Von Mächtigen und Reichen – und von mir

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Ihr Lieben,
entspannt sitzt König David in seinem Ohrensessel. Ihm gegenüber hat Natan Platz genommen, ein Prophet, ein Mann Gottes. Der König lauscht dessen Worten und lässt seine Gedanken schweifen. Von Schafen ist die Rede. Innerlich kehrt David an die Orte seiner Kindheit zurück. Als Kind und Jugendlicher musste er oft hinaus auf die Weide und auf die Schafe des Vaters aufpassen. Dort lernte er die Natur mit ihrer Schönheit und ihren Härten hautnah kennen. An Löwen und Bären erinnert sich David, die er damals verscheuchen musste, um seine Schafe zu schützen. Es war für ihn eine gewaltige Lebensschule. All das half ihm später, als er von Saul gejagt wurde; als er sich verstecken und oft seinen Aufenthaltsort wechseln musste. Oder als er gegen Goliath kämpfte, diese riesengroße Muskelmaschine. Niemand wollte gegen Goliath kämpfen! Doch David hatte gelernt, einzig Gott zu vertrauen; mit Ihm war alles möglich!
In Natans Geschichte kann sich der König gut hineinversetzen:
»Zwei Männer lebten in einer Stadt. Der eine war reich, der andere arm. Der Reiche hatte sehr viele Schafe und Rinder. Der Arme aber hatte nichts als ein kleines Lamm. Das hatte er sich gekauft und aufgezogen. Es wuchs bei ihm heran, zusammen mit seinen Kindern. Es aß von seinem bisschen Brot, trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß. Es war für ihn wie eine Tochter.
Eines Tages kam ein Reisender zu dem reichen Mann. Und es war üblich, ein Essen für den Gast zuzubereiten, der zu ihm gekommen war. Doch der reiche Mann wollte seinen Besitz schonen und keines von seinen Schafen und Rindern nehmen. Deshalb nahm er das Lamm des armen Mannes. Das bereitete er zu und setzte es dem Gast vor, der zu ihm gekommen war.« (V.1b-4)
Einen solchen Menschen kann man nur verachten! Der sich nimmt, was ihm nicht gehört, obwohl er doch selbst so viel hat! Ohne Rücksicht auf Verluste. Dem sein Mitmensch völlig egal ist, Hauptsache ihm selbst geht es gut.
Es fällt mir dieser Tage leicht, dabei an einen russischen Großherrscher zu denken, der so viel hat, doch der noch mehr will. Der täglich Menschen sterben lässt und dabei doch weit weg vom Kriegsgeschehen in seinem sicheren Palast sitzt.
Es fällt mir leicht, an Gaskonzerne zu denken — zumindest an solche, die eigentlich genug haben, nun aber von der Gaspreis-Umlage profitieren wollen. Die Politik entrüstet sich zurecht über ein gut gemeintes, aber doch anscheinend misslungenes Gesetz.
Es fällt mir leicht, an Chefs großer Konzerne zu denken — in den letzten Wochen besonders an die inzwischen gefeuerte Chefin des RBB, des Rundfunk Berlin-Brandenburg, und ihre vielen Begleiter, die nur Vetternwirtschaft kannten und sich gegenseitig Geld und Posten zuschacherten.
Auch König David ist entrüstet über die Tat des Reichen.
»So gewiss der Herr lebt! Der Mann, der das getan hat, muss sterben! Und das Lamm muss er vierfach ersetzen – zur Strafe dafür, dass er das getan hat und das Lamm des Armen nicht verschonte.« (V.5b-6)
David zürnt über den Mann in dieser Geschichte. Vielleicht geht es euch ja ähnlich. Diese Ungerechtigkeit schreit doch zum Himmel!
König David ist ganz außer sich, er will sich kaum einkriegen angesichts der abscheulichen Tat dieses Mannes. Längst war David von seinem Sessel aufgesprungen, // in den er nun aber plötzlich wieder zusammensackt, als er die Worte seines Gegenüber hört: „David, dieser Mann — bist du!“
David weiß sofort, was gemeint ist, doch der Prophet breitet es wie zur Demütigung vor ihm aus: Gott hatte David so viel gegeben, so viel Reichtum und Macht. David hatte alles, was er sich nur erträumen konnte. Und doch war es ihm nicht genug gewesen.
Ein Jahr war es inzwischen her, dass David, der große und beliebte König, sich genommen hatte, was ihm nicht gehörte: die Frau eines anderen. Und als diese Affäre aufzufliegen drohte, weil sich nun ein Kind ankündigte, gab er den Mord am Mann der Frau in Auftrag. Scheinbar wohltätig nahm er die junge Witwe nach der Trauerzeit zu sich.
„David, dieser Mann — bist du!“ Ein Jahr lang war David nicht auf die Idee gekommen, mit seiner Schuld zu Gott zu kommen. Nun kam Gott zu ihm.
