Szenen der Erlösung

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Lukas 23,32-49
32 Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführIch lade euch ein, dass wir nun selbst noch einmal den Scheinwerfer in die Hand nehmen und gemeinsam zwei Szenen betrachten.t. 33 So kamen sie zu der Stelle, die »Schädel« genannt wird. Dort kreuzigten sie Jesus und die beiden Verbrecher – den einen rechts, den anderen links von ihm. 34 Aber Jesus sagte: »Vater, vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.« Die Soldaten verteilten seine Kleider und losten sie untereinander aus. 35 Das Volk stand dabei und schaute zu.
Die Mitglieder des jüdischen Rates verspotteten ihn. Sie sagten: »Andere hat er gerettet. Jetzt soll er sich selbst retten, wenn er der Christus ist, den Gott erwählt hat.« 36 Auch die Soldaten trieben ihren Spott mit ihm. Sie gingen zu Jesus und reichten ihm Essig. 37 Dabei sagten sie: »Wenn du der König der Juden bist, rette dich selbst!« 38 Über Jesus war ein Schild angebracht: »Das ist der König der Juden.« 39 Auch einer der Verbrecher, die mit ihm gekreuzigt worden waren, verspottete Jesus. Er sagte: »Bist du nicht der Christus? Dann rette doch dich und uns!« 40 Aber der andere wies ihn zurecht: »Fürchtest du noch nicht einmal Gott? Dich hat doch dieselbe Strafe getroffen wie ihn! 41 Wir werden zu Recht bestraft und bekommen, was wir verdient haben. Aber er hat nichts Unrechtes getan!« 42 Und zu Jesus sagte er: »Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.« 43 Jesus antwortete: »Amen, das sage ich dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!«
44 Es war schon um die sechste Stunde, da breitete sich im ganzen Land Finsternis aus. Das dauerte bis zur neunten Stunde – 45 so lange hatte die Sonne aufgehört zu scheinen. Dann zerriss der Vorhang im Tempel mitten durch. 46 Und Jesus schrie laut: »Vater, ich lege mein Leben in deine Hand.« Nach diesen Worten starb er. 47 Der römische Hauptmann sah genau, was geschah. Da lobte er Gott und sagte: »Dieser Mensch war wirklich ein Gerechter.« 48 Eine große Menge Schaulustiger war gekommen und sah alles, was dort geschah. Da schlugen sie sich auf die Brust und kehrten in die Stadt zurück. 49 In einiger Entfernung standen die beieinander, die Jesus kannten. Unter ihnen waren die Frauen, die Jesus gefolgt waren, seit er in Galiläa gewirkt hatte. Auch sie sahen alles mit an.
Ihr Lieben,
der Evangelist Lukas führt uns mehrere Szenen vor Augen. Es kommt mir wie ein riesengroßes Standbild vor, mit vielen Details — vielleicht wie ein Gemälde oder auch ähnlich den Szenen eines Theaterstücks, die in einem Foto festgehalten und zusammengefasst sind. Lukas beleuchtet nacheinander wie mit einem Scheinwerfer verschiedene Ausschnitte:
Zuerst sind Jesus und die Verbrecher als Gefangene und Verurteilte auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte. Schmerz und Qual sind ihnen ins Gesicht geschrieben.
Dann leuchtet Lukas auf die Gesamtszene auf dem Hügel Golgatha: Die Verurteilten gekreuzigt; die Soldaten stehen davor, feilschen um die letzten Habseligkeiten derer, die da vor ihnen hängen; ringsherum viele Menschen, die alle nicht so recht begreifen wollen oder begreifen können, was hier wirklich geschieht.
Lukas schwenkt wieder um, geht jetzt etwas näher heran. Er leuchtet auf die Gruppe des jüdischen Rates, die führenden Priester, die mächtigen religiösen Leute, die auch politisch das Sagen haben. Sie zerreißen sich jetzt das Maul angesichts des Elends Jesu, verspotten und verhöhnen ihn; fühlen sich als Sieger, gestärkt in ihrer Macht. — Ob manche im Geheimen an ihrer Tat gezweifelt haben?
Lukas dreht den Scheinwerfer etwas; nun sind die Soldaten im Lichtkegel. Auch sie verspotten Jesus. Klar, sie sind es gewohnt, andere zu verspotten. Sie sind Römer, Juden können ihnen nichts anhaben. Soll er sich doch retten, dieser König. — Die Soldaten hatten sich längst an die Grausamkeit des Todes gewöhnt. Mitleid scheinen sie nicht mehr zu kennen.
Und erneut dreht Lukas den Scheinwerfer, diesmal auf den Mittelpunkt des Geschehens, auf die drei Kreuze, die weithin sichtbar auf dem Hügel vor der Stadt aufgerichtet sind. Auch hier wird Jesus verhöhnt und verspottet: Einer der beiden Verbrecher, die mit Jesus gekreuzigt wurden und nun links und rechts neben ihm hängen, muss sich selbst im Angesicht seines Todes über andere erheben. Doch es entspinnt sich ein eindrückliches Gespräch dort an den Kreuzen, denn dieser Spott bleibt nicht unerwidert stehen. Wir werden gleich darauf zurückkommen.
