Predigt über Joh. 17,1-8

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Wir begehen (morgen) den Palmsonntag. Es ist jener Tag, an dem wir des Einzugs Jesu in Jerusalem gedenken. In der Lesung des heutigen Evangeliums haben wir davon gehört: Davon, wie begeistert Jesus von der Menschenmenge empfangen wird; gleichsam wie ein König. Keiner aus der Menge ahnt in diesem Moment, als Jesus auf dem Esel sitzt, dass Er wenige Tage später elend am Kreuz verrecken wird. Und zwischen Einzug und Hinrichtung das, was uns im heutigen Predigttext beschäftigen wird. ※
Inzwischen sind also ein paar Tage vergangen, seitdem Jesus in Jerusalem angekommen ist. Für die Jünger, Seine engsten Freunde, waren es unruhige Tage. Jesu königlicher Einzug hatte die Schriftgelehrten im Tempel beunruhigt. Die wiederum fürchteten aber die römische Besatzungsmacht. Das Passahfest in Jerusalem stand bevor, und alle Anzeichen von Aufruhr wurden schnell und brutal niedergeschlagen. Plötzlich gibt es da Spitzel in der Menge, wenn Jesus spricht, und den Jüngern werden Warnungen zugeflüstert. Sie werden jedenfalls heilfroh sein, als sie sich an diesem Abend in das Haus eines Freundes zurückziehen und die Tür hinter sich zumachen dürfen. ¶ Doch es wird ein Abend, den sie nie vergessen werden. Zuerst wäscht Jesus ihnen eigenhändig die Füße, auf Knien und mit einer Schürze vor dem Bauch. Dann sitzen sie zusammen, essen und trinken, reden und lachen – ein paar Stunden voller Gemeinschaft und Wärme. Mit einem Mal aber kippt die Stimmung. Plötzlich spricht Jesus von Seinem Abschied. Er spricht von einem Weg, den Er gehen wird und auf dem die Jünger Ihm nicht folgen können. Und Er spricht von Verleumdung und Verrat.
Da ist es also vorbei mit der Gemütlichkeit. Ängstlich und verwirrt hören die Jünger Ihn weiterreden, von Gott, von Liebe und von einem heiligen Geist. Sie verstehen wenig. Und einer von ihnen fehlt schon – der Verräter ist hinaus in die Nacht verschwunden. ¶ Schließlich mahnt Jesus zum Aufbruch, denn sie wollen draußen im Garten Gethsemane übernachten. Die Mäntel über dem Arm, stehen sie bereit, Jesus nach draußen zu folgen. Der aber zögert noch, er schaut nach oben und betet zu Gott:
„Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.“
Soweit der Predigttext zum Beginn der Karwoche aus dem Johannesevangelium im 17. Kapitel. Das sogenannte „hohepriesterliche Gebet“. Gerade also in diesem Moment des Übergangs zwischen dem hellen, schützenden Raum, in dem sie miteinander das Mahl geteilt haben, und der bedrohlichen Dunkelheit draußen holt Jesus Gott in ihre Gemeinschaft herein: „Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“
Verherrlicht, Herrlichkeit: Darin schwingt das Wort „Herr“ mit; und das lässt sich durchaus an Herrschen denken und bezeichnet etwas, das einer Person Ansehen und Macht verleiht. Und hat die Menschenmenge bei Seiner Ankunft in Jerusalem Jesus nicht wie einen Herrscher, wie einen König bejubelt? „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Jesus, der König, auf dem Weg zu Seinem Thron. ※
Doch wir kennen, wie die Geschichte ausgeht: Jesus wird in den nächsten Stunden erniedrigt, verhöhnt, geschlagen und schließlich hingerichtet werden. Vom begeistert empfangenen Superstar wird Jesus am Ende zum Spielball politischer Kräfte, ist hilflos ihren Lügen und ihrer Grausamkeit ausgeliefert. Keine Spur von „Verherrlichung“, von der Jesus spricht. Der Weg führt nicht auf einen Thron, sondern an das Kreuz von Golgatha. ¶ Ganz ehrlich: Unter Verherrlichen stelle ich mir etwas anderes vor. Jedenfalls nicht, dass Jesu Leben am Kreuz endet. ※
Aber das ist freilich unser Blickwinkel auf die Geschichte. Die Jünger, die mit Jesus im Zimmer stehen, kennen diesen Ausgang jedenfalls noch nicht. Für sie erwacht mit Jesu Worten erst noch einmal der alte Traum: dass ihr Jesus, mit Gottes Hilfe, doch noch ein weltlicher König würde und der die römische Besatzung beendet; dem Volk Israel Freiheit und Frieden bringt.
