Kapitel 9: Das Standbild Nebukadnezars (eine andere Sicht)

NEUES HANDBUCH DER BIBLISCHEN PROPHETIE  •  Sermon  •  Submitted
0 ratings
· 1,057 views
Notes
Transcript

Das Standbild Nebukadnezars (eine andere Sicht)

In diesem Kapitel wird gezeigt, dass das Buch Daniel an keiner Stelle das Römische Reich erwähnt. Die Deutung der beiden eisernen Beine des Standbildes Nebukadnezars auf das Römische Reich ist reine Interpretation des Bibeltextes, aber keine Auslegung. Daniel schreibt nicht von zwei Beinen, sondern von vier Schenkeln. Die vier Schenkel sind die vier Diadochen-Könige, die auf Alexander den Großen folgten. Die Zehen des Standbildes symbolisieren die Dekapolis bzw. deren endzeitliche Neuauflage.
Beschäftigen wir uns nun mit der Prophetie Daniels. Zunächst scheint es so, als ob das Buch Daniel nichts mit der Wiedergeburt Jerusalems zu tun hätte. Später aber wird noch deutlich werden, dass beide Linien zusammenlaufen. Insbesondere werden hier der 1. und 2. Thessalonicher-Brief von Interesse sein, denn erstaunlicherweise wird Paulus dort beide Themenkreise zusammenführen.
Zum Buch Daniel sind sehr viele Auslegungen angefertigt worden. Daher gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich über Aufbau, Struktur, historischen Hintergrund und Inhalt des Buches anderweitig Informationen zu beschaffen. Das eröffnet uns die Möglichkeit, ohne große Umschweife zum Kern des Themas zu kommen: So gut wie alle Ausleger deuten die beiden eisernen Beine des Standbildes, das Nebukadnezar im Traum sieht, auf Ost- und Westrom. Das ist falsch und widerspricht dem Bibeltext. Denn das Römische Reich wird in Daniel nirgends erwähnt. Das Buch Daniel bietet keinen einzigen textbezogenen Grund, die beiden Beine des Standbildes auf das Römische Reich zu deuten. Diese Art der Auslegung beruht - so erstaunlich dies klingt - auf Interpretation, Überlieferung und z. T. auf falschen Annahmen. Dennoch deutet die gesamte, dem Verfasser bekannte, christliche und jüdische Literatur die beiden Beine des Standbildes auf Rom. Die Wuppertaler Studienbibel schreibt in ihren Erläuterungen zum Buch Daniel Folgendes[1]:
„Das „vierte Königreich“ ist Rom. So hat Jesus gedeutet, so deutete der Jude Josephus, so deutete die ganze Kirche bis zum Beginn der Neuzeit, auch Luther und Calvin. Dies allein entspricht auch dem tatsächlichen Geschichtsverlauf. Rom stimmt mit Dan. 2, 40-43 am besten zusammen. Zu Roms militärischer Entschlossenheit und Unbeugsamkeit passen „Eisen“ und „Härte“ vorzüglich. Die allmähliche, unaufhaltsame Ausbreitung, das Knicken jeden Wiederstandes beschreibt V. 40 ausgezeichnet. Nicht weniger gut passen V. 41 – 43 auf die Nachfolgestaaten des römischen Weltreiches. Sie sind zahlreich und vielfältig, wie die Zehen des Bildes. Sie haben die wechselvolle und in der Machtentfaltung schwankende Geschichte, die hier beschrieben wird. Sie sind trotz aller Freundschaft geprägt von der gemeinsamen Herkunft und Verwandtschaft, von gemeinsamer Kultur und Rechtstradition. Sie koalieren und fallen auseinander. Ja, sie sind Ergebnis einer Völkermischung und doch keine kulturell oder politisch dauerhafte Einheit. Man denke an Italien, Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Portugal, Holland, Rumänien, später die Vereinigten Staaten und (als Nachfolger Ostroms) Russland. Bis heute beherrscht diese politisch auf Rom zurückgehende europäisch-nordatlantische Staatenwelt die Geschichte und Zivilisation der Erde.“
Das ist die übliche und am weitesten verbreitete Deutungsart Daniels. Sie soll am Ende des vorliegenden Buches nochmals gesondert kommentiert werden.
Die vorliegende Auslegung hingegen weicht bewusst hiervon ab und deutet die eisernen Schenkel auf die Diadochen-Könige sowie die Zehen des Standbildes auf die Dekapolis. Außerdem liefert sie eine Erklärung für die beiden Füße des Standbildes, die in der bisherigen Deutung nicht berücksichtigt wurden, und sie stellt einen bislang unbekannten Bezug zur Offenbarung her. Sie orientiert sich nicht an der allgemein üblichen historischen Sicht der Abfolge der Weltreiche von Babylon bis Rom und damit an Überlieferungen, sondern am Bibeltext selbst sowie (ergänzend) nach aktuellen theologischen Erkenntnissen sowie wissenschaftlichen, archäologischen und historischen Ergänzungen, soweit dies zum Verständnis hilfreich ist.
Die hier vertretene Sicht wurde bewusst einfach formuliert, damit der Leser die Ergebnisse im Buch Daniel selbst nachvollziehen kann. Der Einfluss dieser Art der Auslegung des Standbildes im Propheten Daniel auf die Auslegung auch anderer zentraler prophetischer Texte der Bibel ist weitreichend.

1.1 Thesen

· Im Buch Daniel wird das Römische Reich NIRGENDS erwähnt
· Die beiden Beine des Standbildes sind vier Schenkel
· Die vier eisernen Schenkel des Standbildes in Dan. 2 symbolisieren nicht das Römische Reich (Ost- und Westrom), sondern die historischen Diadochen (Seleukus, Ptolemäus, Kassander und Lysimachus)
· Die zehn Zehen des Standbildes symbolisieren das Wiedererstehen der historischen Dekapolis in der Endzeit
· Die beiden Füße des Standbildes erfüllen sich durch die Wiederholung von zwei der vier historischen Diadochenreiche: den Seleukiden und den Ptolemäern in der Endzeit
· Daniel führt seine Prophetie von Babylon über Medo-Persien zu Alexander dem Großen und den Diadochen-Königen. Von dort springt er - ohne Rom auch nur zu erwähnen - zu einer endzeitlichen, politischen Struktur, die der historischen der Seleukiden und Ptolemäer stark ähnelt
Diese Thesen werden im Folgenden argumentiert und teilweise erweitert.

1.2 Das Standbild

Zu Beginn soll der Bibeltext selbst stehen. Wir werden gleich noch sehen, dass viele Auslegungen und Ausleger den Text der Bibel verlassen und sich bei der Auslegung auf außerbiblische Quellen stützen. Dies verfälscht die biblische Botschaft und führt zu falschen Ergebnissen. Die vorliegende Arbeit will aber zum Text der Bibel hinführen. Deshalb sei der Text hier abgedruckt. Ihn gilt es zu beachten.
Dan. 2, 1 ff.:
„1 Im zweiten Jahr seiner Herrschaft hatte Nebukadnezar einen Traum, über den er so erschrak, dass er aufwachte. 2 Und der König ließ alle Zeichendeuter und Weisen und Zauberer und Wahrsager zusammenrufen, dass sie ihm seinen Traum sagen sollten. Und sie kamen und traten vor den König. 3 Und der König sprach zu ihnen: Ich hab einen Traum gehabt; der hat mich erschreckt, und ich wollte gerne wissen, was es mit dem Traum gewesen ist. 4 Da sprachen die Wahrsager zum König auf Aramäisch: Der König lebe ewig! Sage deinen Knechten den Traum, so wollen wir ihn deuten. 5 Der König antwortete und sprach zu den Wahrsagern: Mein Wort ist deutlich genug. Werdet ihr mir nun den Traum nicht kundtun und deuten, so sollt ihr in Stücke gehauen und eure Häuser sollen zu Schutthaufen gemacht werden. 6 Werdet ihr mir aber den Traum kundtun und deuten, so sollt ihr Geschenke, Gaben und große Ehre von mir empfangen. Darum sagt mir den Traum und seine Deutung. 7 Sie antworteten noch einmal und sprachen: Der König sage seinen Knechten den Traum, so wollen wir ihn deuten. 8 Der König antwortete und sprach: Wahrlich, ich merke, dass ihr Zeit gewinnen wollt, weil ihr seht, dass mein Wort deutlich genug ist. 9 Aber werdet ihr mir den Traum nicht sagen, so ergeht ein Urteil über euch alle, weil ihr euch vorgenommen habt, Lug und Trug vor mir zu reden, bis die Zeiten sich ändern. Darum sagt mir den Traum; so kann ich merken, dass ihr auch die Deutung trefft. 10 Da antworteten die Wahrsager vor dem König und sprachen zu ihm: Es ist kein Mensch auf Erden, der sagen könnte, was der König fordert. Ebenso gibt es auch keinen König, wie groß oder mächtig er sei, der solches von irgendeinem Zeichendeuter, Weisen oder Wahrsager fordern würde. 11 Denn was der König fordert, ist zu hoch, und es gibt auch sonst niemand, der es vor dem König sagen könnte, ausgenommen die Götter, die nicht bei den Menschen wohnen. 12 Da wurde der König sehr zornig und befahl, alle Weisen von Babel umzubringen. 13 Und das Urteil ging aus, dass man die Weisen töten sollte. Auch Daniel und seine Gefährten suchte man, um sie zu töten. 14 Da wandte sich Daniel klug und verständig an Arjoch, den Obersten der Leibwache des Königs, der auszog, um die Weisen von Babel zu töten. 15 Und er fing an und sprach zu Arjoch, dem der König Vollmacht gegeben hatte: Warum ist ein so strenges Urteil vom König ergangen? Und Arjoch teilte es Daniel mit. 16 Da ging Daniel hinein und bat den König, ihm eine Frist zu geben, damit er die Deutung dem König sagen könne. 17 Und Daniel ging heim und teilte es seinen Gefährten Hananja, Mischaël und Asarja mit, 18 damit sie den Gott des Himmels um Gnade bäten wegen dieses Geheimnisses und Daniel und seine Gefährten nicht samt den andern Weisen von Babel umkämen. 19 Da wurde Daniel dies Geheimnis durch ein Gesicht in der Nacht offenbart. Und Daniel lobte den Gott des Himmels, 20 fing an und sprach: Gelobet sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn ihm gehören Weisheit und Stärke! 21 Er ändert Zeit und Stunde; er setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand, 22 er offenbart, was tief und verborgen ist; er weiß, was in der Finsternis liegt, denn bei ihm ist lauter Licht. 23 Ich danke dir und lobe dich, Gott meiner Väter, dass du mir Weisheit und Stärke verliehen und jetzt offenbart hast, was wir von dir erbeten haben; denn du hast uns des Königs Sache offenbart. 24 Da ging Daniel hinein zu Arjoch, der vom König Befehl hatte, die Weisen von Babel umzubringen, und sprach zu ihm: Du sollst die Weisen von Babel nicht umbringen, sondern führe mich hinein zum König, ich will dem König die Deutung sagen. 25 Arjoch brachte Daniel eilends hinein vor den König und sprach zu ihm: Ich habe einen Mann gefunden unter den Gefangenen aus Juda, der dem König die Deutung sagen kann. 26 Der König antwortete und sprach zu Daniel, den sie Beltschazar nannten: Bist du es, der mir den Traum, den ich gesehen habe, und seine Deutung kundtun kann? 27 Daniel fing an vor dem König und sprach: Das Geheimnis, nach dem der König fragt, vermögen die Weisen, Gelehrten, Zeichendeuter und Wahrsager dem König nicht zu sagen. 28 Aber es ist ein Gott im Himmel, der kann Geheimnisse offenbaren. Der hat dem König Nebukadnezar kundgetan, was in künftigen Zeiten geschehen soll. Mit deinem Traum und deinen Gesichten, als du schliefst, verhielt es sich so: 29 Du, König, dachtest auf deinem Bett, was dereinst geschehen würde; und der, der Geheimnisse offenbart, hat dir kundgetan, was geschehen wird. 30 Mir aber ist dies Geheimnis offenbart worden, nicht als wäre meine Weisheit größer als die Weisheit aller, die da leben, sondern damit dem König die Deutung kundwürde und du deines Herzens Gedanken erführest. 31 Du, König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. 32 Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, 33 seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton. 34 Das sahst du, bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. 35 Da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf der Sommertenne, und der Wind verwehte sie, dass man sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, sodass er die ganze Welt füllte. 36 Das ist der Traum. Nun wollen wir die Deutung vor dem König sagen. 37 Du, König, bist ein König aller Könige, dem der Gott des Himmels Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hat 38 und dem er alle Länder, in denen Leute wohnen, dazu die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel in die Hände gegeben und dem er über alles Gewalt verliehen hat. Du bist das goldene Haupt. 39 Nach dir wird ein anderes Königreich aufkommen, geringer als deines, danach das dritte Königreich, das aus Kupfer ist und über alle Länder herrschen wird. 40 Und das vierte wird hart sein wie Eisen; denn wie Eisen alles zermalmt und zerschlägt, ja, wie Eisen alles zerbricht, so wird es auch alles zermalmen und zerbrechen. 41 Dass du aber die Füße und Zehen teils von Ton und teils von Eisen gesehen hast, bedeutet: Das wird ein zerteiltes Königreich sein; doch wird etwas von des Eisens Härte darin bleiben, wie du ja gesehen hast Eisen mit Ton vermengt. 42 Und dass die Zehen an seinen Füßen teils von Eisen und teils von Ton sind, bedeutet: Zum Teil wird's ein starkes und zum Teil ein schwaches Reich sein. 43 Und dass du gesehen hast Eisen mit Ton vermengt, bedeutet: Sie werden sich zwar durch Heiraten miteinander vermischen, aber sie werden doch nicht aneinander festhalten, so wie sich Eisen mit Ton nicht mengen lässt. 44 Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben, 45 wie du ja gesehen hast, dass ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte. So hat der große Gott dem König kundgetan, was dereinst geschehen wird. Der Traum ist zuverlässig und die Deutung ist richtig. 46 Da fiel der König Nebukadnezar auf sein Angesicht und warf sich nieder vor Daniel und befahl, man sollte ihm Speisopfer und Räucheropfer darbringen. 47 Und der König antwortete Daniel und sprach: Es ist kein Zweifel, euer Gott ist ein Gott über alle Götter und ein Herr über alle Könige, der Geheimnisse offenbaren kann, wie du dies Geheimnis hast offenbaren können. 48 Und der König erhöhte Daniel und gab ihm große und viele Geschenke und machte ihn zum Fürsten über das ganze Land Babel und setzte ihn zum Obersten über alle Weisen in Babel. 49 Und Daniel bat den König, über die einzelnen Bezirke im Lande Babel Schadrach, Meschach und Abed-Nego zu setzen. Daniel aber blieb am Hof des Königs.“

1.3 Das Standbild fällt

So, wie hier abgebildet, wird im Allgemeinen das Standbild Nebukadnezars erklärt. Das goldene Haupt steht symbolisch für Babylon. Die silberne Brust und die beiden Arme symbolisieren das Doppelreich Medo-Persien. Der Bauch und die Seiten aus Bronze stehen angeblich für Griechenland. Die zwei Beine sollen Ost- und West-Rom symbolisieren. Die zehn Zehen sollen zehn moderne, europäische Staaten darstellen, die in unserer Zeit angeblich wieder auftreten oder bereits aufgetreten sind. Aber die Deutung der Zehen auf Europa ist problematisch, denn die Zahl der Mitgliedstaaten der EU ist mittlerweile auf 27 angestiegen, was diese Art der Auslegung zunehmend als unhaltbar deklassiert. Manche, die dennoch unbeirrbar an der traditionellen Auslegung festhalten, erwarten ein Auseinanderbrechen der EU, sodass doch noch ein Bund aus 10 Staaten entstehen könnte. Andere entwickeln neue Theorien, weil sie sich der sich ständig wandelnden Weltgeschichte immer aufs Neue anpassen müssen: Sie vermuten die zehn Zehen z. B. in 10 Staatenblöcken, die eine Weltregierung bilden sollen. Dabei werden die EU, die OPEC, die Contadora-Staaten[2], zentralafrikanische Staaten, die UNO, usw. bemüht und so verliert man sich immer tiefer in Vermutungen und Spekulationen, während man sich vom Bibeltext mehr und mehr entfernt. Die immer aufs Neue angepassten und korrigierten Interpretationen ermüden und verunsichern die Zuhörer und machen sie unempfänglich für echte biblische Botschaft. Es erinnert ein wenig an die Fabel, in der einige Schafe einer Herde aus Übermut immer wieder riefen: „Der Wolf kommt, der Wolf kommt.“ Anfangs erschreckte sich die Herde, bis sie sich schließlich an den dummen Scherz gewöhnte und ihn nicht mehr ernst nahm. Als dann der Wolf tatsächlich kam, hörte keines der Schafe mehr auf die Warnung.

