Kapitel 6: Zeitsprünge in der Bibel
NEUES HANDBUCH DER BIBLISCHEN PROPHETIE • Sermon • Submitted
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Zeitsprünge in der Bibel
Zeitsprünge in der Bibel
Einen großen Platz in der Bibel nimmt die prophetische Rede ein, also Aussagen Gottes über Ereignisse, die in der Zukunft stattfinden werden. Viele Vorhersagen aus dem Alten Testament sind bereits eingetroffen und können geschichtlich nachgewiesen werden. Für Christen ist die Glaubwürdigkeit solcher Vorhersagen nicht fragwürdig, sondern entspricht dem Wesen des allwissenden und allmächtigen Gottes.
Oftmals enthalten Prophetien eine Naherfüllung (die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Zeit stand, in der sie ausgesprochen wurde) und eine zweite Fernerfüllung (die in die Zukunft weist, und dort erst ihre vollständige Erfüllung findet).
Besonders bei Aussagen über zeitliche Abfolgen der Prophetie können wir das beobachten. Schauen wir uns eine Auswahl solcher Bibelstellen an und suchen den Zeitsprung innerhalb des Textes:
Jesaja 61, 1-3
„Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN und einen Tag der Rache unsres Gottes, zu trösten alle Trauernden, zu schaffen den Trauernden zu Zion, dass ihnen Schmuck statt Asche, Freudenöl statt Trauerkleid, Lobgesang statt eines betrübten Geistes gegeben werden, dass sie genannt werden Blume der Gerechtigkeit, Pflanzung des HERRN, ihm zum Preise.“
In Lukas 4, 16-21 liest Jesus in der Synagoge von Nazareth Verse aus Jesaja 61, 1 und 2[1]und legt diese anschließend aus mit den Worten: „Heute ist diese Schrift erfüllt vor euren Ohren“.
Wenn es auch zur damaligen Zeit keine solche Verseinteilung gab, wie wir sie heute kennen, so liest Jesus doch zumindest nur die erste Hälfte des Sinnabschnittes:
„Der Geist Gottes des HERRN ist auf mir, weil der HERR mich gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden gute Botschaft zu bringen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, dass sie frei und ledig sein sollen; zu verkündigen ein gnädiges Jahr des HERRN ...“
Er beendet den Satz aus Jesaja 61, 2 nicht, sondern lässt die zweite Satzhälfte einfach weg. Es fehlt die Stelle: „... und einen Tag der Rache unsres Gottes, …“.
Der Grund dafür ist, dass Jesus Christus bei seinem ersten Kommen kam, um die Gnade Gottes an sein Volk zu verkündigen und (noch) nicht, um den Tag der Rache zu erfüllen. Die zweite Hälfte des Verses passt nicht zum damaligen Dienst Jesu, er wird bei seinem zweiten Kommen erfüllt werden. Nur der erste Satzteil beschreibt den Dienst und die Aufgabe Jesu damals.
Jesus kannte die Schrift so genau, dass er seine Lesung mitten im Vers beendet. Er liest nicht einfach irgendeine Schriftstelle, sondern er weissagt aus seinem eigenen Wort und beschreibt vor den Augen und Ohren der Zuhörer, was sie sehen oder besser: sehen sollten. Die zukünftige Erfüllung der zweiten Hälfte des Verses aber lässt er aus. Es entsteht ein deutlicher Zeitsprung innerhalb des Textes:
„... zu verkündigen ein gnädiges Jahr des Herrn /Zeitsprung/ und einen Tag der Rache unsers Gottes; ...“
Ein weiteres Beispiel steht in Matthäus 10, 5-23 bzw. Lukas 10, 1-12:
„Diese Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter, sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Umsonst habt ihr's empfangen, umsonst gebt es auch. Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Kupfer in euren Gürteln haben, auch keine Reisetasche, auch nicht zwei Hemden, keine Schuhe, auch keinen Stecken. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert. Wenn ihr aber in eine Stadt oder ein Dorf geht, da erkundigt euch, ob jemand darin ist, der es wert ist; und bei dem bleibt, bis ihr weiterzieht. Wenn ihr aber in ein Haus geht, so grüßt es; und wenn es das Haus wert ist, wird euer Friede auf sie kommen. Ist es aber nicht wert, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. Und wenn euch jemand nicht aufnehmen und eure Rede nicht hören wird, so geht heraus aus diesem Hause oder dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen. Wahrlich, ich sage euch: Dem Land der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher ergehen am Tage des Gerichts als dieser Stadt. Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch den Gerichten überantworten und werden euch geißeln in ihren Synagogen. Und man wird euch vor Statthalter und Könige führen um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeugnis. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Es wird aber ein Bruder den andern dem Tod preisgeben und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören gegen ihre Eltern und werden sie töten helfen. Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig werden. Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt.“
