Nichts als Sorgen
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· 83 viewsSorgen prägen die Gesellschaft und unser eigenes Leben. Gibt es einen Weg, mit den eigenen Sorgen klar zu kommen? Was schreibt Petrus dazu?
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Hinführung
Hinführung
Liebe Gemeinde
Diese Woche verkündete der russische Präsident Vladimir Putin eine Teilmobilmachung seines Landes im Ukrainekonflikt. Es sollen 300’000 Soldaten, rekrutiert aus Reservisten, frisch ausgebildet an die russisch-ukrainische-Front geschickt werden. Daneben droht Putin indirekt mit dem Einsatz nuklear-strategischer Waffen um von den von ihm zukünftig anekdierten Boden als russisches Staatsgebiet zu verteidigen. Eine völlig neue, illegitime Dimension in diesem seit März währenden Krieg auf europäischem Boden.
Ich muss sagen, liebe Gemeinde, das macht mir wirklich Sorgen und ich bekomme Angst, wenn ich mir dieses Szenario vorstelle. Doch sicherlich bin ich mit diesen Gefühlen heute morgen nicht allein.
Nicht nur die geopolitsche Situation löst in uns Sorgen aus, sondern auch in der Schweiz stehen wir vor grösseren Herausforderungen, wie z.B. den Auswirkungen der europaweiten Energiekrise. Wird es im Winter zu einer Stromunterversorgung kommen? Werden wir unsere Wohnungen genügend warm heizen können?
Zu den kontinentalen und nationalen Belastungen kommen Unsicherheiten in unserem direkten Umfeld, gerade auch hier in der Stadtmission Winterthur. Wie wird es weitergehen nach der Pensionierung von Gottfried und welche Veränderungen kommen auf die Gemeinde damit zu? Diese Liste liesse sich beliebig und individuell forsetzen.
in der heutigen Predigt wird es um den biblischen Umgang mit Sorge gehen. Wir schauen uns den Unterschied zwischen Sorgen und Leiden an anhand des 1. Petrusbriefes an. Dann überlegen wir, was uns Petrus in der aktuellen Zeit sagen will, wenn er schreibt: “All eure Sorgen werft auf den HERRn - denn er sorgt für Euch.”
1. Was sagt die Bibel über Sorgen?
1. Was sagt die Bibel über Sorgen?
Die Bibel ist ein Buch von Gott an uns Menschen. Daher finden wir in ihr Beispiele für eigentlich alle menschlichen Gefühle. Für das Thema der menschlichen Sorgen und Ängste genau so wie für Hoffnung und Zuversicht. Der aktuelle Wochenspruch in 1. Petrus 5,7 ist solch eine Stelle. In der Übersetzung von Martin Luther heisst es:
All eure Sorge werft auf ihn,
denn er sorgt für euch. (Luth) 1. Petrusbrief 5,7
Im Wortlaut der Zürcher Bibel ist es etwas anders aufgelöst:
All eure Sorge werft auf ihn, denn er kümmert sich um euch.
Mir gefällt daher die Zürcher Bibel an dieser Stelle besser, weil sie hier genauer ist. Sie bildet das Griechisch des Grundtextes in der deutschen Übersetzung exakter nach. Petrus unterscheidet in seinem Brief daher zwischen:
πᾶσαν τὴν μέριμναν ... μέλει
all eure Sorgen ... er kümmert sich
Das ist deshalb wichtig, weil die Merimna - Sorge(n) sehr belastend sein können. Wenn wir diesen Sorgen freien Raum über unsere Gedanken und unser Leben gewähren, haben sie das Potential, Krankheit zu verursachen. Depression kann durch existenzielle Sorgen ausgelöst werden. Die menschliche Seele kann viel ertragen. Doch irgendwann ist es zu viel. An anderer Stelle wird eben deshalb das Griechische Substantiv hē merimna mit dem englischen Begriff “anxiety” sprich: œŋ̩zaɪətɪ wiedergegeben, was so viel bedeutet wie Angst - im Sinne von seelischer Unruhe oder auch Beklemmung.
Dagegen das Verb melei - sich kümmern um / jmd. versorgen hat dagegen eine grundpositive Bedeutung. Überall in der Griechischen Bibel, wo also das Wort melei steht, ist hiermit die Handlung der Fürsorge gemeint. Frei übersetzt: Ihm (Gott) liegt etwas an uns!
Bei dieser Wortstudie wird klar, dass Gottes Fürsorge gegen unsere eigene von Ängsten getriebene Selbstsorge liegt.