1.3.1 Rom

Aber zurück zum Standbild. Die bisherige, allgemein anerkannte Reihenfolge der Weltreiche in Daniel ist diese:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Griechenland zwei Beine: Ost- und West-Rom zehn Zehen: Europa
Bei dieser Art der Deutung zweier eiserner Beine auf das Römische Reich ergibt sich neben dem bereits genannten ein weiteres Problem, denn ausnahmslos alle im Standbild erwähnten Weltreiche lagen im Nahen Osten. Das Römische Reich aber lag 2.500 km westlich.
Schauen wir uns das im Detail an. Der Schwerpunkt des babylonischen Weltreichs lag im Vorderen Orient, gleiches gilt für Medo-Persien. Das Reich Alexanders des Großen lag ebenfalls im Vorderen Orient, aber das Römische Weltreich lag in Europa, 2.500 km westlich.
Wenn die beiden eisernen Beine des Standbildes auf das Römische Reich gedeutet werden, werden in dieser Art der Auslegung die Beine gleichsam 2.500 km nach Westen verscho­ben, während Kopf und Rumpf im Vorderen Orient verortet sind. Dann aber kann das Standbild nicht stehen. Es fällt um! Die beiden Beine müssen also in den Vorderen Orient „zurückgeschoben“ werden. Natürlich ist das ein schlichtes Bild für einen komplizierten Sachverhalt, aber es veranschaulicht sehr gut das, was in den gängigen Deutungen falsch gemacht wird. Es ist also gar nicht so sicher, dass die beiden Beine für Rom stehen. Wir werden gleich noch weitere Gründe hierfür finden. Unsere Liste der Weltreiche sieht nun so aus:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Griechenland zwei Beine: ??? zehn Zehen: Europa

1.3.2 Griechenland

Die allermeisten Ausleger deuten Bauch und Seiten aus Bronze auf Griechenland. Das stimmt aber so nicht ganz. Genau gesagt ist es das Reich Alexanders des Großen. Er wird in Daniel 8, 21 als der „König von Griechenland“ bezeichnet. Aber sein Reich war sehr viel größer als das Staatsgebiet Griechenlands, denn der griechische König Alexander der Große hatte ein Reich erobert, das bis an den Indus reichte. Wahrscheinlich ist es sprachlicher Ungenauigkeit anzulasten, wenn hier verkürzend und damit verfälschend lediglich von Griechenland gesprochen wird. Tatsächlich handelt es sich laut Bibeltext um „das Reich des Königs von Griechenland“. Deshalb müssen wir unsere Liste erneut ändern:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Alexander der Große zwei Beine: ??? zehn Zehen: Europa

1.3.3 Europa

Oben haben wir festgestellt, dass die beiden Beine nicht Ost- und Westrom sein können. Wenn aber die beiden Beine nicht für Rom stehen, dann können die zehn Zehen auch nicht Europa symbolisieren. Und das wiederum führt dann zu folgender, erneut abgeänderter Liste:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Alexander der Große zwei Beine: ??? zehn Zehen: ???
Wir sehen also, dass bei näherer Betrachtung die uns bekannte Liste der Weltreiche ziemlich gelitten hat. Außer Babylon und Medo-Persien konnte keine Position aufrechterhalten bleiben. Die Bedeutung von Bauch, Beinen, Füßen und Zehen werden also noch zu erarbeiten sein.

1.4 Rom wird nicht erwähnt

Oben haben wir in aller Kürze anhand des Standbildes dargestellt, dass die beiden Beine nicht Rom sein können, weil das Standbild sonst umfällt. Natürlich ist das nur ein Bild, und manchem wird diese Art der Begründung nicht ausreichen. Aber es gibt weitere, sehr starke Gründe für diese Sicht. Denn trotz der weit verbreiteten Interpretation von zwei eisernen Beinen auf das Römische Reich bleibt eines ganz klar zu konstatieren: Im ganzen Buch Daniel wird das Römische Reich nicht ein einziges Mal erwähnt. Auslegungen, die die Beine auf das Römische Reich deuten, können sich auf keine einzige Stelle im Text des Propheten Daniel berufen. Das ist zunächst einmal der rein textliche Befund, der später noch genauer nachgewiesen werden wird. Rom wird im Propheten Daniel nicht nur nicht genannt, sondern nicht einmal umschrieben. Dieser Tatbestand ist nun durchaus imstande, der bisher üblichen Deutung des Standbildes jeglichen Boden zu entziehen!
Manche Ausleger begründen ihre Sicht mit dem Hinweis, dass Rom schon im 1. Jahrhundert n. Chr. allgemein für die Bedeutung der beiden Beine akzeptiert war. Diese Begründung stützt sich damit aber auf die jüdische und urchristliche Überlieferung und damit auf eine außerbiblische Quelle, frei nach dem Motto: Das wurde schon immer so gemacht.
Die Auslegung der beiden Beine auf Rom hat also lange Tradition und in Ermangelung einer besseren Lösung wird sie bis heute allgemein repetiert. Der Hinweis auf die Auslegungstradition zeigt deutlich, dass den Auslegern offensichtlich keine andere Quelle zur Verfügung steht, insbesondere keine aus dem Propheten Daniel, andernfalls würden sie die doch sicherlich benennen können. Warum aber hält sich diese Art der Deutung im Christentum und im Judentum so hartnäckig? Einer der Gründe ist der, dass nach allgemeiner Auffassung auf Alexander den Großen das Römische Weltreich folgte. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber dennoch stark vereinfacht und gilt ganz besonders nicht für die danielische Prophetie. Denn nach Alexander dem Großen folgte erst einmal die Herrschaftsperiode seiner vier Generäle, der Diadochen-Könige. Deren Herrschaft begann ungefähr um das Jahr 322 v. Chr. mit den Ptolemäern und endete 64/63 v. Chr. (die Reste des Seleukidenreichs in Syrien wurden zur römischen Provinz) bzw. 30 v. Chr. (Ägypten wurde römische Provinz). Daniel beendet aber seine Prophetie zeitlich schon im Jahr 168 v. Chr. mit dem Tag von Eleusis (s.u.). Das muss jetzt allerdings exakt argumentiert werden und dazu zählen wir im folgenden Kapitel diejenigen Weltreiche auf, die tatsächlich im Propheten Daniel erwähnt werden.

1.5 Welche Reiche erwähnt Daniel?

Für das Verständnis des Propheten Daniel ist es zunächst wichtig festzustellen, welche Weltreiche oder welche Herrscher dort überhaupt Erwähnung finden. Auch hierzu erstellen wir eine Liste:
Namentlich erwähnt werden:
· Babylon
· Medien, Persien, Medo-Persien
· der König von Griechenland (Alexander der Große)
Inhaltlich werden erwähnt:
· Die Diadochen, speziell die Seleukiden und die Ptolemäer (nicht namentlich, aber in größter Detailliertheit und Genauigkeit in Daniel 11 und 12)
Außerdem werden – allerdings in untergeordneter Bedeutung und nicht in Zusammenhang mit dem Standbild – folgende Reiche wörtlich erwähnt:
· Kittim, das ist Zypern (Dan. 11, 30)
· Edom, Moab und Ammon (Dan. 11, 41)
· Ägypten, Libyen, Kush[3](Dan. 11, 43)
Außerdem werden in Dan. 11, 18 Lucius Cornelius Scipio Asiaticus[4] und in Dan. 11, 30 Gaius Popillius Laenas[5] erwähnt, allerdings indirekt und ohne namentliche Nennung. Manche Ausleger führen diese beiden Verse an, um ihre Deutung der beiden Beine auf Rom zu begründen. Allerdings handelt es sich hier lediglich um Feldherren bzw. hohe Regierungsmitglieder Roms, die allerdings auch nur insoweit Erwähnung finden, wie sie Einfluss auf die Geschicke der Diadochen, nämlich hier der Seleukiden, haben und mehr nicht. Andere (Welt-)Reiche werden in Daniel nichterwähnt. Wenn aber das Römische Reich weder erwähnt noch umschrieben wird, warum legen dennoch fast alle die beiden Beine des Standbildes auf Rom aus? Der Grund hierfür liegt darin, dass die Ausleger das Zeitalter der Diadochen überspringen und gleich zum Römischen Reich übergehen. Sie verlassen damit aber den Bibeltext, verkürzen die Geschichte um das Zeitalter der Diadochen und folgen stattdessen der Sicht der Historiker und der Tradition. Es drängt sich der Eindruck auf, als ob man eigentlich ganz froh ist, dass die beiden Beine offensichtlich so leicht auf Ost- und Westrom zu deuten sind. Der Text im Propheten Daniel (und darum geht es uns ja in erster Linie) konzentriert sich aber auf eine ganz andere Epoche. Er führt seine Prophetie nicht nach Rom, sondern zu den Diadochen und schließlich zu den Seleukiden, bzw. genauer: zu Antiochus IV. Epiphanes in Kapitel 11[6]. Dort endet Daniel. Er führt seine prophetische Sicht nicht weiter bis ins Römische Reich. Er erwähnt Rom nicht einmal mehr. Sogar die seleukidischen Nachfolger von Antiochus IV. Epiphanes lässt Daniel aus. Laut Daniel ist die Abfolge der Weltreiche wie folgt:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Alexander der Große zwei Beine: die Diadochen (Seleukiden u. Ptolemäer) zehn Zehen: ???
Wir sehen später, dass es sich bei genauer Betrachtung gar nicht um zwei Beine, sondern um vier Schenkel handelt. Aber dazu später mehr.
Natürlich handeln die Evangelien und große Teile des Neuen Testaments zur Zeit des Römischen Reichs. Daniel selbst erwähnt dieses Römische Reich aber dennoch nicht, obwohl Rom bereits zur Zeit Antiochus III. im Jahr 188 v. Chr. stark genug war, ihn weitgehend zu entwaffnen und zu hohen Reparationszahlungen zu verpflichten[7]. Es gäbe also durchaus Gründe für Daniel, Rom als politische Großmacht zu erwähnen. Aber er zeigt durch die hartnäckige Auslassung Roms deutlich, dass seine Sicht nicht auf das Römische Reich fokussiert, sondern auf die Diadochen-Könige und deren Dynastien[8], die in aller epischer Breite in Daniel 11 aufgezählt und in größter Detailtreue vorhergesagt werden.
Daniel 8 beispielsweise belegt das sehr deutlich, denn dieses Kapitel zeichnet eine durchgängige Linie von Alexander dem Großen über die Diadochen und die Seleukiden bis zum Kleinen Horn, dem Antichristen; also bis in die Endzeit, ohne Rom auch nur zu streifen:
„1 Im dritten Jahr der Herrschaft des Königs Belsazar erschien mir, Daniel, ein Gesicht, nach jenem, das mir zuerst erschienen war. 2 Ich hatte ein Gesicht und während meines Gesichtes war ich in der Festung Susa im Lande Elam am Fluss Ulai. 3 Und ich hob meine Augen auf und sah, und siehe, ein Widder [Medo-Persien] stand vor dem Fluss, der hatte zwei hohe Hörner [Medien und Persien], doch eins [Persien] höher als das andere [Medien], und das höhere [Persien]war später hervorgewachsen. 4 Ich sah, dass der Widder mit den Hörnern stieß nach Westen, nach Norden und nach Süden hin. Und kein Tier konnte vor ihm bestehen und vor seiner Gewalt errettet werden, sondern er tat, was er wollte, und wurde groß. 5 Und indem ich darauf Acht hatte, siehe, da kam ein Ziegenbock [der König von Griechenland, vgl. Vers 21] vom Westen her über die ganze Erde, ohne den Boden zu berühren, und der Bock [der König von Griechenland] hatte ein ansehnliches Horn [Alexander der Große] zwischen seinen Augen. 6 Und er kam bis zu dem Widder [Medo-Persien], der zwei Hörner [Medien und Persien]hatte, den ich vor dem Fluss stehen sah, und er lief in gewaltigem Zorn auf ihn zu. 7 Und ich sah, dass er nahe an den Widder herankam, und voller Grimm stieß er den Widder und zerbrach ihm seine beiden Hörner. Und der Widder hatte keine Kraft, dass er vor ihm hätte bestehen können, sondern der Bock warf ihn zu Boden und zertrat ihn, und niemand konnte den Widder von seiner Gewalt erretten. 8 Und der Ziegenbock wurde sehr groß. Und als er am stärksten geworden war, zerbrach das große Horn[Alexander der Große], und es wuchsen an seiner Stelle vier andere Hörner [die 4 Generäle Alexanders, die als seine Nachfolger nach seinem Tod aus seinem Reich die Diadochen-Reiche gründeten] nach den vier Winden des Himmels hin. 9 Und aus einem von ihnen [aus dem Horn der Seleukiden] wuchs[9]ein kleines Horn [der Antichrist]; das wurde sehr groß nach Süden [nach Ägypten], nach Osten [bis an den Indus] und nach dem herrlichen Land [nach Israel] hin. 10 Und es wuchs[10]bis an das Heer des Himmels und warf einige von dem Heer und von den Sternen zur Erde und zertrat sie. 11 Ja, es wuchs bis zum Fürsten des Heeres [Christus] und nahm ihm das tägliche Opfer weg [bei der Eroberung Jerusalems] und verwüstete die Wohnung seines Heiligtums [Jerusalem, der „Tempel“]. 12 Und es wurde Frevel an dem täglichen Opfer verübt [er tötet die beiden Zeugen in Jerusalem, im „Tempel“], und das Horn warf die Wahrheit zu Boden. Und was es tat, gelang ihm. [vgl.: Dan. 11, 36][11] 13 Ich hörte aber einen Heiligen reden, und ein anderer Heiliger sprach zu dem, der da redete: Wie lange gilt dies Gesicht vom täglichen Opfer[in Jerusalem] und vom verwüstenden Frevel [in Jerusalem] und vom Heiligtum, das zertreten wird? [die kultische Verunreinigung der Stadt][12] 14 Und er antwortete mir: Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen vergangen sind; Dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden. …“
Dieses Gesicht ist sehr wichtig, um die vorliegende Argumentation weiter zu belegen und zu bekräftigen: Daniel weissagt von einem Ziegenbock, der gegen einen Widder ankämpft. Der Ziegenbock, so sagt der Text in Vers 21, ist der König von Griechenland. Das große Horn ist der erste König: Alexander der Große. Denn das große Horn des Ziegenbocks (Alexander) zerbricht und stattdessen wachsen vier kleinere Hörner (die Diadochen). Aus einem der vier Hörner (nämlich aus dem der Seleukiden) wächst dann das Kleine Horn, das am Ende der Zeit aufkommt und dem gelingen wird, was es will, denn es wird Ägypten erobern. Es wird das tägliche Opfer wegnehmen und Gottes Heiligtum (Jerusalem) verwüsten. Die Weissagung in Dan. 8 geht also tatsächlich lückenlos (!) von Alexander dem Großen über die Diadochen zu dem Kleinen Horn (Dan. 8, 25) bis zur Wiederkunft Jesu. Rom wird hier, wie schon gesagt, überhaupt nicht erwähnt. Und eben das gilt es bei der Auslegung Daniels unbedingt zu beachten. Daniel zeigt in Kap. 8 also geradezu auffällig deutlich, dass auf Alexander den Großen die Diadochen folgen und nicht das Römische Reich. Eine Vorerfüllung der Prophetie von Dan. 8 geschah durch den historischen Antiochus IV. Epiphanes. Die vollständige Erfüllung dieses Gesichts aber war lange verborgen und es war von Daniel aus gesehen auch noch eine lange Zeit bis zu seiner Enderfüllung (Dan. 8, 26). Denn zu der Zeit, wenn dies alles geschieht, wird das Heiligtum wieder geweiht (V. 14) und das kleine Horn wird ohne Hände zerbrochen werden (V. 25). Dieses Gesicht reicht also zeitlich bis in die letzte Endzeit und bis zur Wiederkunft Jesu Christi, ohne dass Rom hierin eine Rolle spielt. Im Gegenteil: Es wird eine Wiederholung Griechenlands vorhergesagt. Dan. 8, 22 f.:
„22 Daß aber vier an seiner [Alexanders des Großen] Statt standen, da es zerbrochen war, bedeutet, daß vier Königreiche [Diadochen] aus dem Volk entstehen werden, aber nicht so mächtig, wie er war. 23 In der letzten (!) Zeit ihres (!) Königreiches, wenn die Übertreter überhandnehmen, wird aufkommen ein frecher und tückischer König.“
Aus Dan. 8 und insbesondere aus Dan. 11 (wie wir noch sehen werden) kann eindeutig geschlossen werden, dass der Endzeit-König, der Antichrist, ein Neo-Seleukide sein wird und eben kein Römer. Man müsste Rom geradezu in den Text hineinzwängen, wollte man den Text in Richtung Rom und Europa deuten.

1.6 Die Auslegung auf Rom ist falsch

Der Grund und gleichzeitige Fehler, warum man überhaupt auf die Idee kommt, Rom für die beiden Beine einzusetzen ist der, dass man nicht mehr dem Text des Propheten Daniel, sondern in unzulässiger Weise der Tradition folgt. Man argumentiert hier, dass es zur Zeit des Apostels Johannes, als dem Autor der Offenbarung, im 1. Jhdt. n. Chr. eindeutig gewesen wäre, dass mit den beiden Beinen Ost- und Westrom gemeint sei. Diese Begründung stammt aber ebenfalls nicht aus der Bibel oder aus Daniel, sondern ist lediglich Überlieferung. Das ist ein nicht zu unterschätzender Schwachpunkt in der Argumentation der Ausleger. Ich möchte noch weitergehen: Diese Art der Auslegung oder eigentlich der „Spekulation“ über prophetische Aussagen schadet der Bibel, weil sie sich auf außerbiblische Quellen gründet, zu vielen unbiblischen Schlussfolgerung und falschen Ergebnissen führt und ständig nachgebessert werden musste und muss. Die Fehlinterpretationen (und mehr als Interpretation ist es nicht) auf Rom oder das Römische Reich ist für die Auslegung Daniels fatal und ein in seiner Tragweite auch für die Auslegung anderer Bibeltexte nicht zu unterschätzender Fehler. Wenden wir uns also jetzt von Rom ab und den Diadochen zu. Wer genau waren die Diadochen? Woher stammten sie und was ist aus ihnen geworden? Gibt es vielleicht weitere Hinweise auf sie im Standbild, die bislang unberücksichtigt geblieben sind?

