gott glaubte. Obwohl er ein berufener Prophet Gottes war. Obwohl er viele, eindrückliche Erfahrungen mit Gott gemacht hatte. Alles das schützt ihn hier nicht vor seiner Angst.
Ich habe euch vorhin bereits das Buch “Panik Pastor” von Martin Dreyer vorgestellt. Auch er beschreibt dort sehr eindrücklich, wie er gerade vor seinen Predigten ständig von Panik erfasst wurde. Obwohl sich durch seine Predigten immer wieder auch Menschen bekehrten, hatte er Angst davor, auf die Bühne zu gehen.
Wir können nicht den Rückschluss ziehen, dass ein Mensch keinen starken Glauben hätte, wenn er oder sie von Ängsten geplagt wird. Selbst der Apostel Paulus schreibt den Korinthern:
Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;
Da ist mehr gemeint, als dass er nur Ehrfrucht vor seiner Aufgabe hatte. Mit großem Zittern war er bei ihnen und das verschweigt er ihnen nicht.
Glaube ist nicht die Abwesenheit von Angst.
Obwohl manche Ratgeber uns einreden wollen, dass man ohne Angst leben könnte. Bücher mit Titeln wie: “Nie wieder Angst” oder “Ohne Angst leben” versprechen uns, dass man Angst vollständig loswerden könne. Aber das ist nicht biblisch.
Glaube, im Sinne von Gottvertrauen ist vielmehr die Bereitschaft, trotz der eigenen Angst, einen mutigen Schritt zu wagen. Sich nicht in der Angst vor der Angst zu vergraben, sondern die eigenen Ängste anzuschauen und auf sie zuzugehen. Anders ist Vertrauen, ist Liebe gar nicht möglich. Denn beides - Liebe und Vertrauen hat eine beängstigende Seite. Wenn ich nämlich schon einmal erlebt habe, dass mein Vertrauen enttäuscht wurde. Dann habe ich womöglich beim nächsten Mal Angst, dass das erneut geschieht.
Stattdessen muss ich mich in der Liebe immer wieder neu dazu entscheiden, nicht auf die Angst zu hören, sondern in echte Beziehung einzutreten - mit dem Risiko, dadurch verletzt zu werden. Glaube ist nicht einfach das Gegenstück zur Angst, sodass wir dann gar keine Angst mehr hätten. Aber der Glaube setzt der Angst doch etwas entgegen. Indem er behauptet, dass es auf der anderen Seite ein vertrauenswürdiges Gegenüber gibt. Den Gott, der mich hält und micht nicht fallen lässt. Den Gott, der mich auch im Tal der Todesschatten nicht alleine lässt. Oder in den Worten des Heidelberger Katechismus:
Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?
Daß ich mit Leib und Seele
im Leben und im Sterben nicht mir,
sondern meinem getreuen Heiland
Jesus Christus gehöre.
Ein weiterer, wichtiger Punkt ist, dass wir uns durch die Angst nicht in die Einsamkeit treiben lassen. Das kann schnell passieren. Gerade dann, wenn wir es nicht gewohnt sind, über unsere Ängste zu sprechen. Dann bleibt uns oft nur, die Isolation und der Rückzug. Bei Elija war das auch die Gefahr. Er hatte seinen Diener weggeschickt und saß ganz alleine unter seinem Ginsterstrauch. Glücklicherweise kommt ein Engel Gottes, um ihn zu ermutigen und sich um ihn zu kümmern. Das ist hier ganz wesentlich. Alleine hätte er wohl nur schwer aus seiner Angst herausgefunden. Doch der Engel leistet ihm Gesellschaft und hilft ihm, wieder Mut zu fassen.
Und es muss ja nicht immer gleich ein Engel sein. In der Gemeinschaft können wir füreinander solche Boten Gottes sein. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns in unseren Ängsten gerade nicht immer weiter aus der Gemeinschaft zurückziehen, sondern gerade dann in Gemeinschaft eintreten.
Mit der Angst umgehen
Mit der Angst umgehen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten mit Angst konstruktiv umzugehen. Eine kreative Möglichkeit möchte ich mit einer kleinen Geschichte verdeutlichen:
Die Mutter sagt zu ihrem kleinen Sohn: “Timmy, gehst du bitte nach draußen auf die Terrasse und holst mir den Besen rein?” “Aber Mami, es ist so dunkel draußen..” Sie antwortet: “Geh jetzt raus und hol den Besen, ich brauche ihn jetzt sofort!” Timmy sagt: “Es ist dunkel und da sind bestimmt überall Monster draußen”. Dann sagt die Mutter: “Timmy, pass auf: Jesus ist immer bei dir!” “Wirklich? Jesus ist bei mir, wenn ich auf die dunkle Terrasse gehe?” Sie sagt: “Natürlich. Er ist immer bei dir!” Also geht Timmy nach hinten zur Terrassentür, öffnet sie und ruft nach draußen: “Jesus, könntest du mir den Besen reichen?”
Ich kann nicht versprechen, dass der Trick mit dem Besen funktioniert. Aber wenigstens hat Timmy heir einen humorvollen Umgang mit seiner Angst gefunden. Und dadurch verlieren die Monster in der Dunkelheit schon etwas von ihrem Schrecken.
