Ein Blick auf Gottes Herrlichkeit
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Ihr Lieben,
wie schnell sich im Leben die Dinge doch ändern können! Vor 2,5 Jahren haben wir die Japaner und Chinesen noch dafür belächelt, dass sie andauernd diese komischen Masken tragen, nur um kurze Zeit später selbst große Vorräte davon im Schrank zu haben. Vor 2 Monaten hatte noch niemand von uns ernsthaft daran geglaubt, dass es in Europa einen Krieg geben würde, nur um jetzt fassungslos die Nachrichten zu schauen.
Wie schnell sich die Dinge doch ändern können! Auch Jesus hat das erlebt. Man muss sich das mal vor Augen halten — wir überlesen es ja so schnell: Es liegen nur wenige Tage zwischen dem Einzug Jesu in Jerusalem und seiner Kreuzigung. Nur wenige Tage zwischen der würdevollen Huldigung „Hosianna dem Sohn Davids!“ und der grausamen Forderung „Kreuzige ihn!“ Nur wenige Tage zwischen Euphorie, die Jesus zum König machen will und Hass, der Jesus in den Tod schickt. Wie schnell sich die Dinge doch ändern können…
Unser Predigttext spielt am Gründonnerstag, also genau zwischen diesen beiden großen Ereignissen. Auch wenn es nur wenige Tage her ist, liegt der mächtige Einzug Jesu in Jerusalem längst hinter uns. Und auch, wenn die Jünger es noch nicht verstanden und wahrhaben wollen: Jesus weiß längst, was Ihn erwartet.
Wir befinden uns also bereits am Gründonnerstag, das sog. „letzte Abendmahl“ ist bereits geschehen. Johannes, der den Schwerpunkt auf etwas andere Inhalte als die anderen Evangelisten legt, berichtet uns von vielen Dingen, die Jesus seinen Jüngern noch mitgegeben hatte. Nun beendet Er diese lange Rede und betet, redet mit dem Vater im Himmel. Es ist das ausführlichste Gebet Jesu, das uns in der Bibel überliefert ist; ich lese uns davon die ersten Verse (Joh 17,1-8):
1 Jesus blickte zum Himmel auf und sagte: »Vater, die Stunde ist jetzt da! Lass die Herrlichkeit deines Sohnes sichtbar werden, damit der Sohn deine Herrlichkeit sichtbar machen kann. 2 Du hast ihm Macht über alle Menschen gegeben. So kann er allen, die ihm anvertraut sind, das ewige Leben schenken. 3 Darin aber besteht das ewige Leben: dich zu erkennen, den einzig wahren Gott, und den, den du gesandt hast, Jesus Christus. 4 Ich habe auf der Erde deine Herrlichkeit sichtbar gemacht. Denn ich habe das Werk vollendet, das du mir aufgetragen hast. 5 Lass nun an mir die Herrlichkeit wieder sichtbar werden, die ich hatte, als ich bei dir war – bevor die Welt geschaffen wurde.«
6 »Ich habe dich bei den Menschen bekannt gemacht, die du mir in dieser Welt anvertraut hast. Sie gehörten dir, und du hast sie mir anvertraut. Sie haben sich nach deinem Wort gerichtet. 7 Jetzt wissen sie: Alles, was du mir aufgetragen hast, kommt wirklich von dir. 8 Denn ich habe ihnen die Worte weitergegeben, die du mir aufgetragen hast, und sie haben sie angenommen. Sie haben wirklich erkannt, dass ich von dir gekommen bin. Und sie glauben nun, dass du mich gesandt hast.« (Joh 17,1-8) — Gott segne an uns Sein Wort.
Jesus weiß, dass es auf die Zielgerade geht. Er hat Seinen Dienst getan, den Auftrag erfüllt, zu dem er gesandt wurde: Gottes Herrlichkeit auf der Erde sichtbar machen, Gott bekannt machen, den Menschen zeigen, wer Gott ist — wie Gott ist.
Ich bin an diesem Wort „Herrlichkeit“ hängen geblieben. Ehrlich gesagt, habe ich mich mit diesem Begriff immer etwas schwer getan; nicht weil ich das nicht glauben würde, sondern weil ich diesen Begriff nicht wirklich zu fassen kriege. Was ist das überhaupt, „Herrlichkeit“?
Offensichtlich etwas kraftvolles und strahlendes. Etwas, das zum Wesen Gottes gehört, das zu Seiner Vollkommenheit gehört.
Und etwas, das auch weitergegeben werden kann. Denken wir an Mose, dessen Gesicht nach den 40 Tagen intensiver Gemeinschaft mit Gott so sehr strahlte, dass man seinen Kopf unter einer Decke verhüllen musste. Die Israeliten hielten dieses Leuchten nicht aus. Wir Menschen könnten Gottes vollkommene Herrlichkeit gar nicht aushalten. Zu zerbrechlich und vergänglich sind unsere irdischen Körper; wir würden sterben, würde Gott uns tatsächlich gegenübertreten — so sagt es Gott selbst. (Ex 33,20) Zu überwältigend ist Gottes Wesen, ist Seine Erscheinung. Seine Herrlichkeit ist mächtig und vollkommen.
Und gleichsam auch voller Schönheit, denn Gott ist ja der Ursprung aller Schönheit, der Schöpfer der wunderbaren Welt, in der wir leben. Seine Herrlichkeit überstrahlt alles.
Das sollen ein paar Versuche sein, diesen Begriff zu füllen. Außerdem kann auch noch genannt werden, dass das Wort „Herrlichkeit“ im Hebräischen verwandt ist mit dem Verb „schwer sein“, es ist derselbe Wortstamm. Etwas herrliches hat also Gewicht, ist etwas Wert. Jemanden, den Herrlichkeit umgibt, dem gebührt Ehre.