1.7 Die Herkunft der Diadochen-Könige

Alexander der Große starb im Jahr 323 v. Chr. und hatte keine Erben. Er hatte eine persische Prinzessin geheiratet, die von ihm schwanger war. Nach Alexanders Tod gebar sie einen Sohn[13], war aber nicht in der Lage, sein Reich zusammenzuhalten und weiter zu regieren. Sie musste fliehen und wurde später mit ihrem Kind ermordet[14]. Nach Alexanders Tod teilten zunächst fünf, später dann vier seiner Generäle sein Reich unter sich auf.
Diese vier Generäle waren die sogenannten Diadochen[15]:
· Lysimachus
· Kassander
· Ptolemäus
· Seleukus
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Abbildung 1 - Captain_Blood - Eigenes Werk; Kingdoms of the Diadochi in 301 BC and 200 BC. Historical Atlas by William R. Shepherd, 1911. Courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin. CC BY - SA 3.0
Dan. 11, 3f. beschreibt dies so:
„Danach wird ein mächtiger König aufstehen [Alexander d. Gr.] und mit großer Macht herrschen, und was er will, wird er ausrichten. Aber wenn er emporgekommen ist, wird sein Reich zerbrechen und in die vier Winde [auf seine vier Generäle]des Himmels zerteilt werden, nicht auf seine Nachkommen, auch nicht mit solcher Macht, wie er sie hatte; denn sein Reich wird zerstört und Fremden [seinen Generälen] zuteilwerden.“
Daniel 7, 6 erwähnt ebenfalls die vier Diadochen:
„Danach sah ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Panther [Alexander der Große], das hatte vier Flügel wie ein Vogel auf seinem Rücken und das Tier hatte vier Köpfe [die Diadochen], und ihm wurde große Macht gegeben.“
In Dan. 8, 8 (s. o.) finden wir ebenfalls deutliche Hinweise auf die vier Diadochen:
„Und der Ziegenbock wurde sehr groß. Und als er am stärksten geworden war, zerbrach das große Horn, und es wuchsen an seiner Stelle vier andere Hörner [die vier Generäle – die Diadochen] nach den vier Winden des Himmels hin.“
Wir sehen später, dass auch im Standbild die vier Diadochen zu finden sind, denn (wie schon gesagt) handelt es sich nicht um 2 Beine, sondern um 4 Schenkel, ein Hinweis auf die 4 Diadochen-Könige.
Die o. g. vier Generäle bemächtigten sich also des Alexandrinischen Reiches. Zunächst gab es wechselnde politische Koalitionen und Konstellationen unter ihnen, bis sich schließlich Lysimachus, Kassander, Ptolemäus und Seleukus durchsetzten. Jeder von ihnen nahm für sich in Anspruch, rechtmäßiger Nachfolger Alexanders zu sein. Den Beweis hierfür konnte aber nur der antreten, der die drei anderen besiegen und so das ganze Reich Alexanders auf sich vereinen würde. Die beiden Diadochen-Könige Lysimachus und Kassander waren mehr oder weniger bedeutungslos, weil zu schwach. Ptolemäus und Seleukus hingegen waren die beiden wichtigen Diadochen-Könige (siehe Karte auf S. 175). Ihre beiden Dynastien und ihre gegenseitigen Kriege werden folgerichtig in Daniel 11 in höchster Ausführlichkeit und ausnehmender Detailtreue beschrieben. Hier die Abfolge der Ptolemäerkönige, die in Daniel erwähnt werden[16]:
323-285 1. Ptolemäus I. Soter 285-247 2. Ptolemäus II. Philadelphus 247-222 3. Ptolemäus III. Euergetes 222-205 4. Ptolemäus IV. Philopator 205-182 5. Ptolemäus V. Epiphanes 182-145 6. Ptolemäus VI. Philometor
Die Abfolge der Seleukidenkönige, die Daniel in Kapitel 11 ganz besonders beschäftigt, war folgendermaßen[17]:
312-281 1. Seleukus I. Nikator 281-261 2. Antiochus I. Soter 261-246 3. Antiochus II. Theos 246-226 4. Seleukus II. Kallinikus 226-223 5. Seleukus III. Soter 223-187 6. Antiochus III. der Große 187-175 7. Seleukus IV. Philopator 175-163 8. Antiochus IV. Epiphanes
Die Seleukiden besaßen während ihrer größten Ausdehnung ein Gebiet, das ungefähr dem heutigen Syrien entspricht und sich zudem über Teile der heutigen Türkei, den Irak und Iran und bis zum Indus erstreckte. Die Ptolemäer hingegen regierten mehr oder weniger in dem Gebiet des heutigen Ägypten. Die Seleukiden und die Ptolemäer kämpften über Jahrhunderte hinweg sehr heftig gegeneinander und weil sie sich gegenseitig in Schach hielten, hatte im Westen das Römische Reich ausreichend Zeit, groß und mächtig zu werden.
Nach langen und zermürbenden Kämpfen war der letzte der in der Bibel genannten Seleukidenkönige (Antiochus IV. Epiphanes) im Sommer 168 v. Chr. im Kampf gegen das ptolemäische Reich sehr erfolgreich und kurz davor, seinen langjährigen Konkurrenten endgültig zu besiegen und so Nachfolger Alexanders und Beherrscher der damaligen Welt zu werden. Dies blieb ihm jedoch verwehrt, da Gaius Popillius Laenas, ein angesehener Politiker Roms, ihm entgegentrat[18]und ihm vorschrieb, wieder nach Hause zu ziehen, ohne seinen Plan ausführen zu können. Diese Begebenheit ist als der „Tag von Eleusis“ berühmt geworden und in die Annalen der Geschichte eingegangen. Daniel beschreibt das in Dan. 11, 29 f. folgendermaßen:
„Und nach einer bestimmten Zeit wird er wieder nach Süden ziehen; aber es wird beim zweiten Mal nicht so sein wie beim ersten Mal. Denn es werden Schiffe aus Kittim (Zypern) gegen ihn kommen, sodass er verzagen wird und umkehren muss. Dann wird er gegen den heiligen Bund ergrimmen und danach handeln und sich denen zuwenden, die den heiligen Bund verlassen.“
Nach seiner Niederlage zog Antiochus IV. von Ägypten zurück nach Jerusalem, zerstörte dort erneut die Stadt, verunreinigte den Tempel und stahl umfangreiche Geldsummen, die er für seine weiteren Kriegszüge im Osten des Reiches benötigte. Wikipedia schreibt unter dem Begriff „Tag von Eleusis“ (Abfragedatum 13.12.2017) dazu:
„Eine Folge dieses äußerst wirkungsmächtigen, aber auch schroffen Vorgehens des Popillius (neben der demütigenden Vorführung des Seleukiden durch Rom) war die eindrucksvolle Untermauerung des römischen Hegemonieanspruchs im östlichen Mittelmeerraum, wo die einstigen hellenistischen Großmächte zu fast ohnmächtigen Statisten degradiert worden waren. Die nachfolgende römische Politik war denn auch darum bemüht, die übrig gebliebenen Mächte zu schwächen, wo immer es ging, und jede Machtverschiebung zu verhindern. Auch die taumelnde ptolemäische Herrschaft über Ägypten wurde noch einmal bestätigt, aber nur um den Preis, von nun an nicht mehr als ein römisches Protektorat zu sein, wenn die Eigenständigkeit auch formal gewahrt wurde. Das Ende dieser Entwicklung war im 1. Jahrhundert v. Chr. erreicht, als zunächst die Reste des Seleukidenreichs in Syrien (64/63 v. Chr.) und schließlich Ägypten (30 v. Chr.) zu römischen Provinzen wurden.“

1.8 Ist Kittim denn nicht Rom?

Nun wenden viele ein, dass „Kittim“ als ein Sinnbild für das Römische Reich zu verstehen wäre, und dass Popillius Römer gewesen sei. Wikipedia schreibt dazu:
„Die biblische Bezeichnung Kittim wird meist als das Königreich Kition auf der Mittelmeerinsel Zypern gedeutet. Der Begriff scheint jedoch auch allgemein den Westen bezeichnet zu haben“[19].
bibelkommentare.de schreibt:
„Im A.T. werden mehrfach die „Schiffe aus Kittim" erwähnt (4. Mo 24, 24; Jes. 23, 1.12; Dan. 11, 30). Der Name weist ursprünglich auf Zypern hin, aber in Jeremia 2, 10 und Hesekiel 27, 6 wird von „den Inseln der Kittäer" gesprochen. Es ist also offensichtlich, dass hier weitere Inseln mit Zypern verbunden werden. [Anm. d. Red.: Diese Formulierung schließt wohl alle Insel- und Küstenbewohner des Mittelmeers mit ein (vgl. die Anmerkungen zu den erwähnten Stellen in der Elberfelder Übersetzung)].“[20]
Kittim bedeutet also im engeren Sinn Zypern. Die Redaktion von bibelkommentare.de vermutet als Vertreter der Rom-Theorie, dass evtl. auch alle Insel- und Küstenbewohner des Mittelmeers gemeint sein könnten. Naheliegender ist aber die Ägäis mit ihren vielen Inseln. Im historisch verbürgten Zusammenhang kam Laenas aus Delos, also tatsächlich aus der Ägäis. „Schiffe aus Kittim“ meint hier also in keinster Weise Rom, sondern bestenfalls die Ägäis.
Daniel hätte durchaus das damals schon existierende Römische Reich benennen oder zumindest umschreiben können. Er tut es aber nicht. Obwohl Rom, wie bereits erwähnt, auch schon 190 v. Chr. den Seleukiden-König Antiochus III. besiegt und ihm im Frieden von Apameia 188 v. Chr. hohe Kriegsschulden auferlegt hatte.
Beim Studium von Daniel 11 drängt sich geradezu der Eindruck auf, als ob Daniel sagen möchte: „Ich habe Rom nicht übersehen. Aber ich meine Rom nicht.“ Gleichwohl wird, wie eben beschrieben, immer wieder versucht, „Kittim“ bzw. den Begriff „die Inseln“ auf Rom zu klittern, um die gewohnte Theorie aufrechtzuerhalten. Roms Politik und Kriege werden in Daniel in Form zweier Beamter[21] zwar gestreift, aber nur so weit, wie dies für die Geschichte der Diadochen von Bedeutung ist. Damit ist das riesige Römische Reich in der Prophetie Daniels nicht mehr als eine Randerscheinung, so unglaublich dies auch klingen mag.

1.9 Die Beine des Standbilds

Aber zurück zum Standbild. Worin genau besteht die Verbindung der Seleukiden und der Ptolemäer zu den beiden Beinen des Standbildes?
Oben wurde ja gezeigt, dass die Beine eines Standbildes unter ihrem Rumpf stehen müssen, weil Standbilder im Allgemeinen sonst umfallen. Wenn die beiden eisernen Beine auf Rom zu deuten wären, würde das Standbild nicht stehen können. Sucht man aber nach einer biblisch belastbaren, alternativen Deutungsmöglichkeit für die beiden Beine, die im Vorderen Orient liegt, wird diese bei durchgängiger Beachtung des danielischen Textes in Kapitel 11 gefunden, denn dort werden die beiden Beine in Form der Seleukiden und Ptolemäer in aller Ausführlichkeit beschrieben.
Wir haben ja eben an Dan. 7 und Dan. 8 und nun auch in Dan. 11 deutlich sehen können, dass Daniel in seinen prophetischen Bildern auf Alexander den Großen die Diadochen folgen lässt. Die Seleukiden und Ptolemäer sind zwei der vier Diadochen. Die Beschreibung der beiden Dynastien der Seleukiden und Ptolemäer in Dan. 11 ist derart exakt nachvollziehbar, dass sogar Kritiker zugeben müssen, dass eindeutig diese beiden historischen Königshäuser gemeint sind. Weil Bibelkritiker aber nur ungern akzeptieren, dass in der Bibel echte Prophetie existiert, neigen viele von ihnen dazu, den Propheten Daniel (der im 6. Jahrhundert v. Chr. schrieb) später zu datieren. Andere hingegen sind der Meinung, Kapitel 11 sei nachträglich in den Text des Buches Daniel eingefügt worden, so dass das Buch Daniel dem Geschichtsverlauf angepasst und Stück für Stück zusammengefügt worden sei. Dazu hätte man allerdings immer aufs Neue, nämlich immer dann, wenn Ergänzungen erfolgt wären, alle Schriftrollen in allen Synagogen des Nahen Ostens und des Mittelmeerraumes abändern oder austauschen müssen. Das ist äußerst unwahrscheinlich, zeigt aber gleichzeitig das große Dilemma wegen der so sehr eindeutigen Aussagen in Kapitel 11.
Bislang war die Bedeutung der beiden Beine noch offen, denn Rom passte nicht. Gleichzeitig suchen wir nach Weltreichen, die im Vorderen Orient liegen und durch die Bibel selbst (nicht durch außerbiblische Quellen) belegt werden können. Unstrittig ist, dass die Seleukiden und die Ptolemäer den weitaus größten Raum in der Prophetie Daniels einnehmen, denn die Prophetie über sie erstreckt sich von Kapitel 10 bis Kapitel 12! Nichts ist daher naheliegender, als die beiden Beine auf die Seleukiden und die Ptolemäer zu deuten und nichts entspricht dem biblischen Text mehr als diese Art der Deutung - ja, sie ist tatsächlich die Einzige, die uns zur Verfügung steht, wenn wir die vorgenannten Parameter erfüllt wissen wollen:
· Die Reichsgebiete der beiden Beine müssen im Nahen Osten liegen
· sie müssen Nachfolger Alexander des Großen sein
· sie müssen in Daniel erwähnt sein
Tatsächlich ist Folgendes im Text zu finden:
· das Reichsgebiet der Seleukiden und der Ptolemäer lag im Nahen Osten
· sie waren Nachfolger Alexanders des Großen
· Daniel räumt ihnen größten Raum und Beachtung ein (Kapitel 10, 11 und 12)
· Der letzte Seleukiden-König (Antiochus IV.) trägt eindeutig endzeitliche Züge
Bei der bisher üblichen Auslegung der beiden Beine auf das Römische Reich wurde den Seleukiden und den Ptolemäern kaum bis keine Beachtung geschenkt, obwohl diese beiden den weitaus größten Raum in der danielischen Prophetie einnehmen. Antiochus IV. Epiphanes wird zwar allgemein als der Typus für den Antichristen schlechthin angesehen, gleichzeitig vermutet man den Antichristen aber in Rom und gerät so mit seiner Auslegung vollends durcheinander.
Dem Bibeltext weitaus angemessener ist es hingegen, die beiden Beine auf die Seleukiden und die Ptolemäer auszulegen. Wie schon erwähnt nimmt kein anderes Weltreich, weder Babylon noch Medo-Persien noch Alexander der Große so viel Raum ein wie die beiden Dynastien der Seleukiden und der Ptolemäer in Kapitel 11.
Dabei gilt es zu bedenken, dass das komplette Kapitel 10[22] und zumindest Teile, wenn nicht sogar das ganze Kapitel 12 der Prophetie von Kapitel 11 hinzugerechnet werden müssen. Somit berichten drei der insgesamt zwölf Kapitel im Propheten Daniel und somit ein Viertel des ganzen Buchs über die Seleukiden und die Ptolemäer. Und schließlich gehören die Seleukiden und die Ptolemäer zu den Diadochen, die laut Daniel (s.o.) auf Alexander den Großen folgten, so wie die Beine auf den Rumpf. Es darf also aufgrund der Textanalyse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unterstellt werden, dass die Seleukiden und die Ptolemäer durch die beiden eisernen Beine dargestellt werden.

1.10 Das Standbild steht

Damit haben wir jetzt einen sehr wichtigen Fortschritt in der Auslegung des Standbildes gemacht. Denn jetzt stehen die beiden Beine unterhalb des Rumpfes und unsere Liste der Weltreiche sieht vorerst so aus:
Kopf: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Alexander der Große zwei Beine: die Seleukiden und die Ptolemäer zehn Zehen: ???

1.11 Eine gesunde Verunsicherung

Die beiden Beine des Standbilds auf die Seleukiden und die Ptolemäer auszulegen ist neu und entspricht so gar nicht den bisher geläufigen Vorstellungen und Interpretationen. Dass das Römische Reich und damit auch Europa im Buch Daniel keine Erwähnung finden und keine Rolle spielen sollen, klingt zunächst unmöglich bis falsch. Die unter Umständen auftretende Irritation liegt aber nicht am Bibeltext oder an der vorliegend beschriebenen Sicht, sondern lediglich daran, dass in der Vergangenheit eine Auslegung akzeptiert wurde, die keine biblische Grundlage im Danieltext hatte und hat.
Es gilt also, wie bei jeder Auslegung, sich eng an den Text der Bibel zu halten und nicht eigenen Vorstellungen zu folgen. Bei der Auslegung der Bibel, und eben auch bei Auslegungen zum Propheten Daniel, ist es unbedingt wichtig, zuerst den Bibeltext zu analysieren und erst dann Schlussfolgerungen zu ziehen, und zwar unabhängig von eigenen Vorstellungen oder gar Vorlieben. Das ist Grundsatz aller biblischen Auslegung.
Bei der Auslegung der beiden Beine auf das Römische Reich und der zehn Zehen auf Europa wurde und wird diese wichtige Regel allerdings regelmäßig gebrochen.

1.12 Konsequenzen

Ganz im Gegenteil zur bisher gängigen Vorstellung sagt Daniel für die Endzeit ein neues Seleukidisches und ein neues Ptolemäisches Weltreich voraus.
Da es dem letzten, dem achten Seleukiden-König, „gelingen wird“ (Dan. 11, 36), wird er im Gegensatz zu seinem historischen Vorbild Ägypten (die Ptole­mäer) besiegen und die endzeitliche Rolle des historischen Alex­ander des Großen anstreben: der Beherr­scher der ganzen Welt zu werden.
Sein Reich ver­eint auf sich die Eigenschaften Baby­lons, Medo-Persiens und Alexanders des Großen. Denn in Offenbarung 13 sieht Jo­hannes ein Tier aus dem Meer steigen, das „gleich war einem Pan­­ther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen“[23].
Johannes beschreibt also ein endzeitliches Reich („Tier“), das die Eigenschaften der drei historischen Weltreiche (Babylon, Medo-Persien und Alexanders des Großen) auf sich vereint. Aber Johannes listet sie in umgekehrter Reihenfolge auf! Denn er schreibt von einem Panther, einem Bären und einem Löwen. Der Panther stand für Alexander den Großen, der Bär für Medo-Persien und der Löwe für Babylon. Wenn aber Johannes in der Offenbarung die Weltreiche in umgekehrter Reihenfolge aufzählt, scheint es so, als ob Gott die Weltgeschichte umkehrt und zurückführt: nicht bis zum römischen Reich, sondern noch weiter zurück: bis zu den Seleukiden und den Ptolemäern – ja, eigentlich zurück bis Babylon.
Nicht Rom, sondern die historischen Seleukiden- und Ptolemäer-Könige kommen am Ende der Gemeindezeit noch einmal auf, wenn auch kleiner (als Füße) und schwächer (Eisen mit Ton gemischt) als ihre historischen Pendants. Am Ende der Zeit wiederholt sich eine aus der Geschichte bekannte Struktur: „Neo-Seleukiden“ und „Neo-Ptolemäer“ werden in eine Auseinandersetzung geraten, die der Neo-Seleukide für sich entscheiden wird. Denn der endzeitliche Nachfolger Antiochus IV. Epiphanes wird nach Dan. 11, 36 „tun, was er will und es wird ihm gelingen“. Ihm wird in der Endzeit nämlich das gelingen, was dem historischen Antiochus IV. Epiphanes am Tag von Eleusis im Jahr 168 v. Chr. versagt war: Ägypten zu besiegen und ein endzeitliches Reich in der Größe und Macht des historischen Reiches Alexanders des Großen aufzubauen, das die Eigenschaften Babylons, Medo-Persiens und Alexanders des Großen auf sich vereint.
Das ist es, was Daniel uns zeigen will: Das Endzeitreich wird ein Neo-Seleukidenreich sein, das größer ist als das Alexanders des Großen, denn sowohl Ägypten als auch Libyen und Kush (nördlicher Sudan) sind in seinem Gefolge[24]. Das war bei Alexander nicht der Fall.