Es gibt übrigens auch angenehme Formen von Angst. Nicht umsonst fahren viele Menschen gerne mit der Achterbahn, schauen sich Horrorfilme an oder springen im Schwimmbad freiwillig von einem 10 Meter hohen Turm. An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich bei diesen DIngen schon immer ein ausgemachter Angsthase bin. Auf den 10-Meter-Turm kriegen mich keine 10 Pferde hoch.
Es gibt so etwas wie Angstlust. Auch wenn sich mir der Sinn von Horrorfilmen nicht unmittelbar erschließt, sind diese Dinge vielleicht doch ein Weg, um positiv mit eigenen Ängsten umzugehen. Man gewinnt ein neues Verhältnis zu der eigenen Angst, wenn man sich immer wieder auch in furchteinflößende Situation begibt. Natürlich sollte man einschätzen können, was einen völlig überfordert und was man realistischerweise schaffen kann. Für mich wäre es vermutlich ein guter Schritt, erstmal vom 3-Meter Turm zu springen.
Eine weitere, schöne Form von Angst ist auch das Herzklopfen, wenn man jemandem einen Heiratsantrag macht. Wenigstens solange, wie die Antwort “Ja” lautet.
Ich möchte auch nochmal daran erinnern, dass Angst einen Sinn und eine Funktion hat. Sie beschützt uns ja auch vielfach vor realen Bedrohungen. Und mehr als das. Ich hatte in meiner Schulzeit und in den ersten Jahren meines Studiums oft große Angst vor Klausuren und Prüfungen. Der Grund lag unter anderem darin, dass ich oft sehr schlecht darauf vorbereitet war und es nicht unwahrscheinlich war, dass ich nicht bestehen würde. Während die Angst mich hin und wieder auch behindert hat, hat sie mich nicht selten auch motiviert, mich im Vorhinein besser vorzubereiten. Ich kann das niemandem empfehlen, aber in meinem Fall hat es manchmal funktioniert.
Aber wie sieht den nun ein guter Umgang mit Angst aus? Am Anfang steht immer die Wahrnehmung der eigenen Angst. Wenn ich überhaupt keinen Zugang zu meinen Gefühlen habe, sondern der Meinung bin, dass ich nicht so “der Gefühlstyp” bin, erkenne ich meine Angst vielleicht oftmals gar nicht. Wenn ich aber merke, dass ich gerade vor etwas Angst habe, lautet die erste Regel:
Was ist darf sein. Wir müssen lernen, uns unsere Ängste einzugestehen und sie zu akzeptieren, anstatt sie gleich auf mangelnden Glauben zurückzuführen oder wegzudrücken.
Die Ängste aussprechen und ausdrücken, gegenüber Gott oder einer Freundin / einem Bruder aus der Gemeinde. Dadurch wird die Angst konkret und verliert etwas von ihrem Schrecken.
Man sollte sich selbst fragen: Welche Bilder, Aussagen oder Liedverse haben mir in der Vergangenheit Trost gespendet. Da hilft es leider oft wenig, wenn jemand anders mir immer wieder seine Lieblingsbibelverse zuspricht, wenn diese mir selbst nichts sagen. So kann manchmal leider gerade eine Art geistlicher Druck entstehen.
Glaube ist nicht einfach das Gegenstück zur Angst. Glaube und Vertrauen kann oft gerade heißen: Meine Angst zu anzuerkennen und mich dennoch nicht von ihr lähmen oder isolieren zu lassen. Indem ich mit meiner Angst nicht alleine bleibe. Indem ich mich nicht in meine Ängste zurückziehe, sondern mutig genug bin, sie auszusprechen, besteht immer die Möglichkeit, dass Gott mir in meiner Angst begegnet.
Elija erlebt das auf wundersame Weise. Und das bemerkenswerte ist, dass Gott nicht in den großen Naturereignissen ist. Das hätte den ängstlichen Elija vermutlich vollkommen überfordert. Es wäre nur eine weitere Bedrohung für ihn gewesen. Stattdessen kommt Gott in dem leisen Säuseln des Windes zu ihm. Nicht bedrohlich, sondern sanft und nahbar.
Glaube trotz Angst bedeutet, die Angst anzusehen und gemeinsam mit Gott weiterzugehen. Und indem ich mich immer wieder entscheide, trotz meiner Angst das Vertrauen zu wagen; trotz meiner Angst, zu lieben, auch wenn mich das manchmal noch mehr ängstigen kann - dann erlebe ich hoffentlich auch, dass die Angst mich nicht überwältigt. Dass ich etwas wagen kann und nachher immer noch lebe.
In diesem Sinne dürfen wir auch die Zusage Jesu vom Anfang des Gottesdienstes verstehen. Ihr habt jetzt Angst, weil ihr in dieser Welt lebt. Und da gehört Angst nunmal dazu. Aber seid getrost: Ich habe die Welt überwunden. Es gibt hinter meiner Angst eine tiefere Realität und die lautet: Die Angst hat nicht das letzte Wort. Meine Ängste und alles das, was mir Angst macht und was mich auch wirklich bedroht, ist durch Christus bereits überwunden.
Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
Oder mit den Worten eines alten Chorals:
Ich steh in meines Herren Hand
und will drin stehen bleiben;
nicht Erdennot, nicht Erdentand
soll mich daraus vertreiben.
Und wenn zerfällt die ganze Welt,
wer sich an Ihn und wen er hält,
wird wohlbehalten bleiben.
(Philipp Spitta)
Amen.