Erinnern wir uns eben an die Schriftlesung, den Abschnitt aus der Bergpredigt, den uns Ruth Kohler vorgelesen hat: Es ist die Kardinalstelle der menschlichen Sorge.
Matthäus 6,25 (ZB 2007)
Darum sage ich (Jesus) euch: Sorgt euch nicht um euer Leben, was ihr essen werdet, noch um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?
In dieser direkten Rede von Jesus taucht wieder die Merimna-Sorge auf. Jesus drückt sich hier unmissverständlich aus: “seid nicht besorgt!” Er formuliert einen Imperativ um uns wirklich deutlich zu machen: Seid NICHT besorgt!
Das Neue Testament spricht an allen Stellen wo es ums Sich-Sorgen geht eine sehr deutliche Sprache. Der Willen Gottes ist klar:
Wir sollen uns nicht sorgen - im Sinne von: Wir sind dringend aufgefordert, unsere Sorgen auf Jesus zu werfen.
Biblisch-theologisch ist diese Aussage wahr und gilt für uns heute in genau gleicher Weise wie zur Zeit des Apostels Petrus.
Doch hilft uns dieses Wissen nun im Alltag weiter? Oder besser gesagt, ändert dieser Vers unseren Umgang mit den eigenen Sorgen?
Wir fragen nun: Wie kann ich es bewerkstelligen, meine Sorgen, Lasten und Ängste auf Gott zu werfen?
2. Die Umwelt des Neuen Testaments zur Entstehung des 1. Petrusbrief
2. Die Umwelt des Neuen Testaments zur Entstehung des 1. Petrusbrief
Um diese Fragen zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Adressaten, an die der 1. Petrusbrief gerichtet ist. Es sind eine Handvoll heidenchristlicher Gemeinden in der römischen Provinz Asia, der heutigen Türkei. Der Brief wurde um das Jahr 60 verfasst und damit genau in der Zeitspanne, in der der berüchtigte römische Kaiser Nero regierte. Wer den epochalen Film “Quo vadis?” gesehen hat, kann sich gut vorstellen, welche politischen und gesellschaftlichen Umstände zur Zeit des Petrus im Römischen Reich vorgeherrscht haben. Dieser Film von Mervin LeRoy aus dem Jahre 1951 schildert, indem er vor teils sehr gewalttätige Szenen nicht zurückschreckt , die grausame Christenverfolgung unter dem römischen Kaiser auf sehr eindrückliche Weise.
In den Leiden der frühen Kirche, längst bevor das Christentum Staatsreligion wurde, ist also der 2. Petrusbrief entstanden. Die neu entstandenen christlichen Gemeinden erleben grosses Leid. Sie erleben Anfeindungen, weil sie Christen sind. Sie fallen auf in einer Gesellschaft, die von politischer Dekadenz geprägt ist. Die Gemeinden existieren in einem sozialen Umfeld, dass ein ganzes Pantheon an römischen oder griechischen Göttern verehrt.
Von den Christen, die als Sklaven in Familien dienen, deren Hausherr nicht Christ ist, wird verlangt, sich vor dem Schutzgott der Familie zu verbeugen und diesem Attribut zu zollen. Erfolgte ein Kniefall vor dem Götzen nicht, so muss i.d.R. mit schweren Konsequenzen wie z.B. körperlicher Züchtigung bis zur Folter gerechnet werden. Wir Christen heute, wie unsere Geschwister damals wissen jedoch dass es uns streng verboten ist, anderen Gottheiten ausser dem lebendigen Gott anzubeten und ihnen zu dienen, vgl. Ex 20,3 “Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.”
Was daraus folgt, ist grosses Leid - eine enorme Last, die auf den Christen in den von Griechen geprägten, unter römischer Besatzung stehenden Gebiete Kleinasiens lastete.
Deshalb schreibt Petrus so tröstende und ermutigende Worte aus Rom. Als Seelsorger ist es ihm Anliegen, die Christen unter all dem Leid aufzubauen und sie geistig zu stärken. Er weiss sehr gut um die Leiden, denen sie ausgesetzt sind.
Leid erleben und Sich-Sorgen:
Leid erleben und Sich-Sorgen:
Grosses Leid erlebten die Gemeinden unter der Schreckensherrschaft Neros und Leid erleben wir Christen heute immer noch - wenn auch in teils veränderter Situation.
Jesus lehrt uns: wer Leid erlebt, kann hoffnungsvoll bleiben.