1.13 Die zehn Zehen

Abbildung 2 - Die Städte der Dekapolis (Eigene Quelle, Lizenz und Bearbeitung: Bibelwerk Linz, 2017)
Oben hatten wir schon festgestellt, dass, wenn die beiden eisernen Beine die Seleukiden und die Ptolemäer sind, die zehn Zehen nicht europäische Staaten sein können, die angeblich in unserer Zeit wiederaufkommen. Die zehn Zehen müssen, wie die Beine auch, im Vorderen Orient verortet werden. Sie müssen in enger Verbindung zu den beiden Beinen und zu den beiden Füßen stehen. Sie müssen zudem in der Bibel zu finden sein und nicht in der Überlieferung oder irgendwelchen beliebig ausgewählten und durch den Text der Bibel nicht begründeten Annahmen und Vermu­tungen. Die tatsächliche Bedeutung der zehn Zehen des Standbildes ist überraschend. Sie ist aber jedem halbwegs informierten Bibelleser bekannt. Denn die zehn Zehen werden mehrfach im Neuen Testament erwähnt. Sie wurden bisher nur nicht in Zusammenhang mit den zehn Zehen an Daniels Standbild gebracht.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Bedeutung der zehn Zehen des Standbildes finden wir in der Dekapolis, dem Gebiet der Zehn-Städte, wie Luther übersetzt!
Die Dekapolis war ein Städtebund von zunächst 10 Städten, die ursprünglich von Alexander dem Großen und später von den Seleukiden gegründet oder griechisch umgeprägt wurden. Ihre Gründungen reichen bis ins 3. oder 4. Jahrhundert und zum Teil sogar deutlich weiter zurück. Der eigentliche Bund der Dekapolis hingegen bildete sich um die Zeitenwende. Wann genau das war, ist archäologisch und historisch nicht mehr zu definieren. Zumindest gibt es keine schriftlichen Quellen hierzu. Es verliert sich im Nebel der Geschichte. Man vermutet den Beginn des Städte-Bündnisses im 1. Jhdt. v. Chr. Der Begriff der Dekapolis selbst hat sich laut wissenschaftlichem Befund erst im 1. Jahrhundert n. Chr. manifestiert. Die wichtigste (!) Quelle hierfür ist das Neue Testament! Die Dekapolis wird in Mt. 4, 25, in Mk. 5, 20 und in Mk. 7, 31 erwähnt. Jesus hat das Gebiet der Zehn-Städte besucht und dort u.a. den Gadarener von Dämonen befreit. Die Region der Zehn-Städte galt bei den Juden als die dunkelste Gegend überhaupt, denn dort wohnten Heiden, gab es Besessene, Dämonen und Schweinezucht.
Neben den oben genannten Bibelstellen verfügen wir heute nur noch über eine einzige weitere Quelle: einer Auflistung der Städte, die zur Dekapolis gehörten, die von Plinius dem Älteren[25] stammt.
Wenn wir das Buch Daniel durchgehend auslegen wollen und die beiden Beine auf die Seleukiden und die Ptolemäer deuten, müssen wir folgerichtig die zehn Zehen auf die Dekapolis auslegen, denn die Städte der Dekapolis wurden - entgegen der bisherigen Auffassung, die ungefähr bis Ende der 80-er Jahre allgemein vertreten wurde - nicht von den Römern, sondern von den Seleukiden gegründet! Ihr gehörten die folgenden Städte an: Damaskus, Kanatha, Dion, Hippos, Raphana, Gadara, Scythopolis (einzige Stadt im Westen des Jordan, das heutige Beth-Shean), Pella, Gerasa und Philadelphia. Wikipedia schreibt dazu:
„Dekapolis (griechisch Δεκάπολις „Zehn-Stadt“) bezeichnet zehn antike Städte östlich und südlich des Sees Genezareth, zwischen Damaskus im Norden und Philadelphia (heute Amman) im Süden. Diese Städte waren nach der Eroberung des Gebietes durch Alexander den Großen und unter seinen seleukidischen Nachfolgern nach griechischem Vorbild gegründet oder umgeprägt worden. Sie lagen in der während der Diadochenzeit als Koilesyrien bezeichneten Region, die lange zwischen Seleukiden und Ptolemäern umstritten war.“[26]
Die Dekapolis steht also in engster Beziehung zu Alexander dem Großen und den Seleukiden. Sie liegt in der gleichen Region, wo auch die Beine des Standbildes stehen bzw. standen und sie ist gleichsam das letzte politische Konstrukt, das vom untergehenden Seleukiden-Reich übrigblieb. Wenn wir aufgrund der vielen Hinweise, die wir jetzt gesammelt haben, die Dekapolis als Bedeutung für die zehn Zehen des Standbildes akzeptieren, dann ist das tatsächlich eine stringente Auslegung des Standbildes im Propheten Daniel, denn nun sind auch die Zehen dort, wo sich der Rest des Standbildes befindet. Was aber fast noch wichtiger ist: diese 10 ändert sich nicht mehr! Diese 10 der Dekapolis ist in und durch die Bibel verbürgt! Es gibt keine weitere Spekulation über irgendeinen 10-Staatenbund, der aus der Weltgeschichte herausgeraten werden müsste. Die Dekapolis ist innerbiblische (!) Geschichte und wird sich in der Endzeit wiederholen.
Die Liste der Weltreiche lautet nun folgendermaßen:
Haupt: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Lenden: Alexander der Große zwei Beine: die Seleukiden und die Ptolemäer zehn Zehen: die (Neo-)Dekapolis
Wenn das Buch Daniel durchgehend ausgelegt werden soll und die beiden Beine auf die Seleukiden und die Ptolemäer zu deuten sind, dann müssen folgerichtig die zehn Zehen auf die Dekapolis ausgelegt werden. Und diese politische Struktur entsteht in der Endzeit erneut! Es ist verständlich, dass diese Sichtweise auf den ersten Blick ungewohnt klingt. Aber es ist theologisch, wissenschaftlich und archäologisch belegt, dass die Städte der Dekapolis eine griechisch-seleukidische Herkunft und Prägung haben. Damit steht die Dekapolis in engster Verbindung mit den Seleukiden. Beide werden in der Endzeit wieder auftreten.

1.14 Aretas

Es gibt eine weitere Bibelstelle im Neuen Testament, die indirekt auf die Dekapolis schließen lässt. Nachdem Paulus in Damaskus das Evangelium gepredigt hatte, wurde er verfolgt und musste sich verstecken. König Aretas[27] ließ, um Paulus zu fangen, die Stadttore lediglich von außen bewachen, ohne jedoch die Stadt zu betreten, so dass Paulus Gelegenheit hatte, über die Stadtmauer zu fliehen[28]. Historiker vermuten, dass Aretas nur deshalb die Stadt von außen belagerte, weil sie im Bündnis mit den übrigen neun Städten der Dekapolis stand und er einen politischen Eklat bzw. eine kriegerische Auseinandersetzung vermeiden wollte. Die Dekapolis wird also häufiger im Neuen Testament erwähnt, als das zunächst zu erwarten war.

1.15 Die Füße

Langsam komplettiert sich das Standbild vor unserem inneren Auge. Allerdings fehlt uns noch ein Körperteil an unserem Standbild und das sind die Füße. In keiner der mir bekannten Auslegungen zum Standbild Daniels werden die Füße erwähnt oder gedeutet und ganz offensichtlich macht sich kaum jemand hierüber Gedanken. Bislang wurden die Beine auf Ost- und Westrom und die Zehen auf Europa gedeutet, aber niemand äußert sich zur Bedeutung der beiden Füße. Das liegt daran, dass die beiden Füße in die Rom-Theorie nicht so gut hineinpassen. Es gibt keinen wirklichen Platz, an dem man sie argumentativ verorten könnte. Dabei sind die Füße ganz besonders wichtig! Denn zur Regierungszeit der beiden Füße kommt Christus wieder! Dan. 2, 44 f.:
„Aber zur Zeit dieser Könige [der Füße und der Zehen] wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben, 45 wie du ja gesehen hast, dass ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte.“
Der Stein, der ohne Hände vom Berg herabgerissen wird, schlägt das Standbild an seine Füße und das zur Zeit dieser Könige. So erklärt Daniel Nebukadnezar den Traum. Wenn dieser Stein Christus ist[29], dann werden die beiden Füße und die Zehen zu der Zeit herrschen, wenn Christus wiederkommt. Das kann aber erst am Ende der Gemeindezeit sein, weil Christus noch nicht gekommen und sein Reich noch nicht aufgerichtet ist.
Das wiederum bedeutet, dass die beiden Beine des Standbildes im Jahr 168 v. Chr. mit dem letzten Seleukidenkönig Antiochus IV. Epiphanes enden. Dann folgt ein langer Zeitsprung bis in die Zeit des Endes der Gemeindezeit, bis kurz vor die Wiederkunft Christi, wenn sich die uns jetzt bekannten historischen, politischen Strukturen wiederholen werden: ein Neo-Seleukiden- und ein Neo-Ptolemäerreich mit der Neo-Dekapolis, symbolisiert durch die beiden Füße und die 10 Zehen. Zwischen den beiden Beinen einerseits und den beiden Füßen mit den 10 Zehen andererseits liegt also ein Zeitsprung von ca. 168 v. Chr. (Tag von Eleusis) bis in die Endzeit. Wir werden diese Deutung des Standbildes und des zeitlichen Sprungs zwischen den beiden Beinen und den Füßen später noch einmal detailliert behandeln müssen und dann auch besser verstehen. Einstweilen soll uns diese Sicht genügen, denn sie ist für unsere jetzigen Zwecke hinreichend genau.
Während also die beiden Beine noch aus Eisen bestanden, bestehen die beiden Füße und die Zehen aus Eisen mit Ton gemischt. Sie grenzen sich also auch aufgrund ihres Materials klar von den Beinen ab, weil sie in eine andere Zeit gehören. Damit sieht unsere Weltreich-Liste jetzt so aus:
Haupt: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Lenden: Alexander der Große zwei Beine: die historischen Seleukiden u. Ptolemäer zwei Füße: die Neo-Seleukiden u. die Neo-Ptolemäer zehn Zehen: die Neo-Dekapolis
Jetzt ist das Standbild komplett! Es reicht von Babylon über Medo-Persien und Alexander den Großen geradewegs zu den historischen Seleukiden und der historischen Dekapolis und endet in der Wiederholung eben dieser seleukidischen Struktur in der Endzeit mit einem neuen, endzeitlichen Antiochus IV. Epiphanes und einer endzeitlichen Wiederholung der Dekapolis. Hieraus können wir folgende Übersicht ableiten:
[GRAFIK - hier nicht so gut darstellbar]
Land Teil des Standbildes Zeitliche Einordnung
Babylon goldenes Haupt Vergangenheit
Medo-Persien silberne Brust und Arme Vergangenheit
Alexander der Große bronzener Bauch und Lenden Vergangenheit
Seleukiden/Ptolemäer eiserne Beine Vergangenheit
ZEITSPRUNG (vom 2. Jhdt. v. Chr. in die Endzeit)
Die neu erstehenden
Neo-Seleukiden und Die Füße aus Eisen und Ton Zukunft
Neo-Ptolemäer
Die Neo-Dekapolis Die zehn Zehen Zukunft
In der Endzeit wird sich also eine politische Struktur wiederholen, die aus der Antike schon bekannt ist: ein Neo-Seleukidenreich und ein Neo-Ptolemäerreich. Dies in Verbindung mit der endzeitlichen Neuauflage einer Struktur wie die der historischen Dekapolis. So sieht das Standbild aus, wenn Daniels Text beachtet wird: Alle Teile des Standbildes liegen im Nahen Osten und das Standbild ist komplettiert. Die Körperteile wurden sämtlich aus innerbiblischen Quellen argumentiert und müssen nicht mehr nachgearbeitet werden, wenn sich weltpolitische Zusammenhänge ändern sollten.

1.16 Übertragung auf heute

Nach heutigem Ermessen ist es kaum vorstellbar, dass auf dem heutigen Staatsgebiet Israels und Jordaniens eine neue Dekapolis entsteht. Vielleicht deuten die politischen Wirren in der dortigen Region darauf hin, aber das ist ungewiss. Allein: Der biblische Befund aus der vertieften Analyse der danielischen Prophetie zeigt uns die laut Bibel zu erwartende Struktur mehr als deutlich auf. Wie und wann Gott die geopolitischen Ordnungen im Nahen Osten mit seiner Prophetie in Übereinstimmung bringt, bleibt uns heute noch verborgen. Aber unsere Zeit ist schnelllebig und das Wort Gottes muss und wird sich erfüllen. In der Endzeit wird sich diese aus der Antike bereits bekannte Struktur wiederholen. Denn - so sagt Johannes in der Offenbarung - dieses Reich war und ist nicht und wird wiederkommen und in den Abgrund fahren.
Offb. 17, 8:
„Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und wird in die Verdammnis fahren. Und es werden sich wundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an, wenn sie das Tier sehen, dass es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird.“

1.17 7 Häupter und 10 Hörner

In der Endzeit werden also aller Wahrscheinlichkeit nach ein neo-seleukidisches Reich und ein neo-ptolemäisches Reich (Syrien und Ägypten) aufkommen. Diese werden in enger Verbindung mit einer neu entstehenden Dekapolis stehen. Allerdings wird der endzeitliche Seleukiden-König alle Macht an sich ziehen, denn er wird tun, was er will: Er wird Ägypten besiegen und die Dekapolis wird ihm ihre Macht abtreten. Denn Offb. 17 sagt, dass die 10 Hörner ihre Macht dem Tier[30]geben werden. Das ist übrigens auch der Grund, warum das Tier in Offb. 12 sieben gekrönte Häupter hat, während in Offb. 13 seine zehn Hörner gekrönt sind. Dazu mehr in Kapitel 9.27„Auslegung von Offb. 17“ auf Seite 217.

1.18 Die finale Struktur des Standbilds

Die beiden Füße sind also die endzeitliche Wiederholung der historischen Seleukiden und Ptolemäer. Diese beiden Füße werden ergänzt durch die zehn Zehen, die ebenfalls im Vorderen Orient lokalisiert sind und durch die Struktur der Dekapolis erklärt werden können.
Nun ist das Standbild vom Kopf bis zu den Zehen komplett. Alle in Daniel genannten Weltreiche und alle politischen Strukturen stehen jetzt untereinander. Das Standbild kann jetzt aufgerichtet oder besser noch: Es kann jetzt erklärt werden. Die Abfolge der Weltreiche sieht nun so aus:
Haupt: Babylon Brust und Arme: Medo-Persien Bauch und Seiten: Alexander der Große die Beine: die Seleukiden und die Ptolemäer die Füße: die endzeitliche, kleinere und schwächere Wiederholung der historischen Seleukiden und Ptolemäer die Zehen: die endzeitliche Wiederholung der Dekapolis
Oder in direkter Zuordnung zum Standbild:
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
So ungewohnt diese Auslegung vielleicht erscheinen mag, sie entspricht mehr als jeder andere Erklärungsversuch dem Bibeltext, dem archäologischen und dem historischen Befund.

1.19 Die Vier-Reiche-Lehre

Die sogenannte Vier-Reiche-Lehre ist eine unter Theologen sehr bekannte Bezeichnung, dafür, dass die Visionen Daniels die folgenden 4 Weltreiche beschreibe:
· Babylon
· Medo-Persien
· Griechenland
· Rom
Wikipedia schreibt dazu folgendes (Vier-Reiche-Lehre, Abfragedatum 13.12.2017):
„In der darauffolgenden Zeit und bis durch das Mittelalter hindurch hat man versucht, diese vorchristlich prophezeiten Königreiche mit konkreten Herrschaftsreichen in Verbindung zu bringen. Das erste Reich konnte man aufgrund der biblischen Aussagen noch recht unzweifelhaft mit dem babylonischen Reich Nebukadnezars identifizieren. Als die darauffolgenden Reiche gelten zumeist das Mederreich/Perserreich, das Alexanderreich und das Römische Reich. Das Römische Reich passt auch insofern als viertes Reich, als das vierte Reich ein geteiltes Königreich sein sollte. Tatsächlich kam es im Römischen Reich dazu, dass das Reich ab 395 n. Chr. von zwei Kaisern regiert wurde und schließlich in das Weströmische und das Oströmische Reich zerfiel.“
Diese Vier-Reiche-Lehre muss aufgrund dessen, was wir aus dem Bibeltext entnommen haben, überdacht und dem Text Daniels angepasst werden. Tatsächlich beschreibt Daniel die vier folgenden Reiche:
· Babylon
· Medo-Persien
· Alexander der Große
· die Diadochen (Schenkel) - bzw. in der Endzeit: die Seleukiden und die Ptolemäer gemeinsam mit der Dekapolis