Ich frage mich, wie es in unserem Leben aussieht. Natürlich fällt es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und — ja auch ganz zurecht — das Unrecht der Großen und Mächtigen anzuprangern. Doch was ist eigentlich mit uns selbst? Viel wichtiger ist es doch, dass wir zuerst auf unser eigenes Leben schauen, denn hier können wir wirklich etwas ausrichten. Jeder weiß selbst, wo noch große oder kleine Dreckhaufen rumliegen, die wir vor einiger Zeit unter den Teppich gekehrt haben. Und ich bin mir sicher, dass jeder von uns im Leben an Punkte kommt, wo die Worte Natans auch an uns gerichtet sein könnten: „Dieser Mann, diese Frau — bist du!“
Wer einmal eine schwere Schuld auf sich geladen hat, der weiß, wie bedrückend Schuld für das eigene Leben ist. Nicht nur die Beziehung zum Mitmenschen, sondern auch die Beziehung zu Gott ist dadurch gestört. Denn Sünde hat immer eine horizontale und eine vertikale Dimension: Das Unrecht, das ich einem Mitmenschen antue, betrifft immer auch mein Verhältnis zu Gott. Gott liebt das Recht und die Wahrheit. Wenn wir schuldig werden, stellen wir etwas zwischen Gott und uns, wenden uns von Gott ab, wollen uns am liebsten vor Ihm verkriechen.
Doch Gott geht uns nach. Wenn wir es nicht schaffen, mit unserer Schuld zu Ihm zu kommen, kommt Er zu uns und spricht uns an. Er klopft an unser Herz und möchte mit uns über unsere Schuld reden. Doch das macht Er nicht, um uns zu demütigen und uns zu zeigen, wie klein und erbärmlich wir doch sind. Sondern: Wenn Gott mit uns über unsere Schuld reden möchte, dann weil Er sie uns vergeben will! Gott will uns vergeben! Er will unsere Schuld aus der Welt schaffen! Er will die Beziehung zwischen uns und Ihm wiederherstellen!
Letzte Woche haben meine Frau und ich uns ganz schön in die Haare gekriegt. Ich habe sie fast zwei Tage ignoriert, bin ihrem Blick ausgewichen, habe nur das Nötigste mit ihr geredet. Das war keine schöne Zeit. Es ging bis zu dem Moment, als wir wieder aufeinander zu gegangen sind, miteinander geredet haben, uns gegenseitig Vergebung zugesprochen haben und uns mit Tränen in den Augen wieder in den Arm genommen haben. Es hat unendlich gut getan, dass die Beziehung wiederhergestellt ist. Das Lachen war wieder zurück, die Freude war zurück.
Das möchte auch Gott, wenn etwas zwischen uns und Ihm steht. Dass Lachen und Freude zurückkommen, dass die Beziehung wiederhergestellt ist. Deswegen möchte Er mit uns über unsere Schuld reden. Das ist natürlich erstmal hart! — Wer redet schon gern über seine Verfehlungen?! Doch es tut so gut, wenn es weg ist!
Das Wichtigste ist deswegen, wie wir auf Gottes Angebot reagieren! Viele Propheten der Geschichte mussten für das, was Natan in unserer Geschichte zu David sagt, mit ihrem Leben bezahlen, weil sich die mächtigen Herrscher nichts sagen lassen wollten.
Auch für König David wäre es ein Leichtes gewesen, nun auch Natan verschwinden zu lassen; doch das tut er nicht! David bekennt seine Schuld. Er sieht seine Fehler ein. Er sieht ein, was er Schlimmes getan hat.
Ja, auch David muss — trotz der großen Vergebung Gottes — mit Folgen seiner Taten leben; wen es interessiert, der kann es gern nachlesen. Gott vergibt — und Gott vergibt gern und doch kann es ganz offensichtlich Folgen von Schuld geben, die zum Leben gehören. Doch sie gehören dann zu einem Leben, dessen Beziehung zu Gott wiederhergestellt ist. So wie Narben an alte Verletzungen erinnern und doch allen Schmerz verloren haben.
Gott vergibt gern. Gottes größter Wunsch ist es, dass die Beziehung zwischen uns und Ihm intakt ist. Und Gott vergibt, ohne dass wir etwas dafür leisten müssen. Es genügt, vor Ihm zu bekennen, was schief gelaufen ist.
Nach seinem Schuldbekenntnis wird David zugesagt: „Obwohl du es als Ehebrecher und Mörder verdient hättest, musst du nicht sterben!“
David muss nicht sterben. Aber ein anderer. So wie dem Mann aus Natans Erzählung sein einziges Schaf genommen wurde, genauso hat Gott seinen einzigen Sohn dahingegeben — damit wir nicht sterben müssen. Er hat sich für uns wie ein Schaf dahingegeben, wie ein Opferlamm geopfert. Gottes Gnade triumphiert über die Sünde. Es gibt nichts, was Gott nicht aus der Welt nehmen kann! Deshalb müssen wir unsere Schuld nicht verstecken oder verdrängen. Wir dürfen uns unserer Vergangenheit stellen und durch Jesus Christus alles vergeben bekommen.
König David gilt heute als der bedeutendste und großartigste König, den Israel jemals hatte. Die Bibel selbst bezeichnet ihn als einen „Mann nach dem Herzen Gottes“. (vgl. Apg 13,22) — Und das obwohl er ein Mörder war, ein Ehebrecher und noch manch anderes auf dem Kerbholz hatte. David ist in vielem gescheitert, doch immer ist er umgekehrt und hat Gott seine Schuld gebracht. Gott hat ihm gern vergeben!
Amen.
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