Die Reihenfolge im Vaterunser

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Einleitung

Vor wenigen Tagen wurde der Endbericht der Agentur veröffentlicht, die von RZIM (Ravi Zacharias International Ministry) mit der Aufklärung der Vorwürfe gegen Ravi Zacharias betraut worden war. R.Z. war einer der bekanntesten christlichen Apologeten, der mehrere Bücher geschrieben hat, regelmäßig in Radiosendungen auftrat und weltweit Vorträge hielt und Diskussionen führte.
Ihm wurde schon zu Lebzeiten (2017) Sexting vorgeworfen. Er stritt es damals vehement ab, schloss einen Vergleich mit der Anklägerin ab und genoss das volle Vertrauen der RZIM-Mitarbeiter. Nach seinem Tod 2020 wurden mehrere Stimmen laut, die R.Z. des sexuellen Fehlverhaltens bezichtigten - und zwar im Rahmen von Massagen, die er aufgrund von Rückenschmerzen häufig in Anspruch nahm.
Aus dem Bericht von Miller & Martin PLLC (https://s3-us-west-2.amazonaws.com/rzimmedia.rzim.org/assets/downloads/Report-of-Investigation.pdf):
Laut dieser Zeugin benutzte Zacharias religiöse Ausdrücke, um sie gefügig zu machen, da sie gläubig erzogen worden war. Sie berichtete, dass er sie dazu brachte, mit ihm zu beten, um Gott für die „Gelegenheit“ zu danken, die sie beide erhielten. Sie sagte, er nannte sie seine „Belohnung“ für ein Leben im Dienst an Gott, und er verwies auf die „Gottesmänner“ in der Bibel, die mehr als eine Frau hatten. Sie sagte, er habe sie gewarnt, sich niemals gegen ihn auszusprechen, sonst würde sie für die „Millionen von Seelen“ verantwortlich sein, die verloren gehen würde, wenn sein Ruf beschädigt würde.
Noch ein Zitat aus dem Bericht:
Mehrere RZIM-Mitarbeiter berichteten uns, dass sie besorgt waren, dass Herr Zacharias mit einer persönlichen Masseuse reiste, nicht weil sie tatsächliche Unangemessenheit befürchteten, sondern weil sie den Anschein von Unangemessenheit befürchteten. Ein hochrangiger RZIM-Mitarbeiter äußerte gegenüber Herrn Zacharias Bedenken darüber und redete ihm zu, nicht mehr mit ihr zu reisen. Als Antwort wurde Herr Zacharias wütend und sprach lange Zeit kaum mit diesem Mitarbeiter. Er wurde effektiv „nach Sibirien geschickt“, erinnerte sich ein anderer Mitarbeiter. Ihre Beziehung erholte sich nie vollständig.
Das war nur die Einleitung. Mein Thema ist das Gebet, das der Herr seine Jünger lehrte. Wir werden später sehen, was es mit R.Z. zu tun hat.

Überblick

Mt 6,9-13
Es gibt Christen, die sagen, das Vater-Unser ist kein Gebet der Gemeinde, da Jesus es seinen Jüngern vor dem Kreuz gesagt hat. Diese theologische Position halte ich für höchst fragwürdig, weil Jesus nach dem Kreuz den Aposteln gesagt hat, sie sollen Jünger machen, indem sie sie alles lehren, was Jesus ihnen geboten hat. Wir können doch nicht die Lehren von Jesus als alttestamentlich und für uns ungültig abschreiben. Dieses Gebet ist ein wunderbares Muster, ein Rahmen, ein Inhaltsverzeichnis, das wir benützen können, um unsere Anbetung und unsere Bitten zu strukturieren und zu priorisieren.
Hier ist die richtige Reihenfolge für unser Gebets-Leben und überhaupt für unser Leben:
Gottes Heiligkeit, sein Wesen
Gottes Reich
Gottes Wille (für uns)
Unsere Versorgung (und unsere Sorgen)
Unser Schuld und unsere Vergebung
Unsere Bewahrung und Erlösung