1.20 Die vier Tiere in Daniels Vision

Mit dem Wissen, das wir uns jetzt erarbeitet haben, können wir Daniel 7 sehr viel besser verstehen.
Dan. 7:
„Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, hatte Daniel einen Traum und Gesichte auf seinem Bett; und er schrieb den Traum auf und dies ist sein Inhalt: Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel wühlten das große Meer auf. Und vier große Tiere stiegen herauf aus dem Meer, ein jedes anders als das andere. Das erste war wie ein Löwe und hatte Flügel wie ein Adler [Babylon]. Ich sah, wie ihm die Flügel genommen wurden. Und es wurde von der Erde aufgehoben und auf zwei Füße gestellt wie ein Mensch, und es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben [wahrscheinlich, als Nebukadnezar sich zu Gott bekehrte]. Und siehe, ein anderes Tier [Medo-Persien], das zweite, war gleich einem Bären und war auf der einen Seite aufgerichtet [weil Persien mächtiger war, als Medien] und hatte in seinem Maul zwischen seinen Zähnen drei Rippen [drei Könige, s. Dan. 11, 2]. Und man sprach zu ihm: Steh auf und friss viel Fleisch! Danach sah ich, und siehe, ein anderes Tier [der König von Griechenland], gleich einem Panther, das hatte vier Flügel wie ein Vogel auf seinem Rücken [weil es sich in alle vier Himmelsrichtungen ausdehnt] und das Tier hatte vier Köpfe [die vier Diadochen], und ihm wurde große Macht gegeben.
[ZEITSPRUNG IN DIE ZEIT DES ENDES]
Danach sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, ein viertes Tier [die Neo-Seleukiden] war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne [Eisen steht für die Seleukiden] Zähne, fraß um sich und zermalmte, und was übrig blieb, zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch ganz anders als die vorigen Tiere [weil zukünftig und endzeitlich und daher mit moderner Wirtschaft und Waffentechnik ausgestattet] und hatte zehn Hörner [die Neo-Dekapolis]. Als ich aber auf die Hörner Acht gab, siehe, da brach ein anderes kleines Horn [der endzeitliche Antiochus: der Antichrist] zwischen ihnen hervor, vor dem drei der vorigen Hörner ausgerissen wurden [evtl. 3 der 10 Städte der Dekapolis]. Und siehe, das Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul; das redete große Dinge. Ich sah, wie Throne aufgestellt wurden, und einer, der uralt war [Gott, der Vater], setzte sich. Sein Kleid war weiß wie Schnee und das Haar auf seinem Haupt rein wie Wolle; Feuerflammen waren sein Thron und dessen Räder loderndes Feuer. Und von ihm ging aus ein langer feuriger Strahl. Tausendmal Tausende dienten ihm, und zehntausendmal Zehntausende standen vor ihm. Das Gericht wurde gehalten und die Bücher wurden aufgetan. Ich merkte auf um der großen Reden willen, die das Horn redete, und ich sah, wie das Tier getötet wurde und sein Leib umkam und ins Feuer geworfen wurde. Und mit der Macht der andern Tiere war es auch aus; denn es war ihnen Zeit und Stunde bestimmt, wie lang ein jedes leben sollte. Ich sah in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn [Christus]und gelangte zu dem, der uralt war, und wurde vor ihn gebracht. Der gab ihm Macht, Ehre und Reich, dass ihm alle Völker und Leute aus so vielen verschiedenen Sprachen dienen sollten. Seine Macht ist ewig und vergeht nicht, und sein Reich hat kein Ende. Ich, Daniel, war entsetzt, und dies Gesicht erschreckte mich. Und ich ging zu einem von denen, die dastanden, und bat ihn, dass er mir über das alles Genaueres berichtete.
[ERKLÄRUNG DER VISION DURCH DEN ENGEL]
Und er redete mit mir und sagte mir, was es bedeutete. Diese vier großen Tiere sind vier Königreiche, die auf Erden kommen werden [Babylon, Medo-Persien, Alexander der Große und die Neo-Seleukiden]. Aber die Heiligen des Höchsten werden das Reich empfangen und werden's immer und ewig besitzen. Danach hätte ich gerne Genaueres gewusst über das vierte Tier [die Neo-Seleukiden], das ganz anders [weil zukünftig und endzeitlich und daher mit moderner Wirtschaft und Waffentechnik ausgestattet] war als alle andern, ganz furchtbar, mit eisernen [Eisen für die Seleukiden]Zähnen und ehernen [Bronze für Alexander der Großen] Klauen, das um sich fraß und zermalmte und mit seinen Füßen zertrat, was übrig blieb; und über die zehn Hörner auf seinem Haupt [die Neo-Dekapolis] und über das andere Horn [der Antichrist], das hervorbrach, vor dem drei ausfielen; und es hatte Augen und ein Maul, das große Dinge redete, und war größer als die Hörner, die neben ihm waren. Und ich sah das Horn kämpfen gegen die Heiligen, und es behielt den Sieg über sie, bis der kam, der uralt war, und Recht schaffte den Heiligen des Höchsten und bis die Zeit kam, dass die Heiligen das Reich empfingen. Er sprach: Das vierte Tier [die Neo-Seleukiden] wird das vierte Königreich auf Erden sein; das wird ganz anders sein als alle andern Königreiche [weil endzeitlich und daher mit moderner Wirtschaft und Technik ausgestattet]; es wird alle Länder fressen, zertreten und zermalmen. Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, die aus diesem [nämlich aus dem Seleukiden-Reich!] Königreich hervorgehen werden. Nach ihnen aber wird ein anderer [der Antichrist] aufkommen, der wird ganz anders sein als die vorigen und wird drei Könige stürzen.“
Wichtig: Insgesamt viermal schreibt Daniel davon, dass dieses vierte Tier „ganz anders“ war als alle anderen Reiche. Rom aber war ganz ähnlich.

1.21 Widder und Ziegenbock

Wie schon gesagt unterstützt auch Daniel 8 die hier aufgestellte These, dass Rom in Daniel nicht erwähnt wird, sehr intensiv. Denn die Vision reicht von Medo-Persien und Alexander dem Großen bis in die Endzeit, ohne Rom auch nur einmal zu erwähnen! Schauen wir uns den Text noch einmal an und ergänzen wir ihn mit den zugehörigen Erläuterungen.
Daniel 8:
„1 Im dritten Jahr der Herrschaft des Königs Belsazar erschien mir, Daniel, ein Gesicht, nach jenem, das mir zuerst erschienen war. 2 Ich hatte ein Gesicht und während meines Gesichtes war ich in der Festung Susa im Lande Elam am Fluss Ulai. 3 Und ich hob meine Augen auf und sah, und siehe, ein Widder [Medo-Persien, s. Vers 20] stand vor dem Fluss, der hatte zwei hohe Hörner, doch eins höher als das andere, und das höhere war später hervorgewachsen. 4 Ich sah, dass der Widder mit den Hörnern stieß nach Westen, nach Norden und nach Süden hin. Und kein Tier konnte vor ihm bestehen und vor seiner Gewalt errettet werden, sondern er tat, was er wollte, und wurde groß. 5 Und indem ich darauf Acht hatte, siehe, da kam ein Ziegenbock [der König von Griechenland, Alexander der Große, s. Vers 21] vom Westen her über die ganze Erde, ohne den Boden zu berühren, und der Bock hatte ein ansehnliches Horn [Alexander der Große] zwischen seinen Augen. 6 Und er kam bis zu dem Widder, der zwei Hörner hatte, den ich vor dem Fluss stehen sah, und er lief in gewaltigem Zorn auf ihn zu. 7 Und ich sah, dass er nahe an den Widder herankam, und voller Grimm stieß er den Widder und zerbrach ihm seine beiden Hörner. Und der Widder hatte keine Kraft, dass er vor ihm hätte bestehen können, sondern der Bock warf ihn zu Boden und zertrat ihn, und niemand konnte den Widder von seiner Gewalt erretten. 8 Und der Ziegenbock wurde sehr groß. Und als er am stärksten geworden war, zerbrach das große Horn [Alexander der Große], und es wuchsen an seiner Stelle vier andere Hörner [Diadochen] nach den vier Winden des Himmels hin.
- ZEITSPRUNG IN DIE ENDZEIT -
9 Und aus einem von ihnen wuchs ein kleines Horn [Antichrist]; das wurde sehr groß nach Süden, nach Osten und nach dem herrlichen Land hin. 10 Und es wuchs bis an das Heer des Himmels und warf einige von dem Heer und von den Sternen zur Erde und zertrat sie. 11 Ja, es wuchs bis zum Fürsten des Heeres und nahm ihm das tägliche Opfer weg und verwüstete die Wohnung seines Heiligtums [er belagert und erobert Jerusalem]. 12 Und es wurde Frevel an dem täglichen Opfer verübt, und das Horn warf die Wahrheit zu Boden. Und was es tat, gelang ihm [er erobert Ägypten].
[Ende des 1. Teils der Vision]
13 Ich hörte aber einen Heiligen reden, und ein anderer Heiliger sprach zu dem, der da redete: Wie lange gilt dies Gesicht vom täglichen Opfer und vom verwüstenden Frevel und vom Heiligtum, das zertreten wird? 14 Und er antwortete mir: Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen vergangen sind; dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden. 15 Und als ich, Daniel, dies Gesicht sah und es gerne verstanden hätte, siehe, da stand einer vor mir, der aussah wie ein Mann, 16 und ich hörte eine Menschenstimme mitten über dem Ulai rufen und sprechen: Gabriel, lege diesem das Gesicht aus, damit er's versteht. 17 Und Gabriel trat nahe zu mir. Ich erschrak aber, als er kam, und fiel auf mein Angesicht. Er aber sprach zu mir: Merk auf, du Menschenkind! Denn dies Gesicht geht auf die Zeit des Endes [deutlich endzeitlicher Bezug und Erfüllung]. 18 Und als er mit mir redete, sank ich in Ohnmacht zur Erde auf mein Angesicht. Er aber rührte mich an und richtete mich auf, sodass ich wieder stand. 19 Und er sprach: Siehe, ich will dir kundtun, wie es gehen wird zur letzten Zeit des Zorns; denn auf die Zeit des Endes geht das Gesicht.
[2. Teil der Vision: die Auslegung durch den Engel]
20 Der Widder mit den beiden Hörnern, den du gesehen hast, bedeutet die Könige von Medien und Persien. 21 Der Ziegenbock aber ist der König von Griechenland. Das große Horn zwischen seinen Augen ist der erste König [Alexander der Große]. 22 Dass aber vier an seiner Stelle wuchsen, nachdem es zerbrochen war, bedeutet, dass vier Königreiche [Diadochen] aus seinem Volk entstehen werden, aber nicht so mächtig wie er.
ZEITSPRUNG IN DIE ENDZEIT
23 Aber gegen Ende ihrer Herrschaft, wenn die Frevler überhand nehmen, wird aufkommen ein frecher und verschlagener König. 24 Der wird mächtig sein, doch nicht so mächtig wie sie. Er wird ungeheures Unheil anrichten und es wird ihm gelingen, was er tut [er wird Ägypten und alle Länder erobern]. Er wird die Starken vernichten. Und gegen das heilige Volk 25 richtet sich sein Sinnen, und es wird ihm durch Betrug gelingen und er wird überheblich werden [er gibt sich als Gott aus], und unerwartet wird er viele verderben und wird sich auflehnen gegen den Fürsten aller Fürsten; aber er wird zerbrochen werden ohne Zutun von Menschenhand. 26 Dies Gesicht von den Abenden und Morgen, das dir hiermit kundgetan ist, das ist wahr; aber du sollst das Gesicht geheim halten; denn es ist noch eine lange Zeit bis dahin. 27 Und ich, Daniel, war erschöpft und lag einige Tage krank. Danach stand ich auf und verrichtete meinen Dienst beim König. Und ich wunderte mich über das Gesicht und niemand konnte es mir auslegen.“
Schauen wir uns zunächst die Gewichtung in Kapitel 8 an:
· Die Verse 3 und 4 handeln vom Widder (Medo-Persien).
· In Vers 5 bis 7 ist sowohl vom Widder als auch vom Ziegenbock (Alexander dem Großen) die Rede allerdings mit deutlichem Schwerpunkt auf dem Ziegenbock.
· Ab Vers 8 bis Vers 25 (über 17 Verse hinweg!) ist ausschließlich vom Ziegenbock (dem König von Griechenland) die Rede.
· Dessen politische Nachfolger (die Diadochen) reichen bis zur Zeit des Endes. Während das Römische Reich nirgends auch nur erwähnt wird!
Gerade hier in Kapitel 8 ist sehr deutlich ablesbar, dass das römische Reich in der Prophetie Daniels keinerlei Rolle spielt. Siebzehn (!) der insgesamt 24 Verse (d.i. über 70 % des Textes) handeln allein vom Ziegenbock, also von Alexander dem Großen. Seine Nachkommenschaft, und zwar sowohl die vier Hörner (die Diadochen), als auch das kleine Horn reichen bis in die Endzeit! Wie in Dan. 7 wird also auch in Dan. 8 das Römische Reich nirgends erwähnt. Die Linie geht ununterbrochen von Alexander dem Großen über die vier Diadochen zu dem kleinen Horn, das aus einem der vier Hörner (nämlich aus dem der Seleukiden) wächst. Dieses kleine Horn ist die endzeitliche Kopie von Antiochus IV. Epiphanes: dem Antichristen.
Das ist auch der Grund, warum das Tier, das Daniel in Kap. 7 sieht, eiserne Zähne und eherne Klauen hat: eisern für die Seleukiden (wie die Beine des Standbildes) und ehern für Alexander den Großen (wie der Bauch und die Seiten des Standbildes)! Immer wieder zeichnet Daniel diese griechisch-seleukidische Linie vor unsere Augen, bis sie schließlich in der großen Schau in Dan. 11 gipfelt. Warum nur wenden die Ausleger ihren Blick immer wieder davon ab und tendieren nach Rom? Diese Sicht ist dem Text im Buch Daniel in keinster Weise zu entnehmen.

1.22 Gegenargumente

Viele erwarten ein weltweites antichristliches Reich. Aber Gottes Wege sind nicht abhängig von unseren Erwartungen. Er hat in seinem Wort gesagt, was kommen wird. Wir müssen es nur genau lesen. Dennoch erscheint vielen die hier gezeichnete Sicht zu regional begrenzt, weil lediglich auf den Nahen Osten beschränkt. Zur Argumentation, warum dies dennoch so ist, seien folgende Gründe angeführt:

1.22.1 Babylon war auch „nur“ regional

Daniel nennt Nebukadnezar „den König aller Könige“, obwohl Babylons Reichsgebiet global gesehen sehr begrenzt war. Babylon hatte keinen Einfluss auf Europa oder China, obwohl dort größere Königreiche herrschten, als Babylon dies war[31]. Dennoch nennt Daniel Nebukadnezar den König aller Könige. Dan. 2, 37 f.:
„Du, König, bist ein König aller Könige, dem der Gott des Himmels Königreich, Macht, Stärke und Ehre gegeben hat und alles, da Leute wohnen, dazu die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel in deine Hände gegeben und dir über alles Gewalt verliehen hat. Du bist das goldene Haupt.“

1.22.2 Das Neo-Seleukiden-Reich wird äußerst groß

Das Reich des endzeitlichen Antiochus wird von Libyen bis nach Indien reichen. Libyen, Äthiopien, Ägypten, Israel, Syrien, die Türkei, Irak und Iran, diverse Turkvölker, Pakistan, und andere gehören dazu. Das ist wahrhaftig ein sehr großes Weltreich. Es ist mindestens so groß, wie das Reich Alexanders des Großen und wird sich wahrscheinlich noch darüber hinaus ausdehnen[32].

1.22.3 Die allermeisten deuten das Standbild anders

Kommen wir wie angekündigt nochmals auf die Wuppertaler Studienbibel zurück, deren Auslegungen und Ausleger ich im Übrigen sehr schätze und deren Lektüre gerne empfehle. Die Wuppertaler Studienbibel bildet hinsichtlich der Auslegung des Standbildes den Mainstream ab und vertritt ebenfalls die Rom-Theorie. Der Eingangstext der Wuppertaler Studienbibel zu Daniel soll nunmehr vor dem Hintergrund dessen, was wir bislang zusammengetragen haben, analysiert und kommentiert werden:
„Das „vierte Königreich“ ist Rom. So hat Jesus gedeutet“[33] [die Rom-Theorie ist in Jesu Worte hineininterpretiert worden. Die hier geschilderte Variante passt mindestens genauso gut, wenn nicht sogar sehr viel besser in die Endzeitreden Jesu]
„so deutete der Jude Josephus“ [Josephus war Jude, somit Alttestamentler und hatte nicht den neutestamentlichen Geist Gottes; er scheidet also in mehrfacher Hinsicht als Deutungs-Instanz für prophetische Texte aus]
„so deutete die ganze Kirche bis zum Beginn der Neuzeit, auch Luther und Calvin“ [das ist lediglich Überlieferung].
„Dies allein entspricht auch dem tatsächlichen Geschichtsverlauf“ [das ist nicht richtig; auf Alexander folgten die Diadochen].
„Rom stimmt mit Dan. 2, 40-43 am besten zusammen. Zu Roms militärischer Entschlossenheit und Unbeugsamkeit passen „Eisen“ und „Härte“ vorzüglich.“ [Jedes aufstrebende Weltreich muss entschlossen und unbeugsam sein. Das ist keine spezifische Eigenschaft Roms. Sobald ein Reich „beugsam“ wird, zerfällt es.]
„Die allmähliche, unaufhaltsame Ausbreitung, das Knicken jeden Wiederstandes beschreibt V. 40 ausgezeichnet.“ [s.o.]
„Nicht weniger gut passen V. 41 – 43 auf die Nachfolgestaaten des römischen Weltreiches. Sie sind zahlreich und vielfältig, wie die Zehen des Bildes.“ [die Nachfolgestaaten sind nicht mehr 10, sie passen nicht mehr auf die Zehen.]
„… Man denke an Italien, Spanien, Frankreich, England, Deutschland, Portugal, Holland, Rumänien, später die Vereinigten Staaten und (als Nachfolger Ostroms) Russland“ [das ist eine mittlerweile überholte, politische Struktur].
„Bis heute beherrscht diese politisch auf Rom zurückgehende europäisch-nordatlantische Staatenwelt die Geschichte und Zivilisation der Erde.“ [Das stimmt, aber diese Aussage ist lediglich eine Wertung politischer Strukturen, die zur Auslegung Daniels verwendet wird. Es wird kein einziger (!) Vers aus der Bibel zitiert, der die Rom-Theorie stützt. Der Grund hierfür ist, dass es keinen gibt.]