All diese Herrlichkeit hatte auch Jesus, sogar schon bevor die Welt und alle Lebewesen geschaffen wurden; so bezeugt Jesus es selbst in unserem Predigttext. Und aus Liebe zu uns hielt Er diese Herrlichkeit nicht fest, wie ein Dieb, der seine Beute festhält, sondern legte sie ab und erniedrigte sich, um als kleines Baby Mensch zu werden; so haben wir es im Philipper-Hymnus vorhin gebetet.
Jesus betet nun, dass Seine Herrlichkeit sichtbar werden mag, damit dadurch auch die Herrlichkeit des Vaters sichtbar wird. Es gab einzelne Stellen im Wirken Jesu, an denen man einen Blick auf Seine Herrlichkeit erhaschen konnte. Die Auferweckung Lazarus’ von den Toten zum Beispiel, die Jesus allein durch Sein Wort wirkte. Oder natürlich die Verklärung Jesu, bei der Seinen drei engsten Jüngern ein Blick auf Seine Herrlichkeit gewährt wird.
Doch die große Verherrlichung stand erst noch aus.
Jesu Einzug in Jerusalem, den wir heute feiern, sollte der Auftakt dieser Verherrlichung werden: Ein König zieht in Jerusalem ein, sitzt auf einem Eselsfohlen, so wie es die großen Propheten vorhergesagt hatten. Die Menschen huldigen ihm, legen mit Palmzweigen und ihren Mänteln den Weg aus. Alle warten gespannt darauf, dass Jesus den Platz auf dem Thron einnimmt und endlich auch die verhassten Römer aus dem Land wirft. So vieles hatte er ja schon gewirkt, unzählige Menschen hatte er geheilt und sogar einige Tote wieder lebendig gemacht. Das muss der verheißene Messias sein! Der König Gottes, der Sohn Davids!
Und ja, die Menschen hatten Recht. — Aber es sollte alles ganz anders kommen. Es ging Jesus an dieser Stelle nicht um politische Macht, sondern um göttliche Macht. Nicht um Hoheit, sondern um Demut, nicht um Krieg, sondern um Frieden; doch dabei nicht zuerst um Frieden zwischen den Völkern, zwischen den Menschen, sondern um Frieden in deinem Herzen, Frieden zwischen dir und Gott.
Jesus hätte einen Thron besteigen und sich verherrlichen können. Doch der wahre Thron Gottes ist das Kreuz — ein Gnadenthron für uns Menschen. Ein Thron, der wahren Frieden schafft. Ein Thron, auf dem alles ausgeräumt wird, für das wir verantwortlich sind, auf dem bezahlt wird, was wir zu bezahlen nicht im Stande sind. Ein Thron, auf dem alles wiederhergestellt wird, was zerbrochen ist. Ein Thron, der uns ermöglicht, eines Tages ganz in Gottes Herrlichkeit zu leben. Was für ein König, der selbst alle Schuld seines Volkes trägt! Der selbst alles wegnimmt, was zwischen Ihm und uns steht! Der selbst den Weg zu sich wieder ebnet!
Das Kreuz wird zum Wendepunkt der Weltgeschichte. Die Zeit der Gnade hat begonnen und dauert bis heute an.
Wir haben gehört, wie Jesus betet: „Lass die Herrlichkeit deines Sohnes sichtbar werden, damit der Sohn deine Herrlichkeit sichtbar machen kann.“ (Joh 17,1b)
Am Kreuz beginnt die Verherrlichung Jesu. In der Auferstehung wird ihre ganze Macht sichtbar und in der Himmelfahrt wird sie vollendet. Jesus wird verherrlicht, damit wir die Herrlichkeit des Vaters erkennen können. Denn das ist es, worum es geht — so spricht Jesus selbst: Gott zu erkennen, den Vater zu erkennen. „Erkennen“ meint hier natürlich viel mehr als das bloße Kennen und Verstehen irgendwelcher Zusammenhänge. Erkennen ist im hebräischen Denken etwas zutiefst intimes, etwas das ganz tief in mein Herz geht, das mich ergreift, das mich verändert. In der Erkenntnis Gottes beginnt die Ewigkeit.
Gott sei Dank, ist Gott uns viele Schritte entgegen gekommen. Denn aus eigener Kraft hätten wir Ihn ja niemals erkennen können, hätten wir niemals bis zu Ihm durchdringen können. Der Sohn legte Seine Herrlichkeit ab, Jesus wurde Mensch. In Ihm offenbarte sich Gott uns Menschen. Die Menschen konnten Ihn sehen, hörten Seine Worte, erlebten Seine Taten und spürten, wie groß Gottes Liebe für uns ist.
Jesus sagt von sich selbst: „Wer mich sieht, der sieht den Vater.“ (Joh 14,9) Jesus hat uns einen Blick auf Gott ermöglicht. Er hat uns ein kleines Fenster geöffnet, durch das wir schon jetzt einen Blick auf Seine Herrlichkeit — und damit einen Blick in die Ewigkeit — bekommen, den Ort, für den wir bestimmt sind, im Glanz von Gottes Herrlichkeit.
Das können wir heute feiern mit der ganzen Freude des Palmsonntags, voller Zuversicht auf unseren Herrn; in dem Wissen, was Jesus Großes für uns getan hat, in dem Wissen, dass Er als Herr der Herrlichkeit herrscht (1Kor 2,8; Jak 2,1), in dem Wissen, dass Sein Geist in uns lebt.
Und in der Hoffnung, dass es nicht beim bloßen Wissen bleibt, sondern dass Gott unser Herz immer wieder neu ergreift und erfüllt und wir Ihn erkennen und eines Tages Seine Herrlichkeit schauen dürfen.
Amen.