Mehr noch: Wem Nachteile daraus entstehen, dass er sich zu Jesus Christus bekennt, soll sich sogar freuen. Für den Leser muss dies paradox klingen.
Im Gegenteil, freut euch, dass ihr damit an den Leiden Christi teilhabt; so werdet ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit euch freuen und jubeln können.
Petrus unterscheidet in seiner Theologie also klar zwischen dem Leid und dem Sich-Sorgen:
Leid ist etwas, das dem Menschen widerfährt. Es kommt “von aussen”, wird also herangetragen. Damit ist es von den vorherrschenden Umständen abhängig - wie die z.B. die Verfolgung der christlichen Gemeinden.
Ob wir Leid erfahren, können wir nicht beeinflussen. Es geschieht an uns - ich denke da z.B. an schwere Krankheit oder wie eingangs erwähnt, an einen Krieg der grosses Leid verursacht.
Christen erlebten immer schon Leid. Es gehört dazu. Ja mehr noch, wir beten zu einem Gott, der selbst die Erfahrung des tiefsten menschlichen Leids gemacht hat.
Ein Leben mit Jesus kann Nachteile verschaffen. Doch Leid hat eine gute Seite: Es kann uns näher zu Gott bringen.
Sich-Sorgen dagegen ist immer eine Reaktion auf eine Sache. Damit ist es eine Entscheidung, die bewusst -oder unbewusst- getroffen wird.
Sorgen kommen von innen, aus unserer Seele. Sie werden, anders als beim Leid, nicht an uns heran getragen sondern sind Produkt unserer Bewertung vorhandener Tatsachen.
Sorgen haben das Potential uns zu isolieren, sodass wir uns zurückziehen ins stille Kämmerlein, i.d.R. nachts stundenlang wachliegen, Gedanken zu wälzen. Gedanken, die uns, wenn wir nicht aufpassen, wegbringen von Gott und uns krank machen können.
Gott möchte uns ins Leben führen. Das hat uns Jesus verheissen:
10* Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten. Jesus Christus spricht: “Ich bin gekommen, damit sie das Leben in Fülle haben!” Johannes 10,10 (ZB 2007)
Doch die menschliche Sorge ist exakt das Gegenteil von diesem Leben im Überfluss. Sie versklavt den Menschen und stellt ihn mutterseelenallein da. Welch armselige Kreatur - Gefangen im Geflecht der eigenen Sorgen und Ängste.
Dies ist Taktik des Widersachers Gottes. Trennung von Gott soll durch schwere Sorge erreicht werden. Dies ist finale Konsequenz der -wie wir vorher besprochen haben- Merimna-Sorge.
Theologisch ist der Sachverhalt nun dargestellt. Und doch sollten wir uns die Frage stellen, wie ein jesusgemässer Umgang mit unseren Lebenssorgen funktioniert. Beginnen wir mit dem Vorgang des Sorgen-Abwerfens. Kehren wir zurück zum Vers des Wochenspruchs:
3. Umsetzung (Lebenspraxis)
3. Umsetzung (Lebenspraxis)
All eure Sorge werft auf ihn, denn er kümmert sich um euch.
Zunächst einmal kostet es Überwindung, mich überhaupt Gott gegenüber zu öffnen und nicht meine Last in mich hinein zu fressen. Auch wenn dies uns oft als die süssere Variante erscheint.
Eine andere, mindestens so ungesunde Art im Umgang mit meinen Sorgen ist, diese einfach auszusitzen; d.h. zu warten, bis die Sorgenlast sich irgendwann einmal von selbst auflöst. Vielleicht geschieht dies tatsächlich bei gewissen Dingen. Doch würde ich mich nicht darauf verlassen und halte dies für eine schlechte Taktik.
Wenn ich mich also aufraffe um Gott meine Sorgen ehrlich mitzuteilen, dann ist ein grosser Schritt getan! Der Anfang aus der Isolation ist getan.
Seelsorgerlich stehe ich nun nicht mehr alleine der Bastion meiner Sorgen gegenüber, sondern habe mich damit bereits geöffnet. Dieser Schritt weitet den Horizont und tatsächlich gibt es Sorgen, die damit ihren Schrecken verlieren.
Es ist ganz wunderbar, Gott als Sorgentilger zu erleben.
Doch leider gibt es da eine zweite Art von Sorge, die sehr viel hartnäckiger ist. Diese oft mit wüster innerer Beklemmung verbundene Sorge führt scheinbar ein Eigenleben. Leider neigt diese hartnäckige Sorge auch dazu, sich zu verselbstständigen. Es folgt eine ganze Spirale negativer Gedanken, die uns immer mehr in die Überforderung und gefühlte Ausweglosigkeit führt.