1.22.4 Ist die Frau in Offenbarung 17 etwa nicht Rom?

Aber was ist mit der Frau in Offenbarung 17? Sie sitzt ja auf dem Tier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern, das in der Offenbarung und in Daniel erwähnt wird und soll nach weitverbreiteter Ansicht ein Bild auf die Römisch-Katholische Kirche sein.
Allgemein wird diese Bibelstelle unzulässigerweise wie folgt interpretiert:
· 1.: Offb. 17 sagt, dass die Frau auf dem Tier mit den sieben Häuptern sitzt
· 2.: Johannes sagt, dass diese Häupter sieben Berge sind
· 3.: hieraus schlussfolgert man in unverantwortlicher Weise, dass die Stadt Rom auch auf sieben Hügeln liege und mit der Frau in Offb. 17 gemeint sei.
Diese Schlussfolgerung ist aber unzulässig, weil vom Text nicht gedeckt. Rom liegt nämlich nicht auf sieben Bergen, sondern auf sieben Hügeln. Die Schrift spricht aber von Bergen und nicht von Hügeln. Das passt also nicht. Zudem sagt sie, dass diese sieben Berge sieben Könige sind. Sie gilt es zu identifizieren und es gilt zudem, nah am Bibeltext zu bleiben.
Offb. 17, 7 ff.:
„Und der Engel sprach zu mir: Warum wunderst du dich? Ich will dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres, das sie trägt und sieben Häupter und zehn Hörner hat. Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und wird in die Verdammnis fahren. Und es werden sich wundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an, wenn sie das Tier sehen, dass es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird. Hier ist Sinn, zu dem Weisheit gehört! Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf denen die Frau sitzt, und es sind sieben Könige.“
Der Text sagt, dass das Tier mit sieben Häuptern und zehn Hörnern die Hure trägt. Diese sieben Häupter, auf denen die Frau sitzt, sind sieben Berge und es sind sieben Könige. Das Tier und die Frau sind ein großes Geheimnis. Wie schon gesagt, wird diese Frau sehr oft auf die römisch-katholische Kirche gedeutet, weil die Stadt Rom ebenfalls auf sieben Hügeln liege. Aber auch viele andere Städte liegen auf sieben Hügeln: Amman, Athen, Bamberg, Istanbul, Jerusalem, Lissabon, Moskau, Plovdiv, Siegen, Würzburg, etc. Man könnte also mit der gleichen Berechtigung, mit der man die Frau auf Rom deutet, Moskau oder Siegen als die Hure Babylon bezeichnen. Oder Athen, Lissabon, Würzburg, usw.
Bevor man also in Offb. 17 allein wegen der dort erwähnten „sieben Berge“ die Stadt Rom und die Römisch-Katholische Kirche in den Text hineininterpretiert, sollten stichhaltigere Argumente aufgeführt werden als diese.
Offb. 17, 10 f.:
„10 Fünf sind gefallen, und einer ist, und der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muß er eine kleine Zeit bleiben. 11 Und das Tier, das gewesen und ist nicht, das ist der achte und ist von den sieben und fährt in die Verdammnis.“
Die Bibel sagt, dass die sieben Berge sieben Könige sind. Es muss sich also um Könige oder Königreiche handeln. Hier wird zumeist mit einer mehr oder weniger willkürlichen Aufzählung der Weltreiche bis Rom argumentiert. Man listet dabei die folgenden Weltreiche auf:
· 1. Ägypten
· 2. Assyrien
· 3. Babylon
· 4. Medo-Persien
· 5. Alexander der Große
· 6. das historische Römische Reich
· 7. das endzeitliche Römische Reich
Allerdings existiert eine solche Liste in der Bibel nicht. Es ist tatsächlich eine willkürliche Zusammenstellung, ohne dies an irgendeiner Stelle aus der Schrift belegen zu können.
Offenbarung 17 wird nun so gedeutet: fünf Könige sind „gefallen“ oder sind „gewesen“. Das sollen die ersten fünf Weltreiche sein:
· Der 1. König = Ägypten
· Der 2. König = Assyrien
· Der 3. König = Babylon
· Der 4. König = Medo-Persien
· Der 5. König = Griechenland
Ein König „ist“. Das soll das historische Römische Reich zur Zeit von Johannes sein:
· Der 6. König = Rom
Und der andere König ist noch nicht gekommen. Das soll ein endzeitlich neu entstehendes, antichristliches Römisches Reich sein:
· Der 7. König = ein endzeitliches neues Römische Reich
Mit dieser Aufzählung glaubt man, Offb. 17 erklären zu können. Allerdings handelt es sich um eine Auflistung, die in dieser Zusammenstellung in der Bibel nirgends existiert. Sie ist mehr oder weniger willkürlich zusammengestellt und könnte bei Bedarf auch anders lauten. Es mangelt also auch hier an einer nachvollziehbaren und belastbaren, biblischen Quellenangabe. Diese Liste ist nicht mehr als eine konstruierte Vermutung. Bei näherer Betrachtung drängt sich geradezu der Eindruck auf, als ob sich die Auslegung längst vom Bibeltext gelöst hat und ihre eigenen Wege geht. Dann ist sie aber nicht mehr Auslegung, sondern Interpretation oder sogar Spekulation. Das ist aber nicht das, was wir suchen. Was wir suchen, sind eindeutige biblische Entsprechungen und kausale Zusammenhänge innerhalb des Textes der Bibel und hieran fehlt es nicht, wenn wir die Bibel selbst zu Wort kommen lassen.
Außerdem gibt es noch einen Umstand, der bislang von den Auslegern nicht beachtet wurde, denn in der Aufzählung in Daniel 11 fehlt ein Seleukiden König …

1.23 Sieben Könige

Auf Seite 177 hatten wir bereits die Ptolemäer- und die Seleukiden-Könige aufgelistet. Sehr interessant ist nun der Umstand, dass in Daniel 11 bei der Aufzählung der Seleukiden-Könige ein König[34]ausgelassen wurde! Das hat z. B. Dr. Liebi, ein reputierter Schweizer Theologe, in seinem ansonsten sehr guten und für das Verständnis Daniels sehr hilfreichen Buch “Weltgeschichte im Visier des Propheten Daniel” leider ausgelassen, wobei er damit bei weitem nicht der einzige ist. Auch in vielen anderen Auflistungen wird dieser Umstand kaum erwähnt, denn natürlich ist das Fehlen eines Königs in einem Text, der die exakte Abfolge von Dynastien beschreibt und bei Freund und Feind eindeutig wegen seiner Historizität und Genauigkeit geschätzt oder gefürchtet ist, geradezu eine Achilles-Ferse für dessen Glaubwürdigkeit.
Setzen wir jedoch in unserer Betrachtung voraus, dass der Text zuverlässig und tatsächlich Jahrhunderte vorher von Gott eingegebene Prophetie ist, könnte durchaus und gerade die Auslassung des einen Königs einen bisher nicht bekannten Sinn ergeben. Dem spüren wir jetzt nach.
Die historische Reihenfolge der Seleukiden-Könige war wie folgt:
312-281 1. Seleukus I. Nikator 281-261 2. Antiochus I. Soter (fehlt!) 261-246 3. Antiochus II. Theos 246-226 4. Seleukus II. Kallinikus 226-223 5. Seleukus III. Soter 223-187 6. Antiochus III. der Große 187-175 7. Seleukus IV. Philopator 175-163 8. Antiochus IV. Epiphanes
Historisch gesehen waren Seleukus I. Nikator der erste und Antiochus IV. Epiphanes der achte Seleukiden-König. Ausgelassen in der Auflistung der Seleukiden-Könige wurde der zweite Seleukiden-König, nämlich Antiochus I. Soter. Dan. 11, 5 f.:
„5 Und der König gegen Mittag [Ptolemäus I.], welcher ist seiner [Alexanders] Fürsten einer, wird mächtig werden; aber gegen ihn wird einer [Seleukus I. Nikator]auch mächtig sein und herrschen, dessen Herrschaft wird groß sein. 6 Nach etlichen Jahren aber werden sie sich miteinander befreunden; die Tochter [Berenice] des Königs gegen Mittag [Ptolemäus I.] wird kommen zum König gegen Mitternacht [Antiochus II. Theos], Einigkeit zu machen [durch Heirat]. Aber ihr wird die Macht des Arms nicht bleiben, dazu wird er [Antiochus II. Theos] und sein Arm nicht bestehen bleiben; sondern sie wird übergeben werden samt denen, die sie gebracht haben, und dem, der sie erzeugt hat, und dem, der sie eine Weile mächtig gemacht hat.“
Die Heirat, die Daniel in Kap. 11, 6 beschreibt, fand zwischen dem dritten Seleukidenkönig (Antiochus II. Theos) und Berenice, einer Ptolemäer-Prinzessin, statt. Damit überspringt Daniel einen König, so dass sich nach biblischer Zählweise die folgende Reihenfolge ergibt:
312-281 1. Seleukus I. Nikator 281-261 (Antiochus I. Soter fehlt!) 261-246 2. Antiochus II. Theos 246-226 3. Seleukus II. Kallinikus 226-223 4. Seleukus III. Soter 223-187 5. Antiochus III. der Große 187-175 6. Seleukus IV. Philopator 175-163 7. Antiochus IV. Epiphanes
Nach historischer Abfolge war Antiochus IV. Epiphanes der 8. Seleukiden-König. Weil aber im Bibeltext ein König fehlt, wird er nach biblischer Zählweise zum 7. Seleukiden-König. Nun ist weithin bekannt, dass Daniel 11, 21-45 von dem historischen Seleukiden-König Antiochus IV. Epiphanes berichtet. Bei genauerem Hinsehen erkennt man jedoch noch einen zweiten König, der Antiochus IV. Epiphanes zwar sehr ähnelt, ihm aber doch nicht gleicht[35]. So teilt sich das Kapitel in Dan. 11 in zwei Teile: Der erste Teil (von Vers 22 bis Vers 35) handelt von dem historischen Antiochus IV. Epiphanes, während der zweite Teil (von Vers 36 bis Vers 45) einen noch zukünftigen Herrscher beschreibt. Es gibt im Wesentlichen zwei Gründe, warum man diese Zweiteilung unterstellt.
1. Grund: Der historische Antiochus starb in Isfahan, wo er wegen eines Tempelraubes von der aufgebrachten Bevölkerung erschlagen wurde. Der König aber, der in Dan. 11, 36-45 beschrieben wird, kommt bei der Belagerung Jerusalems (dem „werten heiligen Berg“) um.
2. Grund: Bei Anwendung dieser Zweiteilung wird am Text ablesbar, dass dem historischen Antiochus nicht gelang, was er sich immer wieder aufs Neue vornahm, nämlich das Ptolemäer-Reich zu besiegen und sich einzuverleiben. Die Umschreibungen, die Dan. 11 hierfür benutzt, lauten:
· „Es wird ihnen aber nicht gelingen; denn das Ende ist noch auf eine andere Zeit bestimmt.“ (Vers 27)
· „Aber es wird ihm zum andernmal nicht geraten wie zum erstenmal.“ (Vers 29)
· „daß er verzagen wird und umkehren muß.“ (Vers 30)
· „denn es ist noch eine andere Zeit vorhanden. (Vers 35)
Das, was dem historischen Antiochus nicht gelang, wird aber dem endzeitlichen Antiochus gelingen:
· „Und der König (der endzeitliche Antiochus) wird tun, was er will, und wird sich erheben und aufwerfen wider alles, was Gott ist;“ (Vers 36)
· „und es wird ihm gelingen, bis der Zorn aus sei;“ (Vers 36)
· „denn es muß geschehen, was beschlossen ist.“ (Vers 36)
Stellen wir die Aufteilung von Kapitel 11 einmal tabellarisch dar:
Dan 11:
„21 An des Statt wird aufkommen ein Ungeachteter, welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war; der wird mitten im Frieden kommen und das Königreich mit süßen Worten einnehmen. (Daniel 8.23) 22 Und die Heere, die wie eine Flut daherfahren, werden von ihm wie mit einer Flut überfallen und zerbrochen werden, dazu auch der Fürst, mit dem der Bund gemacht war. 23 Denn nachdem er mit ihm befreundet ist, wird er listig gegen ihn handeln und wird heraufziehen und mit geringem Volk ihn überwältigen, 24 und es wird ihm gelingen, daß er in die besten Städte des Landes kommen wird; und wird's also ausrichten, wie es weder seine Väter noch seine Voreltern tun konnten, mit Rauben, Plündern und Ausbeuten; und wird nach den allerfestesten Städten trachten, und das eine Zeitlang. 25 Und er wird seine Macht und sein Herz wider den König gegen Mittag erregen mit großer Heereskraft; Da wird der König gegen Mittag gereizt werden zum Streit mit einer großen, mächtigen Heereskraft; aber er wird nicht bestehen, denn es werden Verrätereien wider ihn gemacht. 26 Und eben die sein Brot essen, die werden ihn helfen verderben und sein Heer unterdrücken, daß gar viele erschlagen werden. 27 Und beider Könige Herz wird denken, wie sie einander Schaden tun, und werden an einem Tische fälschlich miteinander reden. Es wird ihnen aber
Der historische Antiochus IV. Epiphanes
nicht gelingen; denn das Ende ist noch auf eine andere Zeit bestimmt. 28 Darnach wird er wiederum heimziehen mit großem Gut und sein Herz richten wider den heiligen Bund; da wird er es ausrichten und also heim in sein Land ziehen. 29 Darnach wird er zu gelegener Zeit wieder gegen Mittag ziehen; aber es wird ihm zum andernmal nicht geraten wie zum erstenmal. 30 Denn es werden Schiffe aus Chittim wider ihn kommen, daß er verzagen wird und umkehren muß.
Da wird er wider den heiligen Bund ergrimmen und wird's nicht ausrichten; und wird sich umsehen und an sich ziehen, die den heiligen Bund verlassen. 31 Und es werden seine Heere daselbst stehen; die werden das Heiligtum in der Feste entweihen und das tägliche Opfer abtun und einen Greuel der Verwüstung aufrichten. (Daniel 9.27) (Daniel 12.11) (Matthäus 24.15) 32 Und er wird heucheln und gute Worte geben den Gottlosen, so den Bund übertreten. Aber die vom Volk, so ihren Gott kennen, werden sich ermannen und es ausrichten. 33 Und die Verständigen im Volk werden viele andere lehren; darüber werden sie fallen durch Schwert, Feuer, Gefängnis und Raub eine Zeitlang. (Daniel 12.3) 34 Und wenn sie so fallen, wird ihnen eine kleine Hilfe geschehen; aber viele werden sich zu ihnen tun betrüglich. 35 Und der Verständigen werden etliche fallen, auf daß sie bewährt, rein und lauter werden, bis daß es ein Ende habe; denn es ist noch eine andere Zeit vorhanden.“
Der historische Antiochus IV. Epiphanes
ZEITSPRUNG
„36 Und der König wird tun, was er will, und wird sich erheben und aufwerfen wider alles, was Gott ist; und wider den Gott aller Götter wird er greulich reden; und es wird ihm gelingen, bis der Zorn aus sei; denn es muß geschehen, was beschlossen ist. (Daniel 7.8) (Daniel 7.25)
Die endzeitl. Wiederholung des histor. Antiochus IV. Epiphanes
(2. Thessalonicher 2.4) (Offenbarung 13.5-6) 37 Und die Götter seiner Väter wird er nicht achten; er wird weder Frauenliebe noch irgend eines Gottes achten; denn er wird sich wider alles aufwerfen. (1. Timotheus 4.3) 38 Aber anstatt dessen wird er den Gott der Festungen ehren; denn er wird einen Gott, davon seine Väter nichts gewußt haben, ehren mit Gold, Silber, Edelsteinen und Kleinoden 39 und wird denen, so ihm helfen die Festungen stärken mit dem fremden Gott, den er erwählt hat, große Ehre tun und sie zu Herren machen über große Güter und ihnen das Land zum Lohn austeilen. 40 Und am Ende wird sich der König gegen Mittag mit ihm messen; und der König gegen Mitternacht wird gegen ihn stürmen mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen und wird in die Länder fallen und verderben und durchziehen 41 und wird in das werte Land fallen, und viele werden umkommen. Diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom, Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon. (Daniel 11.16) 42 Und er wird seine Hand ausstrecken nach den Ländern, und Ägypten wird ihm nicht entrinnen; 43 sondern er wird herrschen über die goldenen und silbernen Schätze und über alle Kleinode Ägyptens; Libyer und Mohren werden in seinem Zuge sein. 44 Es wird ihn aber ein Geschrei erschrecken von Morgen und Mitternacht; und er wird mit großem Grimm ausziehen, willens, viele zu vertilgen und zu verderben. 45 Und er wird den Palast seines Gezeltes aufschlagen zwischen zwei Meeren um den werten heiligen Berg, bis es mit ihm ein Ende werde; und niemand wird ihm helfen.“
Die endzeitliche Wiederholung d. historischen Antiochus IV. Epiphanes
Dieser zukünftige Herrscher, nämlich die endzeitliche Wiederholung des historischen Antiochus IV. Epiphanes, ist der Antichrist. Er ist in unserer obigen Liste der Seleukiden-Könige noch nicht enthalten, wäre aber nach biblischer Zählweise dann ein achter König. Er steht in engster Verbindung zur historischen Person von Antiochus IV. Epiphanes, dem siebten König. Dieser achte König wird laut Text Jerusalem belagern und dort sein Ende finden[36]. Daher müssen wir unsere Liste um diesen achten König erweitern und damit sieht sie dann so aus:
312-281 1. Seleukus I. Nikator 281-261 (Antiochus I. Soter fehlt!) 261-246 2. Antiochus II. Theos 246-226 3. Seleukus II. Kallinikus 226-223 4. Seleukus III. Soter 223-187 5. Antiochus III. der Große 187-175 6. Seleukus IV. Philopator 175-163 7. Antiochus IV. Epiphanes
- ZEITSPRUNG –
Endzeit 8. Endzeitliches Aufkommen eines neuen Antiochus Epiphanes: des Antichristen
Auf diese Liste kommen wir gleich noch einmal zurück.

1.24 Sieben Häupter

Schauen wir uns jetzt den Bibeltext in Offb. 17, 11 noch einmal genau an:
„Und das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist, das ist der achte und ist einer von den sieben und fährt in die Verdammnis.“
Der Text spricht von einem achten König, der „von den sieben“ ist und in die Verdammnis fährt. Dieser achte König ist aber in der auf S. 206abgedruckten willkürlichen Zusammenstellung von Weltreichen offensichtlich nicht enthalten! Denn sie endet mit dem 7. Weltreich, respektive einem 7. König, den diese Art der Deutung auf den Herrscher des antichristlichen Endzeitreichs, nämlich Rom, deuten will. Auch hierin greift diese Art der Interpretation also zu kurz und wird dem biblischen Text erneut nicht gerecht, denn sie kann den 8. König nicht erklären! Wer aber ist der 8. König?
Es ist die endzeitliche Wiederholung des historischen Antiochus IV. Epiphanes. Es ist der Antichrist, der dem historischen Antiochus überaus ähnlich ist. Er ist somit ein Neo-Seleukide und kein Römer.