Es geht um Gott

1. Gottes Heiligkeit

Es macht absolut Sinn, dass wir in dieser Reihenfolge denken, leben, beten:
Wir müssen immer bei Gottes Wesen, bei seiner Größe, seiner Heiligkeit, seiner Gerechtigkeit, seiner Liebe und Barmherzigkeit anfangen, um die richtige Perspektive zu bekommen.
Selbst Gottes Reich soll nicht im Zentrum und als Ausgangspunkt stehen, denn wir bekommen nur das richtige Verständnis seines Reiches, wenn wir IHN kennen, verstehen, schätzen, lieben lernen.
Deshalb war es Paulus' größtes Anliegen, Jesus Christus zu erkennen:
Philipper 3,10 SLT
um Ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichförmig werde,
Deshalb sagte Jesus:
Johannes 3,17 SLT
Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.

2. Gottes Reich

Die Arbeit im Reich Gottes kann auch zum Götzendienst werden. Wie viele Menschen meinen, Gott zu dienen, und dienen doch vor allem sich selbst. Sie verwirklichen sich selbst, suchen Anerkennung, zum Teil auch Macht und Geld in dem, was sie tun. Wir sind nicht immun gegen solche Tendenzen. Gott bewahre uns!
Zuerst Gott zu erkennen, bewahrt uns davor, sein Reich misszuverstehen. Sein Reich ist nicht Gemeindeprogramm, nicht Missionsprogramm, nicht Vorschriften und Gebote, sondern es ist die Herrschaft Gottes. Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist bei allen, die ihn als König anerkennen (Röm 14,17).
Dieses Reich
hat begonnen,
es ist dabei sich auszubreiten
und es wird eines Tages allumfassend sein.
Gott muss herrschen, aber er will nicht ohne uns herrschen. Er bildet uns jetzt zu Mitregenten aus und lässt uns im Kleinen schon üben und uns bewähren für die großen Aufgaben, die er uns eines Tages anvertrauen will:
Matthäus 25,21 SLT
Da sagte sein Herr zu ihm: Recht so, du guter und treuer Knecht! Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über vieles setzen; geh ein zur Freude deines Herrn!
Jedenfalls muss alle Ehre immer ihm zukommen. Wir dürfen im Dienst für den Herrn keine Ehre für uns selbst suchen und/oder nehmen.

3a. Gottes Wille

Wie unterscheidet sich "Dein Reich komme!" von "Dein Wille geschehe!" Drückt nicht beides die Herrschaft Gottes aus?
Gottes Reich ist das "Big Picture", das große Bild von Gottes Plan mit der Menschheit.
Gottes Wille fängt bei mir persönlich an.

Und nun zu uns

3b. Unser Wille

Wenn wir Gott erkannt und das Wesen seines Reiches verstanden haben, dann sind wir richtig vorbereitet um unseren Platz im Gefüge zu sehen: Unsere Beziehung zu Gott, unseren Platz im Reich Gottes. Das Reich Gottes fängt dort an, wo wir unseren Willen dem Willen Gottes beugen, wo wir nicht abwägen, was uns jeweils gerade besser passt, sondern wo sein Wille den absoluten Vorrang hat; wo es nicht mehr darum geht, ob wir ihn tun wollen/sollen sondern nur mehr darum, ihn zu erkennen und dann zu tun.
Wenn wir auf diese Weise den Herrn in unserem Leben regieren lassen, so ist das die Basis für die von uns ausgehende Ausbreitung des Reiches Gottes.
Siehe Röm 12,1-8: ... damit ihr prüfen könnt, was der gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.
Unser Wille ist die Verbindung zwischen Gott im Himmel und uns auf der Erde. Hier ist der Übergang von seinem Wesen, seinem Reich und seinem Willen zu uns: Wir ordnen unseren Willen seinem Willen unter:
Das betrifft sowohl unseren Gehorsam (zu tun, was er uns befiehlt)
als auch unsere Unterordnung (uns da zufrieden zu geben, wo er uns hingestellt hat) - siehe Röm 12,3-8.