Ich habe keine wirklich zufriedenstellende Antwort darauf, warum sich gewisse Sorgen so verhalten. Auch kann ich Euch heute morgen leider kein Patentrezept bieten, wie man endgültig seine Sorgen bei Gott deponiert, ohne dass diese überfallsmässig wiederkehren. Leider habe ich auch in der Bibel dazu keine Lösung gefunden.
Möglicherweise liegt die sehr unangenehme Wahrheit darin, dass ich nicht bereit bin, mich Gott absolut auszusetzen. Das könnte eine Ursache sein, warum meine Sorgen immer wieder kehren, selbst wenn ich sie bei Gott deponiert habe.
Dies so zu hören ist sicherlich nicht angenehm. Und es geht nicht darum, dass wir aus eigener Leistung krampfhaft versuchen, uns Gott unter zu ordnen. Vielmehr ist wichtig, dass unser Gott gnädig ist und geduldig mit uns. Er verurteilt niemanden, der sich in all seinen Lebensbereichen noch nicht vollständig ihm hingeben kann. Dazu braucht es Vetrauen in Gott-Vater. Ich selber bin da auch unterwegs. Die Bibel bezeichnet dieses vertrauensvolle Sich-Gott-Hingeben als Demut. Petrus schreibt dazu im griechischen Grundtext:
1Pet5,6 Beugt euch also demütig unter die starke Hand Gottes, damit er euch zu seiner Zeit erhöhe, <--KOMMA + V.7 … indem ihr all eure Sorgen auf ihn werft. (modal aufgelöstes Partizip)
Die Verse 6 und 7 sind syntaktisch untrennbar miteinander verwoben. So sind sie nicht durch einen Punkt getrennt sondern es steht ein Komma und die Verbindung folgt durch ein modal aufzulösendes Partizip. Im Griechischen steht also folgt Vers 7 : indem ihr all eure Sorgen auf ihn werft. Denn er kümmert sich um euch.” Das modal zu übersetzende Partizip beschreibt die Art und Weise. WIE sollen wir uns unter die starke Hand Gottes demütigen? - Indem wir all unsere Sorgen auf IHN werfen!
In dieser nun freigelegten Schicht bekommt unser Vers eine sehr viel tiefere Ausrichtung. Damit verschiebt das Ich-bezogenes Problem,meiner wiederkehrenden Sorgen hin zu einer vertrauensvollen Demutsbeziehung zu Gott-Vater. Ich bin dann nicht mehr auf mich alleine gestellt. Es weitet sich die Wahrnehmung meiner Sorgen auf meine Beziehung zu Gott. Damit sind meine Sorgen, auch wenn sie immer wiederkehren, nicht mehr lebensbestimmend für mich. Sondern ich sehe auf Gott, wie ER mit mir partnerschaftlich durch meine Sorgen geht und ich daran sogar im Vertrauen wachsen kann.
Es geht damit nicht mehr um mich und meine Sorge, sondern um Gottes Beziehung zu mir. Für ihn sind meine Sorgen kein Hinderniss. Er wird den Weg mit mir weitergehen.
Schluss
Schluss
Heute haben wir ausführlich über die Macht unserer Sorgen nachgedacht. Dabei haben wir gelernt, dass Sich-Sorgenmachen und persönlich erfahrenes Leid nicht das selbe sind. Wir haben von der guten Absicht Gottes gehört, der uns von Herzen ein Leben in innerer Freiheit gönnt. Wichtig für uns ist, dass wir uns von unseren Sorgen nicht den Weg zu Gott verbauen lassen. Sobald wir uns ihm gegenüber öffnen, ändert das etwas in uns. Damit sind wir nicht mehr allein mit unserer Not.
Eine Bitte noch: Gerade was die krankmachende Sorge betrifft, so kann es passieren, dass Du aus eigener Kraft den Ausweg nicht mehr findest. Dann hol Dir Unterstützung durch eine erfahrene christliche Seelsorgerin oder einen Therapeuten. Es ist ein Zeichen von Stärke, externe Hilfe anzunehmen.
Deshalb ist es Herzensanliegen Gottes, dass der Mensch seine Sorgen bei IHM ent-sorgt.
Gott möchte ein lebenswertes Leben für Dich. Er hat ein JA zu Dir! Amen