Jesus, der Mathematiker
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Transcript
Ihr Lieben,
im Kirchenvorstand mussten wir feststellen, dass die Höhe der Gottesdienstkollekte seit Corona merklich zurückgegangen ist. Das mag zum einen daran liegen, dass es schlicht weniger Gottesdienste und weniger Gottesdienstbesucher gab, aber es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die, die da waren, auch weniger gegeben haben.
Da beginnen natürlich die Überlegungen, wie man diese Tendenz wieder umkehren und der Kollekte wieder einen Schub geben könnte. —
Meine Idee wäre ja, dass wir die Kollekte nicht mehr mit diesen tollen Klingelbeuteln einsammeln, die so gemacht sind, dass auch ja keiner sieht, was der andere gibt — und manche Spaßvögel immer noch ihre D-Mark-Reste und alten Knöpfe entsorgen — oder dass wir die Kollekte am Ausgang in diese kleine Kästen werfen lassen — sondern meine Idee wäre, dass die Kollekte von nun an direkt auf den Altar gelegt wird. Also jeder kommt während des Kollektenliedes der Reihe nach nach vorn und legt das Geld einfach auf den Altar. (Reihenfolge aufzeigen: Wir würden dann vielleicht hier vorn anfangen …) Alle können so sehen, was genau gegeben wird und der Pfarrer steht dann daneben und quittiert das Gegebene je nach Menge mit einem milden Lächeln oder mit einem strengen Blick, der sagen soll: „Überleg mal, mit was für einem Auto du vorgefahren bist! — Da sollen 5,- € ausreichen!?“
Ich denke, damit könnten wir die Kollekte signifikant erhöhen — zumindest in den ersten ein bis zwei Gottesdiensten, danach mag keiner mehr in die Kirche kommen.
Naja, mein Vorschlag ist natürlich nicht ganz so ernst gemeint. Aber er kommt dem nahe, was wir in unserem heutigen Predigttext lesen. Zur Zeit Jesu wurde die Kollekte im Tempel auf einen Tisch gelegt. Jeder der wollte, konnte so mitbekommen, wie viel gegeben wurde — und andersherum konnten jene, die stolz viel Geld auf diesen Tisch legten, sicher sein, dass andere es bemerken würden…
Ich lese uns den Predigttext aus Markus 12:
Lesung Markus 12,41-44 (BasisBibel)
41 Jesus setzte sich in die Nähe des Opferkastens. Dort beobachtete er, wie die Leute Geld hineinwarfen. Viele wohlhabende Leute gaben viel hinein. 42 Da kam auch eine arme Witwe. Sie warf zwei kleine Kupfermünzen hinein – das entspricht der kleinsten römischen Münze.
43 Jesus rief seine Jünger herbei und sagte zu ihnen: »Amen, das sage ich euch: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen, die etwas in den Opferkasten geworfen haben. 44 Denn alle anderen haben nur etwas von ihrem Überfluss abgegeben. Aber diese Witwe hat alles hergegeben, was sie selbst zum Leben hat – obwohl sie doch arm ist.«
Der Herr segne an uns sein Wort.
Drei Punkte zu dieser Begebenheit:
1. Jesus beherrscht Prozentrechnung
Viele reiche Leute waren gekommen und hatten gönnerhaft die großen Scheine über den Tisch wandern lassen. Das mag auf den ersten Blick etwas besonderes sein.
Ich kann mich noch an meinen eigenen Konfirmanden-Unterricht erinnern. Als es um das Thema Kollekte ging, erzählte uns der Pfarrer, dass jede Woche ein bis zwei 50€-Scheine in der Kollekte sind. Uns Konfirmanden klappte da die Kinnlade runter. Das war viel Geld — vor allem wenn sich das eigene Taschengeld auf 5 oder 10€ pro Woche belief. Und das ist ja auch heute noch viel Geld, wenn auch durch die Inflation nicht mehr ganz so viel wie vor 16, 17 Jahren.
Aber ihr wisst, worauf es hinaus läuft. Es geht ja nicht um die absoluten Zahlen, sondern um Prozentrechnung. Wer viel hat, dem fällt es auch leichter, viel zu geben. Die Bedeutung einer Gabe ergibt sich eben daraus, was man insgesamt zur Verfügung hat.
Jesus weist uns hier darauf hin: Lasst euch nicht blenden. Die Reichen haben viel, so fällt es ihnen auch leicht, mehr zu geben als andere.
In der Bibel findet sich immer wieder das Prinzip des Zehnten: 10% sollen wir Gott geben — ja wir müssten eigentlich sagen zurückgeben. Denn von Ihm bekommen wir doch alles. Wenn Gott uns nichts geben würde, hätten wir noch weniger als die arme Witwe, nämlich gar nichts. 10% von dem abzugeben, was man bekommt, hilft uns, dass wir uns dieser Abhängigkeit bewusst sind und dass wir unsere Dankbarkeit und unser Vertrauen zum Ausdruck bringen und auch dass wir gleichzeitig Großzügigkeit trainieren.
Mir geht es dabei auch gar nicht darum, dass dieser Anteil unbedingt der eigenen Kirchgemeinde zugute kommen muss; es gibt genügend gute Werke und Einrichtungen, die das Evangelium zu den Menschen bringen. — Da darf jeder selbst den Ort finden, wo er seinen Zehnten gut aufgehoben weiß. Nur damit niemand denkt, ich möchte hier Geld scheffeln…
Wichtig ist: Jeder muss mit sich selbst und mit Gott ausmachen, was angemessen ist. Es geht hier auch nicht um Genauigkeit bis auf den letzten Cent. Sondern es geht — wie so oft — um die eigene Herzenshaltung. Bin ich bereit, Dankbarkeit zu leben? Großzügig zu sein? Gern zu geben, weil ich weiß, dass Gott mit diesem Geld etwas Gutes anfangen wird?