Jetzt tritt Lukas etwas zurück. Dunkelheit kommt auf das gesamte Bild — und sogar auf das ganze Land. Drei Stunden Finsternis, von 12 bis 15 Uhr. Die dunkelste Stunde der Menschheitsgeschichte.
Und plötzlich, am Ende dieser drei Stunden, geht alles ganz schnell. Lukas kommt mit seinem Scheinwerfer kaum hinterher, weil so vieles geschieht. Zuerst der Tempel: Der Vorhang, der das Allerheiligste vom Rest trennte, zerreißt. Dann zurück zum Kreuz, diesmal nur das eine Kreuz, das in der Mitte der drei Kreuze aufgerichtet ist. Jesus spricht Seine letzten Worte, besser gesagt: Er schreit Seine letzten Worte. — Dann stirbt Er.
Mir scheint, Lukas möchte hier kurz verweilen, doch muss er seinen Scheinwerfer wieder ausrichten. Er macht den Lichtkegel etwas größer, zoomt sozusagen heraus, lässt das Kreuz Jesu im Blick, doch nimmt nun auch den römischen Hauptmann mit hinein, der am Fuß des Kreuzes steht und alles mit ansieht. Die Erschütterung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Er nennt Jesus gerecht, also unschuldig.
Lukas macht den Lichtkegel erneut größer. Die vielen Schaulustigen geraten in den Blick. Auch sie sind erschüttert angesichts des Todes. Doch drehen sie nun ab und gehen wieder ihrer Wege.
Ein letztes Mal macht Lukas das Bild noch einmal größer. Etwas entfernt steht eine Gruppe von Frauen und Männern, denen man schon über die Distanz ansieht, dass sie keine Schaulustigen sind wie die vielen anderen. Der Schmerz ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie verlieren einen geliebten Menschen, einen Hoffnungsträger, den Messias, den, von dem sie gedacht und daran geglaubt hatten, Er sei der Sohn Gottes. Es zerreißt ihnen das Herz. Alles scheint zu Ende.
So lässt Lukas diese Szene verklingen, das Licht verteilt sich wieder gleichermaßen auf das gesamte Bild: vom Weg auf den Hügel hinauf bis zu den abseits stehenden Freunden, vom Tempel bis zum Kreuz.
Ich lade euch ein, dass wir nun selbst noch einmal den Scheinwerfer in die Hand nehmen und gemeinsam zwei Szenen betrachten.
Zuerst das Gespräch zwischen den 3 Gekreuzigten. Entblößt, grausam geschlagen und gequält hängen sie dort, werden von Minute zu Minute schwächer. Einer der beiden Verbrecher, die links und rechts von Jesus gekreuzigt wurden, lässt es sich nicht nehmen, Jesus zu verspotten. Selbst im Angesicht seines eigenen Todes hat er keine Einsicht, bleibt stur und stolz, schert sich auch nicht um das, was er selbst verbrochen hat, um nun dort am Kreuz zu hängen.
Der andere Verbrecher ist innerlich einen anderen Weg gegangen. Er hat begriffen, was geschehen ist, sieht seine Schuld ein, zeigt Reue. Er weiß, dass er sich nicht nur vor den Menschen rechtfertigen muss, sondern auch vor Gott. Und er hat diesen letzten Funken Hoffnung: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ (V.42) Er glaubt daran, dass Jesus wirklich ein König ist, dass Er herrscht, dass Er ein Reich hat, das man jetzt noch nicht sieht. Der Verbrecher begreift, dass Jesus — im Gegensatz zu ihm — als Unschuldiger stirbt. Er nimmt seine Hoffnung und seinen Mut zusammen und richtet diese Bitte, ja dieses Gebet, an Jesus: „Jesus, denke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ — Jesus antwortet: »Amen, das sage ich dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!« (V.43)
Was für einen gnädigen Gott wir doch haben! Dieses eine Gebet genügt, dass der reuige Sünder bei Jesus eine neue Hoffnung findet, dass Jesus ihn annimmt, ihm vergibt, ihn mit ins Paradies, in die Ewigkeit nimmt. Denken wir daran: Das war kein lieber Mensch; er bekennt selbst, dass er zurecht mit dem Tod bestraft wurde. Dieser Mann hatte Schweres verbrochen. Doch es genügt, wenn das Herz zu Gott umkehrt und Hoffnung und Glauben auf Ihn gerichtet werden. Bei Jesus fängt das Leben neu an! Ein Gebet der Umkehr genügt, selbst angesichts der schlimmsten Schuld!