1.25 Die Erklärung

Das Tier mit den sieben Häuptern aus Offenbarung 17 finden wir erstaunlicherweise in Daniel 11 erklärt, denn die sieben Häupter aus Offenbarung 17 stehen für die sieben Seleukiden-Könige aus Dan. 11. Diese Liste mit sieben Königen ist innerhalb der Bibel enthalten, denn Daniel selbst zeigt sie uns! Wir müssen also keine Liste konstruieren, sondern die Bibel liefert uns diese Aufstellung in Daniel 11. Danach hatten wir gesucht. Bei der hier vorgenommenen Auslegung von Offb. 17 können wir also eine innerbiblische (!) Quelle anführen. Das ist für die Zuverlässigkeit der hier gemachten Auslegung von eminenter Bedeutung und unterscheidet sie von der Rom-Theorie nachhaltig!
Diese innerbiblische Erklärung für die sieben Häupter aus Offb. 17, die sieben Berge und sieben Könige sind, liegt zudem eben in dem Buch der Bibel, das der Offenbarung des Johannes naturgemäß am nächsten kommt: dem Propheten Daniel. Diese Auflistung ist also nicht willkürlich zusammengestellt worden, sondern in der Bibel enthalten. Und: Sie enthält den achten Seleukiden-König! Den König, der erst am Ende der Zeit kommt und dem gelingen wird, was er sich vornimmt (Dan. 11, 36) und der von den sieben (Seleukiden) abstammt! Das wiederum ermöglicht uns nun, Offenbarung 17 mit ganz neuen Augen zu sehen und zu verstehen.
Es ist mir wichtig zuvor noch eine kurze Wertung unseres Ergebnisses vorzunehmen: Wir können jetzt erklären, warum in der Liste der Seleukiden-Könige in Daniel 11 dieser eine König in der Aufzählung fehlen muss! Diese Auslassung ist also keine Unschärfe oder ein Fehler in der Prophetie Daniels, sondern gerade in dieser augenscheinlich fehlerhaften Struktur liegt ein weiterer Beweis für die göttliche Inspiration dieses so sehr alten und umstrittenen Textes! So, als ob uns Gott geradezu darauf stoßen will. Zudem gibt es in der Bibel keine andere Auflistung, die mit Offb. 17 korreliert.
Johannes bedient sich aber einer, wie schon gesagt, recht kryptisierten Formulierung, wenn er die Prophetie von Daniel 11 wieder aufnimmt. In Dan. 11 werden die 7 Seleukidenkönige ja in allen Details aufgelistet. Für die Endzeit schließlich sagt Johannes die Vollendung und Erfüllung der in Dan. 11 beschriebenen sieben Könige und schließlich auch des achten, des Antichristen, voraus. Um den Faden wieder aufzunehmen formuliert er also wie folgt (Offb. 17, 9 ff.):
„Hier ist der Sinn, der zur Weisheit gehört! Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf welchen das Weib sitzt, und sind sieben Könige. Fünf sind gefallen, und einer ist, und der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muß er eine kleine Zeit bleiben. Und das Tier, das gewesen und ist nicht, das ist der achte und ist von den sieben und fährt in die Verdammnis.“
Die hier beschriebenen sieben Häupter sind also sieben Berge (Seleukiden-Reiche), auf denen das Weib (Jerusalem) sitzt, und es sind 7 (Seleukiden-) Könige. Wenn Johannes nun die Liste aus Dan. 11 wieder aufnimmt, geschieht das mit einer zugegebenermaßen geheimnisvollen Auflistung. Denn er beginnt mit „Fünf sind gefallen“, so als ob er die ersten fünf historischen Seleukidenkönige als für die Endzeit nicht mehr relevant ansieht.
Dann führt er fort: „und einer (also der sechste) ist“ und fügt sogleich an „und der andere ist noch nicht gekommen“. Natürlich stellt sich sofort die Frage, welche der Seleukiden-Könige Johannes hier meint. Meint er mit „dem, der ist“ den historischen Seleukiden König, also Seleukus IV. Philopator, oder meint er einen Seleukiden König, der zur Zeit der Abfassung der Offenbarung, also zu Lebzeiten von Johannes (um das Jahr 90 n. Chr.), herrschte oder meint er einen zukünftigen neo-seleukidischen König der Endzeit?
Die zweite Variante, also die, bei der man vermuten könnte, dass Johannes einen Seleukiden-Könige meine, der zu seinen Lebzeiten herrschte, erscheint unwahrscheinlich, da zur Zeit von Johannes zwar die Dekapolis noch existierte, diese aber keinen eindeutigen Herrscher und schon gar keinen König gehabt hat, der einem der historischen, in Daniel 11 aufgelisteten Seleukiden-Könige entsprochen hätte. Den historischen Seleukus IV. Philopator kann er aber auch nicht gemeint haben, denn der regierte von 187 bis 175 v. Chr. und damit ebenfalls nicht im Jahr 90 n. Chr. Die Bedeutung der Verse in Offb. 17 ist also dunkel.
Die wahrscheinlichste Variante ist die, dass Johannes für die Endzeit eine Wiederaufnahme der historischen Liste sieht, sodass in der Endzeit, wenn das neo-seleukidisches Reich sich formieren wird, die Reihenfolge von einem „Sechsten“ über „den Siebten“, der „eine kurze Zeit bleiben muss“, bis schließlich zu dem Achten, dem Antichristen, reicht. Diese Formulierungen gedanklich nachzuvollziehen ist allerdings nicht ganz leicht. Johannes nimmt mit diesen nur schwer verständlichen Worten eine politische Struktur aus der Frühzeit der Antike auf und führt sie für die Endzeit bis hin zum Antichristen.
Daniel selbst zeigt uns in Kapitel 11 eigentlich sehr deutlich, dass er im 5. Jhdt. v. Chr. sieben historische Seleukiden-Könige beschreibt, deren Regierungszeiten von 312 bis 163 v. Chr. reichten und mit der Regierung von Antiochus Epiphanes im Jahr 163 v. Chr. endeten.
Der 8. König hingegen, den Daniel in Kapitel 11 von Vers 36 bis Vers 45 beschreibt, hat aber keine historische Entsprechung! Die Erfüllung seiner Herrschaft ähnelt zwar sehr der des historischen Antiochus, Daniel verweist seine Herrschaft aber ganz offensichtlich in die Endzeit. Diese danielische Sichtweise muss m. E. die Basis sein, von der aus Offb. 17 einzuordnen ist.
Johannes seinerseits bedient sich, wie schon gesagt, einer verklausulierten Formulierung, wenn er eben diese danielische Seleukidendynastie wieder aufnimmt. Denn auch er konzentriert sich in Kap. 17 deutlich auf den achten König. Die textuelle Hinführung zu diesem letzten, achten König, dem Antichristen, geht allerdings sehr verschlüsselt von statten und man muss sich gedanklich sehr auf den Text einlassen. Die folgende Deutung der Verse erscheint naheliegend: Johannes wertet die ersten fünf Seleukidenkönige aus Daniel 11 als bereits erfüllt. Der 6. König, den er als „einer ist“ bezeichnet, kann zeitlich nur in die Endzeit verortet werden. Der 7. König, den Johannes als „der andere ist noch nicht gekommen“ bezeichnet, kann dann ebenfalls nur auf einen endzeitlichen Neo-Seleukiden-König gedeutet werden. Der achte König schließlich ist der Antichrist, der in seiner Ausprägung sehr stark an den historischen Antiochus IV. Epiphanes erinnert.

1.26 Die Hure Babylon liegt im Vorderen Orient

Das Tier mit den 7 Häuptern und den 10 Hörnern ist ein Bild auf die Seleukiden-Könige (7 Häupter) in Verbindung mit der Dekapolis (10 Hörner). Wenn aber der achte König eine endzeitliche Neuauflage des historischen Antiochus IV. Epiphanes ist, dann kann die Frau in Offb. 17 nur dann auf diesem Tier sitzen, wenn sie sich nicht in Rom, sondern ebenfalls im Vorderen Orient befindet. Sonst fällt sie von dem Tier herunter. Wer im Vorderen Orient soll aber für die Hure Babylon stehen, die die Mutteraller Hurerei ist, die trunken war von dem Blut der Heiligen (aus dem Alten Testament) und der Zeugen Jesu (aus dem Neuen Testament)?
Die Hure Babylon, die Mutter aller Hurerei, ist: Jerusalem ...[37]
Das ist ein großes Geheimnis[38]. Es ist so erstaunlich, dass selbst Johannes staunte, als er sie sah[39]. Wir müssen lernen, die Bibel nicht als Europäer zu lesen oder als Amerikaner oder als Asiate. Wir müssen uns von dem lösen, was wir vor Augen haben und uns auf die Perspektive der Bibel und ihre Aussagen einlassen.

1.27 Auslegung von Offb. 17

Um Offb. 17 verstehen zu können, ist also die Kenntnis der folgenden Fakten und Schlussfolgerungen aus dem Bibeltext Voraussetzung:
a) Die Frau, von der hier die Rede ist, die Hure Babylon, ist das endzeitliche Jerusalem.
b) Das Tier, das das von Gott abgefallene Jerusalem trägt, ist das Neo-Seleukidenreich, das aus den 7 Königen, die in Dan. 11 erwähnt werden, abstammt. Es wird am Ende der Gemeindezeit wiedererstehen.
c) Der achte König ist der Antichrist, der eine Wiederholung des historischen Antiochus IV. Epiphanes ist. Er wird in Dan. 11 beschrieben, indem er aus dem historischen Antiochus Epiphanes abgeleitet und für die Endzeit vorhersagt wird.
d) Es ist absolut naheliegend, dass dieser achte König, wie sein historisches Vorbild, ein (Neo-)Seleukide sein wird.
e) Sein kommendes Reich wird hier symbolisiert durch die sieben Häupter, nämlich durch die sieben im Bibeltext gelisteten Seleukiden-Könige, die in Daniel 11 aufgezählt werden.
f) Diese sieben Häupter sind sieben Berge, nämlich sieben politische Reiche: die (nach biblischer Zählung) sieben Seleukiden-Dynastien.
g) Und es sind natürlich auch sieben Könige, nämlich sieben Seleukiden-Könige.
Der achte von ihnen ist „von den sieben“[40]. Das bedeutet, dass die endzeitliche Neuauflage des historischen Antiochus IV. Epiphanes ebenfalls aus der historischen Seleukiden-Dynastie entstammt, einer Dynastie, die in der Endzeit erneut und unerwartet auf der Welten-Bühne auftritt.
Damit ist die vorliegende Auslegung stimmig – und das deshalb, weil Rom außer Acht gelassen wurde und der Fokus auf die Diadochen und ihre Nachfolger (Epigonen) gelegt wird, wie dies der biblische Text in Daniel zwingend vorgibt. Dieses Tier (nämlich das Seleukidenreich), das „war und nicht ist und sein wird“, wird am Ende der Gemeindezeit erneut aufkommen, so wie in Offb. 17, 8 beschrieben. Damit haben wir jetzt eine sehr genaue Erklärung dessen in Händen, was Johannes schreibt.
Jetzt wird endlich auch deutlich, warum das Verständnis der Texte der Offenbarung durch die Art, wie das Standbild im Propheten Daniel ausgelegt wird, aufs Nachhaltigste beeinflusst wird.
Versuchen wir jetzt, ob wir den Bibeltext in Offb. 17 mit dem, was wir bisher gefunden haben, besser verstehen können.
Offb. 17, 1-18:
„Und es kam einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen hatten, redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir zeigen das Gericht über die große Hure [das abgefallene Jerusalem], die an vielen Wassern sitzt, mit der die Könige auf Erden Hurerei getrieben haben; und die auf Erden wohnen, sind betrunken geworden von dem Wein ihrer Hurerei. Und er brachte mich im Geist in die Wüste. Und ich sah eine Frau auf einem scharlachroten Tier [das endzeitliche Seleukiden-Reich] sitzen, das war voll lästerlicher Namen und hatte sieben Häupter [die Neo-Seleukiden-Könige]und zehn Hörner [die Neo-Dekapolis]. Und die Frau [Jerusalem] war bekleidet mit Purpur und Scharlach und geschmückt mit Gold und Edelsteinen und Perlen und hatte einen goldenen Becher in der Hand, voll von Gräuel und Unreinheit ihrer Hurerei, und auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon [Jerusalem, in Offb. 11 als „Sodom und Ägypten“ bezeichnet], die Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden [das ist während der 2. Hälfte der 70. Jahrwoche]. Und ich sah die Frau, betrunken von dem Blut der Heiligen und von dem Blut der Zeugen Jesu [weil in Jerusalem die beiden Zeugen, das wiedergeborene Haus David und die Bürger zu Jerusalem, umgebracht wurden]. Und ich wunderte mich sehr, als ich sie sah [denn Johannes hätte hier Jerusalem nicht erwartet]. Und der Engel sprach zu mir: Warum wunderst du dich? Ich will dir sagen das Geheimnis der Frau und des Tieres, das sie trägt und sieben Häupter [die Neo-Seleukiden] und zehn Hörner [die Neo-Dekapolis] hat. Das Tier, das du gesehen hast [die historischen Seleukiden], ist gewesen [312 – 186 v. Chr.] und ist jetzt nicht [evtl. im 1. Jhdt. n. Chr., wahrscheinlicher aber in der Endzeit] und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund [zur letzten Zeit] und wird in die Verdammnis fahren. Und es werden sich wundern, die auf Erden wohnen, deren Namen nicht geschrieben stehen im Buch des Lebens vom Anfang der Welt an, wenn sie das Tier [die historischen Seleukiden und in der Endzeit die Neo-Seleukiden] sehen, dass es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird. Hier ist Sinn, zu dem Weisheit gehört! Die sieben Häupter sind sieben Berge [also 7 Königreiche], auf denen die Frau sitzt, und es sind sieben Könige [die sieben in Daniel aufgezählten Seleukiden]. Fünf sind gefallen, einer ist da [der sechste Seleukiden-König], der andre [der siebte Seleukiden-König] ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. Und das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist, das ist der achte [die endzeitliche Wiederholung des historischen Antiochus IV. Epiphanes: der Antichrist] und ist einer von den sieben [von den sieben historischen Seleukiden-Königen] und fährt in die Verdammnis. Und die zehn Hörner [die Neo-Dekapolis], die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wieKönige [es sind nämlich keine wirklichen Könige, sondern als Beherrscher der jeweiligen Dekapolis-Städte ähneln sie in ihrer Funktion Königen] werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier [mit dem Antichristen]. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier [sie unterordnen sich (wahrscheinlich in der Mitte der 70. Jahrwoche) dem Antichristen]. Die werden gegen das Lamm kämpfen [nämlich gegen die Christen] und das Lamm [Christus] wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige, und die mit ihm sind [die Christen], sind die Berufenen und Auserwählten und Gläubigen. Und er sprach zu mir: Die Wasser, die du gesehen hast, an denen die Hure sitzt, sind Völker und Scharen und Nationen und Sprachen. Und die zehn Hörner [die Neo-Dekapolis], die du gesehen hast, und das Tier [der Antichrist, seleukidischen Ursprungs], die werden die Hure [Jerusalem] hassen und werden sie ausplündern und entblößen und werden ihr Fleisch essen und werden sie mit Feuer verbrennen. Denn Gott hat's ihnen in ihr Herz gegeben, nach seinem Sinn zu handeln und eines Sinnes zu werden und ihr Reich dem Tier [dem neo-seleukidischen Antichrist] zu geben, bis vollendet werden die Worte Gottes. Und die Frau, die du gesehen hast, ist die große Stadt [Jerusalem], die die Herrschaft hat [für 42 Monate in der 2. Hälfte der 70. Jahrwoche]über die Könige auf Erden [die Könige, die zum Reich des endzeitlichen Antiochus gehören].“
Es wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, den Bibeltext genau zu beachten und Interpretation nicht mit Auslegung zu verwechseln, auch wenn das Ergebnis zunächst nicht unseren Vorstellungen entspricht. Aber es wird auch deutlich, dass eine Auslegung, die sich eng am Bibeltext orientiert, schlüssig und gut nachvollziehbar ist.

1.28 Vier Schenkel statt zwei Beine

Schauen wir uns zum Schluss noch einmal die beiden Beine des Standbildes an. Wir werden hier etwas Unerwartetes finden.
In Daniel 2, 32-33 (Lutherbibel 1984) finden wir folgende Übersetzung:
„Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton.“
Hier steht nur ein kleiner Halbsatz, der die beiden Beine beschreibt:
„…, seine Schenkel waren von Eisen, …“
Bei oberflächlichem Lesen fällt hier nichts Ungewöhnliches auf. Aber die Bibel spricht hier nicht von Beinen. Sie spricht von Schenkeln. Wie viele Schenkel hat ein Bein? Zwei, nämlich einen Oberschenkel und einen Unterschenkel. Also haben die beiden Beine des Standbildes insgesamt vier Schenkel. Diese vier Schenkel stehen für die vier Diadochen-Könige: Seleukus, Ptolemäus, Kassander und Lysimachus und nicht für Ost- und West-Rom.
Das mag erneut ungewöhnlich klingen, ist aber nach sprachlichem Befund durchaus möglich. Bleiben wir zunächst im Bild:
· es gab zwei mächtige Diadochen (die Seleukiden und die Ptolemäer): die Oberschenkel
· und es gab 2 weniger mächtige Diadochen (Lysimachus und Kassander): die Unterschenkel
Wenden wir uns dem Bibeltext zu, stellen wir fest, dass ausnahmslos alle (!) Lutherbibeln mit „die Schenkel aus Eisen“ übersetzen. Bibelübertragungen und neuere Bibelübersetzungen übersetzen oft mit „die Beine aus Eisen“. Die Schlachterbibel (2000) übersetzt:
„… seine Oberschenkel aus Eisen, …“
… was aber keinen Sinn macht, denn die Füße eines Standbildes folgen nicht auf die Oberschenkel. Hier fehlen schlicht die Unterschenkel. Der Text wurde durch die Übersetzung „verschlimmbessert“.
Fast alle englischen Bibelübersetzungen übersetzen leider mit „legs“ (Beine). Aber es gibt auch hier Ausnahmen. Die Catholic Public Domain Version von 2009 (CODV) übersetzt:
“… but the shins (Schienbeine) were of iron, ...”.
Die New Century Version (NCV) übersetzt:
“… the lower part of the legs were [sic!] made of iron, ...”
Damit wären dann im Unterschied zur Schlachterbibel die Unterschenkel gemeint, statt die Oberschenkel. Offensichtlich unterscheidet die Bibel aber nicht zwischen Unter- und Oberschenkel, sonst kämen diese unterschiedlichen Übersetzungsweisen ja nicht zu Stande. Die Bibel schreibt lediglich von “Schenkeln”, wie die Lutherbibeln dies durchgängig übersetzen.
Die Easy to read Version - Revised Edition (ERV) übersetzt ebenfalls:
“The lower part of the legs were [sic!] made from iron.”
Wir sehen also, dass es durchaus unterschiedliche Meinungen zu dem Aramäischen Wort gibt, die dann auch unterschiedlich übersetzt werden.