4. Unsere Versorgung

Wir vertrauen, dass er uns versorgt, und müssen uns deshalb nicht Sorgen um irdische Dinge machen.
Das hängt auch mit der Einleitung des Herrn zu diesem Mustergebet zusammen:
Matthäus 6,7–9a (SLT)
Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört um ihrer vielen Worte willen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen! Denn euer Vater weiß, was ihr benötigt, ehe ihr ihn bittet. Deshalb sollt ihr auf diese Weise beten;
Wir sollen uns nicht um unsere Versorgung bzw. unsere Sorgen drehen. Wir sollen nicht so beten, als wüsste Gott nicht, was wir brauchen. Aus diesem Grund sollen wir so beten, wie Jesus es uns gelehrt hat: Mit Gott im Zentrum, von uns selbst weg, auf ihn hin schauend. Das ehrt Gott und lässt unsere Seele gesunden.

5. Unsere Schuld und unsere Vergebung

Jetzt - erst jetzt - kommt unser gefallener Zustand, unsere Schwachheit, unsere Sünde, unser Fleisch ins Spiel.
Zuerst im Rückblick, also in Bezug auf Vergehungen unsererseits; Dinge, die zwischen uns und dem Herrn stehen.
Wir bekennen unsere Sünden und bitten um Vergebung.
Wie Jesus unmittelbar im Anschluss an das Mustergebet klar macht, müssen wir bereit sein zu vergeben, wenn wir wollen, dass nichts Belastendes zwischen uns und dem Vater steht. Wir vergeben also allen, die sich an uns - vermeintlich oder tatsächlich - schuldig gemacht haben. Dies sollte uns an dieser Stelle des Gebetes - nachdem wir uns mit Gottes Wesen und in seinem Licht mit unserer Sünde befasst haben - leicht fallen.

6. Unsere Bewahrung und Erlösung

Und zuletzt befassen wir uns vorausschauend mit unserem gefallenen, sündigen Wesen: Wir anerkennen und bekennen unsere Schwachheit und unser sündiges Wesen. Wir verstehen, dass das Potential zur Verirrung, zur Sünde, zur Rebellion in uns da ist, und dass wir Gottes Bewahrung brauchen - in uns ist keine nachhaltige Kraft gegen die Sünde. Und so bitten wir Gott, dass er uns davor bewahren möge, in Versuchung zu Fall zu kommen und dass er uns vom Bösen, das in und um uns ist, erlösen möge.
Erinnern wir uns an die Einleitung und an R.Z.
Wir wissen weder, wie dieses schändliche Verhalten seinen Anfang nahm, noch wie es sich bis zu diesem Ausmaß entwickeln konnte. Aber einige Dinge sind sicher:
Er hat nicht entschlossen und mit geistlichen Mitteln gegen die Versuchung gekämpft.
Er hat keine Vertrauensperson gehabt, der er sich öffnete und die ihm hätte helfen können, zu überwinden.
Er hat seine finanziellen Mitteln (bzw. die Spenden, die ihm anvertraut worden waren), seine Autorität, sein Image und seine überragende Intelligenz dazu eingesetzt, um sein Doppelleben so lange unentdeckt aufrecht zu erhalten. Er hat z.B. seine Handys, Computer, Email-Adressen und Internetzugänge nicht über RZIM - so wie bei den Mitarbeitern von RZIM üblich - bezogen, damit auch kein Administrator Zugang haben konnte.
Der Teufel hat für jeden die für ihn zugeschnittene Versuchung. Nicht jeder kommt bei Massagen in Versuchung und nicht jeder kommt durch Macht, Berühmtheit und viel Geld in Versuchung.
Ich möchte aber ein konkretes Beispiel herausgreifen, das für viele relevant ist: Heue ist Pornographie über das Internet allgegenwärtig. Es ist eine Gefahr für die Jüngsten unter uns ebenso wie für die Älteren. Nacktfotos oder Videos werden auf dem Bildschirm auftauchen, selbst wenn wir keinerlei Absicht haben, solche anzuschauen. Wie reagieren wir dann? Ich habe das erschütternde Zeugnis eines Pornographie-Süchtigen bei koenigskinder.net gesehen. Es ist erschütternd, wie es Satan gelingt, selbst Gläubige jahrzehntelang in Ketten zu halten, das christliche Zeugnis zu zerstören und sie für das Reich Gottes unbrauchbar zu machen. Die Sucht muss nicht solche Ausmaße annehmen. Es reicht schon, wenn man alle paar Wochen oder Monate zu Fall kommt. Man kommt nicht vorwärts. Man bleibt mit sich selbst beschäftigt, statt für den Dienst im Reich Gottes befreit zu werden.
Gegenbeispiel zu R.Zacharias.: Roger Peugh erzählt, wie er selbst - alt aber glücklich verheiratet - sich vor der Sünde hütet: Er hat ein Computer-Programm installiert, das verdächtige Seiten seinem Vertrauten per Email schicken würde. Ähnlich ist auch er der Vertraute für andere, die sich dieser freiwilligen Rechenschaft unterziehen.
Wir müssen
alle Vorkehrungen treffen, um uns nicht in die Situation der Versuchung zu begeben,
einen Freund oder Mentor ins Vertrauen ziehen und
wir müssen gleichzeitig beten "Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!", denn wir haben weder die Umstände noch uns selbst im Griff. Wir müssen bei allen Anstrengungen unsererseits auf den Herrn vertrauen, dass er uns bewahrt.