Wir verlassen diese Gesprächsszene wieder und richten unseren Scheinwerfer auf ein fast unscheinbares Detail, weg vom Hügel, hinein in die Stadt, mitten hinein in den Tempel. Es ist gerade einmal ein halber Vers in unserer Bibel, nur 7 Worte im Griechischen: „Dann zerriss der Vorhang im Tempel mitten durch.“ (V.45b) Dieser halbe Vers hat eine Dimension, die ich kaum in Worte fassen kann. Im Moment des Todes Jesu zerreißt der Vorhang im Tempel.
Es handelt sich hier nicht um irgendeinen Vorhang — dieser Vorhang grenzt das Allerheiligste vom Rest des Tempels ab. Der Tempel war von innen nach außen in Zonen aufgeteilt: In den äußersten Bereich durfte jeder, Männer und Frauen, Ausländer und Einheimische. In den nächsten Bereich, der näher zum Inneren des Tempels gelegen war, durften schon nur noch jüdische Männer. Einen weiteren Bereich durften nur noch die Priester betreten. So konzentrierte sich alles immer mehr auf das Zentrum des Tempels: das Allerheiligste. Diesen Raum im Tempelinneren durfte nur der Hohepriester, der wichtigste aller Priester betreten — und auch nur einmal im Jahr, nur am großen Versöhnungstag. Dieser Ort war der allerheiligste Ort auf der ganzen Welt, hier war Gott gegenwärtig.
Und dieser Ort, dieser Raum war vom Rest des Tempels abgetrennt — durch einen Vorhang.
In dem Moment, berichtet Lukas, als Jesus stirbt, zerreißt dieser Vorhang mitten durch. Das bedeutet: Die Trennung zwischen Gott und uns Menschen existiert nicht mehr; der Vorhang ist weg, der uns den Zugang zu Gott verwehrte. Der Vorhang, der uns auch schützte, denn als schuldige Menschen können wir vor Gott nicht bestehen. Jesus hat unsere Schuld getragen, hat als Unschuldiger alle Schuld auf sich genommen, hat sie am Kreuz für uns gesühnt, hat mit Seinem Leben bezahlt, was wir niemals hätten bezahlen können.
Wir hatten Gott nichts zu geben. Selbst unser Leben haben wir ja von Ihm geschenkt bekommen. Nur Jesus, nur Gott selbst konnte sich hingeben, damit wir leben können, damit unsere Schuld ein für alle Mal gesühnt ist.
Der Vorhang zerreißt. Der Weg zu Gott ist wieder frei. Jeder kann kommen, ob Schwerverbrecher oder herzensguter Mensch. Jeder ist eingeladen, dieses Geschenk anzunehmen, Gott zu begegnen.
Das ist Karfreitag.
Innerlich fühle auch ich mich an diesem Tag immer zerrissen. Vielleicht geht es euch ähnlich. Einerseits bin ich zutiefst betrübt, dass auch ich meinen Teil dazu beitrage, dass Jesus diesen Weg gehen musste, dass auch ich immer wieder schuldig werde, dass es auch für mich das Beste gewesen wäre, mit den anderen zu schreien: „Kreuzige ihn!“, Hammer und Nagel selbst in die Hand zu nehmen. Es beschämt mich, mich meiner Schuld zu stellen und meine Fehler einzugestehen.
Andererseits bin ich unendlich dankbar und könnte vor Freude durch die Gegend hüpfen: Jesus hat allen Mist, alles Schlechte, das ich fabriziert habe und auch noch fabrizieren werde, weggenommen und die Strafe, die mir zugestanden hätte, auf sich genommen. Jesus hat mich freigemacht von meiner Schuld. Er hat alles ausgeräumt, was zwischen mir und Gott stand und reicht mir Seine Hand, dass ich zu Ihm kommen darf, bei Ihm sein darf, in der Gegenwart meines Schöpfers, an dem Ort, für den ich geschaffen bin — und voller Hoffnung auf die Ewigkeit, auf die Zeit, in der dieses Beieinandersein wieder zu seinem Ziel kommt und wir ganz bei Gott leben dürfen.
Diese Zerrissenheit gehört zum Karfreitag dazu: Den Weg Jesu ans Kreuz im Herzen mitgehen und so die eigene Verlorenheit begreifen — und gleichzeitig an diesem Kreuz die Liebe unseres Herrn und Gottes spüren und erfassen.
Doch nicht nur diese — meine innere — Zerrissenheit gehört zum Karfreitag, sondern auch und vor allem der zerrissene Vorhang im Tempel. Es hätte kaum ein größeres Symbol dafür geben können, dass der Weg zu Gott nun wieder frei ist. Keine Opfer, keine Rituale sind mehr nötig, um Gott begegnen zu dürfen. Wir können einfach zu Ihm kommen. Das Opfer wurde ein für alle Mal dargebracht; Rituale, um rein zu werden, sind nicht mehr nötig.
Der zerrissene Vorhang erinnert uns daran, was Jesus am Kreuz vollbracht hat: Sein Blut hat für unsere Schuld bezahlt. Aus Liebe zu uns gibt Gott sich für uns hin.
Amen.
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