Predigt über 1. Kön 8,27-30

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Gott ist gegenwärtig in seinem Haus.

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Liebe Festgemeinde, liebe Ehrengäste!
Als um das Jahr 950 v. Chr. in Jerusalem der erste Tempel gebaut wurde, benötigte man nach dem Zeugnis des 1. Buches der Könige sieben Jahre, um diesen zu errichten. Mit seiner Größe von dreißig Metern Länge und zehn Metern Breite sowie fünfzehn Metern Höhe.1 Damit war der Tempel in seinen Ausmaßen nur geringfügig kleiner als unsre Stadtkirche St. Johannis. Dennoch brauchte man, als unsere Altvorderen gut 130 Jahre nach dem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1353 das Fundament für die gotische Hallenkirche legten, mehr als die doppelte Zeit – genau genommen fünfzehn Jahre – bis zur Weihe der Kirche im Jahr 1498.2 Etwas weniger, aber dennoch immerhin dreizehn Jahre dauerte es, als die Kirchengemeinde 2008 die ersten Planungsarbeiten für die Sanierung der Außenhülle in Angriff nahm, bis zum Abschluss der Arbeiten.
Eine lange Zeit, die den Beteiligten viel Mühe gemacht und auch viel Geld gekostet hat; und ein Vorhaben, das ohne die Unterstützung von tatkräftigen Fördermittelgebern so wohl nicht zustande gekommen wäre. Doch gelohnt hat es sich allemal, wie das Ergebnis zeigt, welches wir nun bestaunen können. Wir sehen eine restaurierte, helle Fassade; ein intaktes Dach; reparierte und damit endlich wieder dichte Fenster. ¶ Und nicht zuletzt eine hervorragend sanierte Orgel. (Auch wenn diese unüblicherweise ganz am Anfang und noch vor der Sanierung des Kirchenschiffes stand. Aber dieser Umstand motivierte damals wiederum einen Mitarbeiter der Landesentwicklungsanstalt, sich der Sache anzunehmen: „Da müsste man doch etwas machen können ...“, sagte er. Und es konnte etwas gemacht werden. Das Ergebnis können wir nun seit gut einem Jahr bestaunen.) ※
Dennoch dürfen wir uns auch fragen: Wozu dieser erhebliche Aufwand von Zeit und Geld? Braucht Gott wirklich ein Gebäude aus Holz und Stein? ⁑ Diese Frage stellte sich auch der Erbauer des ersten Tempels in Jerusalem, König Salomo, als er nach dessen Fertigstellung den Tempel – Gottes Haus – weihte.
Die kurze Antwort darauf lautet: Nein; Gott braucht Kirchengebäude ganz sicher nicht.
Die lange Antwort darauf möchte ich so geben: Er braucht sie jedenfalls nicht für sich selbst. Schon Salomo hat in seinem Gebet die Größe und Erhabenheit Gottes erkannt und benannt. Darum betete er auch: „Selbst die unendliche Weite des Himmels kann dich, Gott, nicht fassen! Wie könnte das dann der Tempel, den ich gebaut habe?“ Und durch den Propheten Jesaja, Jahrhunderte später, lässt Gott uns wissen: „Der Himmel ist mein Thron und die Erde ein Schemel für meine Füße. Was für ein Haus wollt ihr mir da bauen?“3Ja, es ist wohl so: Gottes Größe lässt sich durch Mauern nicht begrenzen. Sie sprengt alle Räume.
So braucht Gott also keine Tempel und keine Kirchen. ⁑ Aber wir, wir Menschen brauchen die Kirchen! Nämlich als Orte, an denen wir Gottes Gegenwart gewiss sein können, welche Gott uns zugesagt hat: „Du hast es doch versprochen“, betet Salomo weiter: „‚Es soll der Ort sein, an dem mein Name gegenwärtig ist.‘“
Und genau darum geht es bei den Kirchen, die gebaut wurden und werden – ob klein, ob groß; ob neu, ob alt; ob auf dem Dorf oder in einer großen Stadt oder hier bei uns im kleinen Schleusingen: Generationen vor uns haben diese Mauern errichtet und sie mit Leben erfüllt. Sie haben in ihnen gebetet; Gott gelobt; auf Sein Wort gehört. „Wenn man das in Kirchen nicht tue, solle man sie besser Kuh- oder Schweineställe nennen“, sagte einmal Luther auf die Frage, wozu Kirchen gut seien.4
Da ist etwas dran: Kirchen sind Orte des Gebets und der Andacht. Und insofern haben Menschen zu allen Zeiten die Kirchen als einen heiligen Ort verstanden. Als einen Ort, an dem sich die Menschen Gott nahe fühlen konnten; an dem sie Ihm das vor den „Schemel Seiner Füßen“ legen konnten, was ihnen auf dem Herzen lag; weswegen sie weinen oder sich freuen; klagen oder singen konnten. Je nachdem.
Und das ist auch heute nicht anders. ¶ Natürlich betritt manch einer diese Kirche, weil er oder sie sich das Gebäude oder die Kunstgegenstände anschauen möchte. Was nicht grundsätzlich verkehrt ist, sind diese Mauern auch ein Ort der Geschichte, was hier besonders die Ägidienkapelle zeigt. ⁐ Aber mehr noch sind diese Mauern ein Ort des Gebets. Ein Ort, an dem wir und nachfolgende Generationen uns sammeln und Gott nahekommen können. Oder auch Momente der Heiligkeit und der Ewigkeit erfahren können.
Und das, liebe Festgemeinde, soll auch für dieses Gotteshaus hier in Schleusingen gelten. Möge es uns und vielen Generationen nach uns ein Haus der Andacht, der Gotteserfahrung, aber auch der Begegnung untereinander sein. Ein Haus, in dem sich das erfüllt, was Salomo von Gott erbittet: „HERR, mein Gott, wende dich deinem Knecht zu, höre sein Gebet und sein Flehen! Ich flehe dich an! Höre die Worte des Gebets, das dein Knecht heute vor dir spricht. Richte deinen Blick Tag und Nacht auf diesen Tempel. Du hast es doch versprochen: »Es soll der Ort sein, an dem mein Name gegenwärtig ist.« Erhöre nun das Gebet, das dein Knecht an diesem Ort spricht! Erhöre die Bitten, die hier an diesem Ort vorgebracht werden, wenn dein Knecht und dein Volk Israel beten! Höre auf sie in deiner Wohnung oben im Himmel! Höre auf sie und vergib ihnen! [31Höre auf sie in den verschiedenen Notlagen. [...] 38Wer immer dann betet, ein einzelner Mensch oder dein ganzes Volk Israel: Höre jedes Gebet und jede Bitte! Denn jeder Mensch weiß, was seinem Herzen Not macht. Er wird seine Hände zum Gebet erheben und in Richtung dieses Tempels flehen. 39Dann hör du es in deiner himmlischen Wohnung!]“ So der Predigttext aus dem achten Kapitel des ersten Buches der Könige. Oder wie Gott später durch den Prophet Jesaja verspricht: „Wenn die Menschen in mein Gebetshaus kommen, erfülle ich sie mit Freude.“5
Denn hier, in Seinem Haus, ist Gott gegenwärtig. Gestern, heute und morgen.
Amen.
PL EG 166,1.2.6 Tut mir auf die schöne Pforte
1   Vgl. 1. Kön. 6.
2   Vgl. Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Thüringen, 11998, S. 1085 f.
3 Jes. 66,1
4   Zitiert nach: Harbsmeier, Eberhard: Das Alltagsbrevier, S. 21.
5 Jes. 56,7
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