Hier sendet Jesus seine Jünger mit dem Auftrag aus, den Menschen das Himmelreich als nahe herbeigekommen zu verkündigen. Der Herr beschreibt in Matthäus 10, 1-15 den Dienst der Jünger. Ab Vers 16 aber geht er zu Dingen über, die den Jüngern seltsamerweise damals gar nicht begegnet sind:
· dass sie in den Schulen (Synagogen) gegeißelt würden (V.17)
· dass sie vor Fürsten und Könige geführt werden um Jesu Namen willen (V.18)
· dass sie gehasst werden würden (V.22)
· dass sie Verfolgung erdulden müssten (V.23)
· dass der GEIST des Vaters durch sie reden wird (V.20)
Dieser letzte Punkt konnte zu Lebzeiten Jesu noch gar nicht möglich sein, da Gottes Geist erst nach seinem Tode ausgegossen wurde. Jesus redet hier von zukünftigen Dingen. Er erwähnt in V.23 sogar das Kommen des Menschensohnes. Von einer konkreten Situation ausgehend, spannt er den Bogen bis weit in die Zukunft und wir finden das bestätigt, was wir anfangs schon sagten, dass prophetische Reden in der Bibel eine Nah- und eine zweite Fernerfüllung haben können. Hier finden wir erneut in einer Rede des Herrn einen Zeitsprung:
„... Wahrlich ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gomorrer wird es erträglicher gehen am Jüngsten Gericht als dieser Stadt. /Zeitsprung/ Siehe ich sende euch als Schafe mitten unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben ...“[2]
Gleiches gilt für Joël 3,5:
„Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, soll errettet werden. Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den anderen übrigen, die der Herr berufen wird.“
Normalerweise hätte die Botschaft über die Errettung auf dem Berg Zion und in der Stadt Jerusalem (Joël 3,5b) sehr gut zu der Pfingstpredigt des Petrus in Apostelgeschichte 2 gepasst, denn die Geistesausgießung vor 2.000 Jahren war ja eben dort in Jerusalem geschehen. Petrus lässt aber, durch den Heiligen Geist geleitet, den zweiten Teil des Verses einfach weg. Er liest nur bis Joël 3,5a: „Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, soll errettet werden.“ Das ist auch heilsgeschichtlich richtig, denn von Pfingsten an bis in unsere Zeit gilt, dass jeder, der den Namen des Herrn Jesus Christus anruft, selig werden wird - nicht allein diejenigen, die sich in Jerusalem aufhielten oder aufhalten. Der letzte Teil des Verses („Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den anderen übrigen, die der Herr berufen wird“) wird in besonderer Weise und erst in der Zukunft seine Erfüllung finden:
„Und es soll geschehen, wer des Herrn Namen anrufen wird, soll errettet werden. /Zeitsprung/ Denn auf dem Berge Zion und zu Jerusalem wird eine Errettung sein, wie der Herr verheißen hat, auch bei den anderen übrigen, die der Herr berufen wird.“
1.1 Zusammenfassung
1.1 Zusammenfassung
Aus den hier aufgeführten Stellen kann abgeleitet werden, dass es in der Heiligen Schrift Texte gibt, die einen Zeitsprung enthalten, weil ein Teil davon schon eingetroffen ist, während ein anderer Teil erst in der Zukunft eintreffen wird. Mit dieser Aussage tritt unvermittelt ein Problem auf, das hier aber noch nicht Gegenstand unserer Betrachtungen sein soll, nämlich das des Dispensationalismus. Das ist eine Lehrmeinung, die die Phase der Gemeinde Jesu Christi als einen Einschub in den Heilsplan Gottes mit Israel versteht, während die Non-Dispensationalisten die neutestamentliche Gemeinde nicht als Einschub, sondern als Erben der Verheißungen an Israel ansehen. Die Dispensationalisten gehen also davon aus, dass Israel nach der Zeit der Gemeinde von Gott wieder angenommen wird, die Non-Dispensationalisten dagegen verneinen eine Wiederannahme Israels und erwarten gleich die Wiederkunft Jesu. Sehr vereinfacht können wir sagen, dass die Auffassung der Amtskirchen die des Non-Dispensationalismus ist, während die Auffassung der Freikirchen zumeist die des Dispensationalismus ist, obwohl mittlerweile mehrere Unterarten des Dispensationalismus unterschieden werden. Die vorliegenden Aussagen über die Zeitsprünge innerhalb biblisch-prophetischer Texte sollen nicht die eine oder die andere Ansicht untermauern, sondern sollen dazu beitragen, Gottes Wort zu verstehen und auszulegen. Deshalb wollen wir uns mit der Frage des Dispensationalismus jetzt nicht weiter auseinandersetzen. Das Wissen über die Existenz von Zeitsprüngen in der Bibel hilft uns aber beim Verstehen weiterer Schriftstellen. Deshalb werden wir jetzt vertieft in einen biblischen Text einsteigen, der zwar recht bekannt ist, dennoch aber ein paar ungelüftete Geheimnisse enthält.
[1] vgl. Anmerkung 1) der Scofield-Bibel
[2] Matthäus 10, 15+16