Wie gesagt: Es wird anders kommen. Es wird die ganz normale Alltagsgeschichte dieser Welt, in der die Mächtigen ihre Ziele durchsetzen. Eine Geschichte, in der Lügen, Gewalt und Hinrichtung das letzte Wort haben. Wie es schon immer halt war und immer wieder seien wird ... ⁐ Und es wird die Geschichte von Frauen und Männern, die einen geliebten Menschen an den Tod verlieren. Die hilflos daneben stehen und nichts ändern können. Die überrumpelt werden und Dinge tun und sagen, die sie nicht mehr rückgängig machen können. Es ist eine Geschichte von Verrat und Verleumdung, aber auch von Mitgehen und stillem Heldentum. Und eine Geschichte von vielen verzweifelten Tränen. Kurz gesagt: Es sind die Geschichten der Passion. ⁂
Und dennoch: Quer zu diesen Geschichten erzählt uns Gott eine ganz andere Geschichte. Es ist die Geschichte einer ▶ Verheißung auf die Ewigkeit. Erinnern Sie sich? „Verherrliche deinen Sohn, [...] auf dass Er ihnen alles gebe, was du Ihm gegeben hast: das ewige Leben“, betet Jesus. ¶ Ewiges Leben. Wir verbinden damit vielleicht zuerst die Hoffnung darauf, dass mit Sterben, Tod und Grab nicht alles vorbei ist. Und in der Tat ist das nicht verkehrt, sondern grundlegender christlicher Glaube. Gerade die Ostergeschichte zeigt uns, dass Jesus mit Seiner Auferstehung den Tod besiegt, ihm seinen Stachel genommen hat. Das konnte Jesus ja aber nur deswegen tun, weil Er den Weg ans Kreuz gegangen ist.
Ewiges Leben umschreibt aber auch Gottes zukünftige Welt. Wenn ich mich umschaue in der Welt; wenn ich die alltäglichen Nachrichten „verdaue“, dann denke ich manchmal: Gut, dass wir dieses Versprechen auf eine Welt haben, die ganz anders seien wird. Friedvoller vielleicht. Mehr von Liebe erfüllt. Vor allem aber ohne Leid und Gewalt, aber dafür voll von Hoffnung und der Liebe Gottes. Eben der neue Himmel und die neue Erde, von der Johannes in seiner Offenbarung (dem letzten Buch der Bibel) spricht.1
Jesus nun verbindet beides – die gegenwärtige und die zukünftige Welt. Er ist ein ganz anderer Herrscher als so manch einer dieser „Fürsten dieser Welt“. Er ist einer, der bereit ist, den Verrat zu dulden und den Weg zu gehen, der Ihn in die Erniedrigung, ans Kreuz und in den Tod führen wird. – Doch das alles nur, damit uns der Himmel offen steht und wir Gottes Liebe zu uns erkennen können. So gesehen ist der Palmsonntag dann also der Beginn von etwas Neuem: Nämlich von Gottes ganz anderer Geschichte mit uns Menschen.
Amen.
PL EG 83,1.2.4 Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld
1   Vgl. Joh. 21.
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