Und bin ich bereit, Gott zu vertrauen, dass Er mich auch morgen wieder versorgen wird? Dass ich auch übermorgen genug zum Leben haben werde.
Und nebenbei bemerkt: Es lohnt sich auch zu geben, wenn man selbst nur wenig hat, wenn das Taschengeld noch überschaubar ist. Denn wer im Kleinen treu ist, der wird auch im Großen treu sein. Wer im Kleinen trainiert, dem wird es auch im Großen leichter fallen, gern zu geben.
Jesus beherrscht Prozentrechnung: Er weiß, was das bedeutet, was du zu Ihm bringst. Er weiß, ob es dich etwas kostet oder ob du nur mal eben was aus der Portokasse holst. Und vor allem: Er sieht dein Herz. Während wir Menschen oft nur auf Äußerlichkeiten achten, weiß Jesus um das, was dich bewegt und mit welcher Herzenshaltung du tust, was du tust.
2. Die arme Frau gibt alles, was sie hat
Markus berichtet uns ausdrücklich davon, dass die Frau 2 Kupfermünzen auf den Tisch legt. Da könnte man ja denken: Hätte es nicht auch 1 Münze getan? Das wären immer noch 50%, deutlich mehr als 10%. Sie hätte gut eine Münze für den Tempel geben und die andere für sich behalten können. — Aber das tut sie nicht. Sie gibt alles. So sind diese zwei unscheinbaren Münzen viel mehr Wert als all die großen Scheine, die bereits auf dem Tisch liegen. Sie sind so viel Wert, dass Jesus die Frau für uns hervorhebt und würdigt.
Ist es leichtsinnig und naiv, was die Frau da tut? Vielleicht.
Vielleicht ist es sogar ein Akt der Verzweiflung: „Gott ich habe eigentlich nichts zum Leben. Nimm nun dieses kleine bisschen Nichts. Ich vertraue Dir! Du wirst mich versorgen.“
Die Witwe hat allen Grund, sich Sorgen um den nächsten Tag zu machen. Ich habe das mal hochgerechnet: Die zwei Münzen, die sie da hat, entsprechen ungefähr 1,5% von dem, was ein Arbeiter an einem Tag verdiente. Wenn also heute jemand 15€ pro Stunde bekommt, entspräche das bei 8 Stunden Arbeit etwa 1,80€ — brutto. Das ist alles, was die Frau hat. Für einen Döner reicht das nicht.
Die Frau hat allen Grund, dass ihr die Sorgen über den Kopf wachsen könnten — doch sie legt ihr Leben in Gottes Hand, sie setzt alle Hoffnung auf Ihn! Sie weiß sich von Gott gehalten.
||: Wie fest ist ein Mensch doch gehalten, wenn er wie diese Frau alles loslassen kann! :||
Und wie reich muss man eigentlich sein, wenn man so viel geben kann.
Ich komme zu:
3. Was bedeutet das nun eigentlich für uns?
Ich habe schon ein paar Worte zum Zehnten gesagt, auch ist sicher durchgeklungen, dass ich es sehr sinnvoll finde, an diesem Prinzip festzuhalten — doch scheint es mir, dass es in dieser Begebenheit zuerst eigentlich überhaupt nicht um Geld geht. Sondern vielmehr geht es um Vertrauen. Vertrauen, dass Gott mich versorgt; Vertrauen, dass Er mich in Seinen Händen hält; Vertrauen, dass Gott mich und meine Sorgen sieht.
Und selbst das Vertrauen, dass Gott mit meiner Gabe etwas anzufangen weiß, ganz egal wie klein sie auch sein mag. Nach menschlichem Ermessen müsste man wohl sagen: Also auf diese zwei Kupfermünzen hätte die Tempel-Kollekte auch gut verzichten können, was soll man mit ihnen schon anfangen?
An einer anderen Stelle in den Evangelien heißt es: „Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Brote und zwei Fische. Aber was ist das für mehr als 5.000 Menschen?“ — Letzte Woche wurde über diesen Text gepredigt. — Jesus hat die fünf Brote und die zwei Fische genommen und damit Großes getan. So kann Er auch mit den zwei Kupfermünzen der armen Frau Großes tun.
— Und so kann Er auch mit dem, was wir zu bringen haben, und sei es noch so wenig, Großes tun! Dabei geht es gar nicht zuerst um Geld, sondern um alles, was wir zu bringen haben, um alles, was Gott uns selbst geschenkt hat, allem voran unsere Begabungen. Jedem von uns hat Gott wunderbare Begabungen und Fähigkeiten geschenkt; wir dürfen sie zu Seiner Ehre gebrauchen — und sind sie auf den ersten Blick auch noch so klein. In einer Kirchgemeinde gibt es für jede Begabung einen Platz.
Die Witwe hat ihre Gabe Gott hingegeben. Sie hat darauf vertraut: Gott kann aus diesem Kleinem etwas Großes machen. Was ich bringe, ist nicht zu wenig, wenn Gott Seinen Segen dazu gibt.
Und ein abschließender Gedanke: Gott kann aus dem Kleinsten etwas Großes machen — das gilt natürlich auch für unseren Glauben. Der eigene Glaube kann klein sein und die Zweifel groß. Reicht mein Vertrauen, das ich zu Gott habe? Bin ich nicht zu arm und unvermögend? Auch im Glauben gilt: Gott kann aus Kleinem Großes machen. Wichtig ist, dass wir es wie die Witwe wagen, Gott unser Leben hinzulegen.
Amen.