Anfang und Ende

Bevor wir schließen, kehren wir noch einmal ganz an den Anfang zurück:
Unser Vater, der du bist im Himmel!
Am Anfang steht unsere Nähe, unsere Vertrautheit mit dem Vater. Er ist heilig, erhaben, aber nicht distanziert von uns. Wir wurden nahe gebracht in Jesus Christus. Wir - die ehemaligen Rebellen - wurden als geliebte Kinder angenommen; nicht als Stiefkinder, sondern als Kinder, die er liebt, wie er Jesus liebt (Joh 17,23). Von dieser Position aus dürfen wir ihm nahen, den Heiligen erkennen, sein Reich verstehen, uns seinem Willen beugen, Vergebung empfangen und weitergeben, um Versorgung, Bewahrung und Erlösung beten.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.
Das Gebet schließt wieder mit Gott und seinem Reich, seiner Macht, seiner Herrlichkeit. Diese Worte fehlen zwar in manchen Manuskripten und fehlen daher auch in manchen Übersetzungen oder sind nur als Fußnote enthalten, aber wir können aufgrund des überwiegenden Zeugnisses der Manuskripte davon ausgehen, dass dieser Abschluss des Vaterunsers in der Urgemeinde vielfach verwendet wurde und zwar in Anlehnung an ein Dankgebet Davids:
1. Chronik 29,11 SLT
Dein, o Herr, ist die Majestät und die Gewalt und die Herrlichkeit und der Glanz und der Ruhm! Denn alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. Dein, o Herr, ist das Reich, und du bist als Haupt über alles erhaben!
Warum dieser Abschluss?
Damit wir nicht bei uns selber stehen bleiben, wenn wir um Versorgung, Vergebung und Bewahrung beten, sondern uns wieder erinnern, dass es auch dabei letztlich um IHN geht und darum, dass wir da sind, um IHM die Ehre zu geben.
Er ist das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, Ursprung und Ziel.
Offenbarung 4,11 SLT
Würdig bist du, o Herr, zu empfangen den Ruhm und die Ehre und die Macht; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen sind sie und wurden sie geschaffen!
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