1.29 Die Übersetzung der Bezeichnung Schenkel

Die Bedeutung und die grammatikalische Form des aramäischen Wortes „shak/shok“ ist nicht eindeutig, was die Übersetzung erschwert. Im Aramäischen – und Dan. 2, 33 gehört ja zum aramäischen Teil des Alten Testaments – kommt das Wort „shak/shok“ nur einmal vor. Es kann mit „Schenkel“ oder auch mit „Bein“ übersetzt werden. Eine eindeutige Festlegung auf Ober– oder Unterschenkel ist nicht zu erkennen, es kann beides bedeuten.

1.30 Die grammatikalische Form

In der Aramäischen Grammatik gab es Singular, Plural und Dual. Der Dual steht in der Regel für paarweise Gegenstände, der Plural für mehrere. Im Deutschen gibt es meines Wissens nach keine reine Dualform. Beispiele für den Plural im Deutschen sind: „Eltern, Leute, Lebensmittel, Ferien, Geschwister, Schreibwaren, Spielwaren“ etc. Im Englischen gibt es das Wort „trousers“ für Hose, weil die Hose zwei Hosenbeine hat. Aber auch das ist keine echte Dualform, sondern nur ein Plural. Im Aramäischen gab es aber neben Singular und Plural auch noch eine reine Dualform. Bei dem in Dan. 2 verwendeten Begriff schak/shokist es nicht mehr eindeutig festzustellen, ob der Dual oder der Plural benutzt wird. Denn nach sprachwissenschaftlichem Befund sind Dual und Plural auch im Aramäischen mit der Zeit ineinander aufgegangen.
Die hier verwendete grammatikalische Form muss also nicht zwingend ein Paar bedeuten, sondern kann auch eine schlichte Mehrzahl, ein Plural, sein, sodass die Formulierung „seine Schenkel aus Eisen“ nicht auf zwei Beine oder zwei Schenkel reduziert sein muss. Die Unterstellung, dass es sich hier um 4 Schenkel handelt, widerspricht also nicht dem sprachwissenschaftlichen Befund und ist erlaubt. Damit können wir die folgende Tabelle zeichnen:
Setzen wir „4 Schenkel“ als Deutung voraus, sieht unsere Tabelle so aus: [GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Es gibt aber noch zwei weitere Gründe, hier den Plural anzunehmen, und die beiden eisernen Beine auf vier Schenkel zu deuten. Den ersten Grund haben wir bereits genannt und ist rein anatomischer Natur: zwei Beine haben vier Schenkel, nämlich zwei Oberschenkel und zwei Unterschenkel. Der zweite Grund ist, dass in der Prophetie Daniels auf Alexander stets die vier Diadochen folgen! So finden wir an anderer Stelle in Daniel einen Ziegenbock mit einem Horn (Alexander den Großen), aus dem 4 Hörner (die 4 Diadochen) hervorkommen oder einen Panter (Griechenland) mit 4 Köpfen (wieder die 4 Diadochen). Das alles sind sehr starke Argumente dafür, dass im Standbild auf den bronzenen Bauch (Alexander den Großen) tatsächlich 4 Schenkel folgen (nämlich wiederum die 4 Diadochen). Wenn es sich aber tatsächlich um 4 Schenkel handelt, ist eine Deutung auf Rom nicht mehr möglich, aber wie wir gesehen haben, auch nicht mehr notwendig. Es geht beim Standbild und seinen 4 Schenkeln um die 4 Diadochen-Könige, die hier in Form von „Schenkeln“ im Text zugegebener Weise sehr zurückhaltend beschrieben werden. Damit müssen wir unsere Tabelle noch einmal überarbeiten:
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Damit stimmt Daniel 2 in bisher ungekannter Genauigkeit mit Daniel 7 überein. Diese unmittelbare Synchronität der beiden Visionen ist ein weiterer starker Hinweis dafür, dass die beiden Beine bzw. die vier Schenkel des Standbildes nicht auf Rom gedeutet werden können, sondern ein Bild für die vier Diadochen sind. Auf den bronzenen Bauch und die bronzenen Seiten (Alexander den Großen) des Standbilds folgen ganz natürlich vier Schenkel aus Eisen (die Diadochen). In Daniel 8 wiederum finden wir die Vision von dem Widder und dem Ziegenbock. Der Ziegenbock wird im Text eindeutig als der „König von Griechenland“ erklärt. Er hat ein großes Horn. Dieses Horn ist Alexander der Große. Das Horn zerbricht (Alexander der Große stirbt) und vier ansehnliche Hörner wachsen an seiner Stelle. Diese vier Hörner sind die vier Diadochen, die auf Alexander den Großen gefolgt sind. Eine weitere Spalte kann ergänzt werden:
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Diese zunächst inhaltlich abgeleitete Synchronität zwischen Daniel 2 und 7 und 8 ist derart gewichtig, dass eine vertiefte sprachwissenschaftliche Untersuchung der Dual- bzw. der Pluralform des Begriffs shak/shok angezeigt ist, was aber meine Möglichkeiten übersteigt. Daniel zeigt uns also sehr deutlich, dass auf Alexander den Großen eben nicht das Römische Reich folgt, sondern 4 Diadochen-Könige, und zwar in Form von 4 Köpfen bei dem Panther, 4 Hörnern bei dem Ziegenbock und 4 Schenkeln bei dem Standbild. Auch die Aufzählung und Zuordnung der vier Tiere in Dan. 7 ändert und ordnet sich jetzt.
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Daniel sieht in Kapitel 7 Alexander den Großen und seine vier Diadochen in einem einzigen Tier (nämlich dem dritten) zusammengefasst. Über das vierte Tier schreibt er:
„Nach diesem sah ich in den Nachtgesichten und siehe, ein viertes Tier, furchterregend, schrecklich und außerordentlich stark; es hatte große eiserne Zähne, fraß und zermalmte und zertrat das Übrige mit den Füßen; es war ganz anders als alle vorherigen Tiere und hatte zehn Hörner.“
Nun wird auch verständlich, warum dieses vierte Tier ganz anders ist als die drei Tiere vor ihm. Der Grund, dieses vierte Tier auf das Römische Reich zu deuten, war bislang, dass Rom angeblich brutaler gewesen sein soll als seine Vorgänger. Wir haben aber gesehen, dass es sich statt um Rom um das endzeitliche Reich des Antichristen handelt. Dieses Endzeitreich wird über andere und bessere technische und wirtschaftliche Möglichkeiten verfügen als alle seine antiken Vorgänger. Das ist der Grund, warum es laut Dan. 7, 7 so ganz anders ist als die anderen Tiere. Auch der Engel, den Daniel um Auskunft bittet, erklärt ihm, dass dieses vierte Tier sich von allen anderen Königreichen vor ihm unterscheidet.
Dan. 7, 23:
„Er sprach: »Das vierte Tier bedeutet ein viertes Reich, das auf Erden sein wird; das wird sich von allen anderen Königreichen unterscheiden, und es wird die ganze [damals bekannte] Erde fressen, zerstampfen und zermalmen.“
Auffällig ist, dass es eiserne Zähne und bronzene Krallen hat (V. 19):
„Hierauf wünschte ich sichere Auskunft über das vierte Tier, das sich von allen anderen unterschied, das so furchterregend war und eiserne Zähne und eherne Klauen hatte, …“
Durch die neue Sicht auf das Standbild wird verständlich, dass Eisen auf die eisernen Schenkel (die Diadochen) deutet und Bronze für den König von Griechenland (Alexander den Großen) steht. Das Endzeitreich des Antichristen hat seleukidisch-griechische Wurzeln! Das Standbild, von dem Nebukadnezar träumte, ist gleichsam wie ein Setzkasten, in den alle folgenden Visionen im Propheten Daniel einzuordnen sind. Dies war mit der Rom-Theorie bislang nicht durchgängig möglich. Die zehn Hörner, die das Tier hat, deuten auf die Neo-Dekapolis. Denn in Dan. 7, 24 steht:
„Die Zehn Hörner bedeuten zehn Könige, so aus dem Reich [aus dem vierten Tier, nämlich dem Seleukidenreich] entstehen werden.“
Dies ist in direkter Übereinkunft mit dem historischen und archäologischen Befund. Denn die Dekapolis-Städte wurden - wie oben argumentiert - sämtlich von den Seleukiden gegründet oder umgeprägt! In einer tabellarischen Synopse der maßgeblichen Kapitel aus Daniel und aus der Offenbarung ergibt sich das folgende, unter Umständen ungewohnte, aber mit dem biblischen Text in bisher nicht gekannter Übereinkunft stehende Bild:
[GRAFIK - hier nicht darstellbar]
Es wird Folgendes deutlich:
· Die Interpretation der „beiden eisernen Beine“ auf Rom entbehrt jeder Grundlage im Text des Buches Daniel.
· Nach überwiegender Übersetzung ist es naheliegend, dass das Standbild nicht zwei Beine, sondern eiserne Schenkel hat, und zwar vier.
· Der sehr oft in Predigten und Vorträgen vollzogene assoziative Sprung des im Standbild unterstellten Römischen Reichs hin zur Römisch-Katholischen Kirche ist vielleicht assoziativ naheliegend, aber unzulässig, da Daniel ausschließlich politische Weltreiche beschreibt.
· Daniel führt seine Prophetie mit größter Zielstrebigkeit zu den Seleukiden und hier insbesondere zu Antiochus IV. Epiphanes.
· Dies und andere Schriftstellen lassen auf eine endzeitliche Neuauflage des historischen Seleukiden-Reichs und des historischen Antiochus IV. Epiphanes schließen.
· Dieses Endzeitreich wird größer sein als das Alexanders des Großen und vereint alle Eigenschaften Babylons, Medo-Persiens, Alexanders des Großen und der Seleukiden auf sich.
· Es steht ebenfalls in enger Verbindung mit einer endzeitlichen Neuauflage der historischen Dekapolis.
· Dieses Reich und sein Herrscher werden Jerusalem angreifen und besiegen. Seine Zeit ist auf 42 Monate begrenzt. Christus selbst wird schließlich dieses Reich und seinen König bekämpfen und besiegen.
· Die Lehre von den vier Reichen (sog. „Vier-Reiche-Lehre“) ist zu überarbeiten und dem Daniel-Text anzupassen.

1.31 Die vergessenen Füße!

In der Bibel steht, dass der Stein, der ohne Hände vom Felsen herabgerissen wird, das Standbild an seine Füße schlägt. Das bedeutet aber doch nichts anderes, als dass Christus dann wiederkommt, wenn die beiden Füße regieren! Es scheint also wichtig zu sein, wer genau die beiden Füße sind.
Dan. 2:
„32 Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, 33 seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton. 34 Das sahst du, bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. … 44 Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben, 45 wie du ja gesehen hast, dass ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte.“
In der bisher üblichen Art der Auslegung soll das antike Rom (Ost- und West-Rom) durch zwei eiserne Beine symbolisiert und schon Geschichte sein. Das endzeitlich wiedererstehende Römische Reich soll dann in Form der Europäischen Union durch die zehn Zehen des Standbildes symbolisiert sein. Bei dieser Art der Deutung bleibt aber für die Füße keine politische Struktur mehr übrig, in die man sie einordnen könnte. Also übergeht man sie einfach, was aber zu einer unvollständigen Deutung des Textes führt und dem Bibeltext nicht mehr gerecht wird.
Allein hieran wird schon deutlich, dass diese Interpretation durchaus auf tönernen Füßen steht. Zur Auslegung des Propheten Daniel bedarf es also deutlich mehr Textbezogenheit. In der hier vorgestellten Sichtweise befindet sich zwischen den 4 Schenkeln und den beiden Füßen ein Zeitsprung von dem historischen Antiochus Epiphanes bis in die Endzeit. Die beiden Füße sind die Neuauflage der historischen Seleukiden und Ptolemäer. Der endzeitliche Herrscher, den wir oben den achten König genannt haben, wird während seiner Herrschaft das erreichen, was dem historischen Antiochus IV. Epiphanes nicht gelang: Er wird Ägypten besiegen. Die Wiederholung der historischen Struktur der Seleukiden und der Ptolemäer wird durch die beiden Füße symbolisiert. Es ist also nicht so, als ob die beiden Füße in unser Modell nicht passen würden, wie das in der Rom-Theorie stets der Fall ist, sondern wir benötigen sie dringend, um die endzeitlich-politische Struktur, die wir an anderer Stelle erarbeitet haben, auch im Standbild wiederzufinden.
Befassen wir uns daher auch noch kurz mit dem Material, mit dem die Füße und die Zehen beschrieben werden, nämlich Eisen und Ton.
In der Endzeit finden wir folgende politische Situation vor: es gibt ein neu entstehendes Seleukidenreich, wahrscheinlich das heutige Syrien, ein neu entstehendes Ptolemäer-Reich, wahrscheinlich das heutige Ägypten, und eine neu erstehende Struktur der historischen Dekapolis, nennen wir sie Neo-Dekapolis. Diese Neo-Dekapolis wird im Bund sein mit dem Neo-Seleukidenreich. Das biblische Bild hierfür ist ein Tier mit sieben Hörnern (die Neo-Seleukiden) und zehn Häuptern (die Neo-Dekapolis).
Aber auch Israel spielt eine bislang unbekannte Rolle in der Endzeit. Israel wird sich in ein Nord- und ein Südreich teilen[41]. Dieser nördliche Teil Israels wird – analog zum syro-ephraimitischen Krieg (Jes. 7) - mit Syrien einen Bund schließen und gegen Juda und Jerusalem kämpfen[42].
Das, was wir gefunden haben, lässt also für die Deutung des Standbildes den Schluss zu, dass es sich bei den beiden Füßen um die Neo-Seleukiden und die Neo-Ptolemäer handelt. Die zehn Zehen stehen für die Neo-Dekapolis. Es scheint zunächst so, als ob der Bund mit dem Nordreich Israels im Standbild nicht beschrieben sei. Aber der Reihe nach.
Füße und Zehen bestehen einerseits aus Eisen. Eisen steht für das alexandrinisch-griechische Wesen der Diadochen (die eisernen Schenkel) und in der Endzeit für die Neo-Seleukiden. Andererseits sind die Füße und Zehen aber auch aus Ton. Wer aber ist mit diesem Ton gemeint?
Die Neo-Seleukiden und die Neo-Ptolemäer sind Nachkommen der Diadochen und daher eindeutig dem Eisen zuzuordnen. Die Dekapolis steht ebenfalls in der Tradition der Diadochen, denn alle ihre Städte wurden von den Seleukiden gegründet oder umgeprägt. Also bleibt für den Ton niemand anderes übrig als … Israel!
Das klingt zunächst unglaublich. Aber erinnern wir uns: das Standbild wird von einem Felsenzerstört, der von einem Berg herabgerissen wird. Er schlägt das Standbild an seine Füße und zertrümmert es. Dieser Fels ist Christus. Ton und Felssind beide Bestandteile der Erde. Da Christus nach dem Fleisch Jude war und aus Israel stammte (er ist der „Fels Israels“), macht es durchaus Sinn, dass der Ton im Standbild ein Bild für das Volk des Christus ist: Israel.
Das im Standbild gezeichnete Endzeitreich besteht also aus Eisen und Ton: aus den Neo-Seleukiden (Diadochen-Nachfahren: Eisen), aus der Neo-Dekapolis (Diadochen-Nachfahren: Eisen) und aus abgefallenen Israeliten des Nordreichs (Ton). Sie sind nicht aus Stein, sondern aus „weichem“ Ton, denn sie koalieren mit dem Mächtigen der Endzeit. Sie begeben sich unerlaubterweise mit den Endzeit-Seleukiden in einen Bund und vermischen sich mit diesen (Dan. 2, 43):
„Und dass du gesehen hast Eisen mit Ton vermengt: werden sie sich wohl nach Menschengeblüt untereinander mengen, aber sie werden doch nicht aneinander halten, gleichwie sich Eisen mit Ton nicht mengen lässt.“
Aber ihr Fels, Christus, ist „steinhart“: er wird den Endzeitkönig und sein Reich zerstören.
Dan. 2, 44 f.:
„Aber zur Zeit solcher Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Königreich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und verstören; aber es selbst wird ewiglich bleiben; 45 wie du denn gesehen hast einen Stein, ohne Hände vom Berge herabgerissen, der das Eisen, Erz, Ton, Silber und Gold zermalmte.“

1.32 Griechenland in der Endzeit

Wir haben gesehen, dass das Standbild vom Bauch herab bis zu den Zehen von Alexander dem Großen, dem König von Griechenland bzw. von dessen politischen Nachfolgern spricht. Sogar für die Endzeit sagt die Bibel einen „griechischen“ Endzeitherrscher voraus, denn der Antichrist ähnelt auf das engste seinem historischen Vorgänger: Antiochus IV. Epiphanes. Sollte dies tatsächlich so sein, würde Christus bei seiner Wiederkunft nicht gegen das Römische Reich, sondern gegen Griechenland kämpfen, so ungewohnt dies auch klingen mag. Hierzu äußert sich Sacharja in bisher unverständlicher Weise, denn er schreibt erstaunlicherweise, dass in der letzten Zeit, wenn der Herr zum Endgericht vom Himmel erscheinen wird, Zion gegen Griechenland kämpfen wird. Sach. 9, 13 ff.:
„13 Denn ich habe mir Juda gespannt zum Bogen und Ephraim gerüstet und will deine Kinder, Zion, erwecken über deine Kinder, Griechenland, und will dich machen zu einem Schwert der Riesen. 14 Und der HERR wird über ihnen erscheinen, und seine Pfeile werden ausfahren wie der Blitz; und der Herr, HERR wird die Posaune blasen und wird einhertreten wie die Wetter vom Mittag. 15 Der HERR Zebaoth wird sie schützen, daß sie um sich fressen und unter sich treten die Schleudersteine, daß sie trinken und lärmen wie vom Wein und voll werden wie das Becken und wie die Ecken des Altars. 16 Und der HERR, ihr Gott, wird ihnen zu der Zeit helfen als der Herde seines Volks; denn wie edle Steine werden sie in seinem Lande glänzen. 17 Denn was haben sie doch Gutes, und was haben sie doch Schönes! Korn macht Jünglinge und Most macht Jungfrauen blühen.“
Diese Bibelstelle spricht von der Wiederkunft Jesu Christi in Macht und Herrlichkeit, wenn Gott über seiner Stadt Jerusalem erscheint (Vers 14):
„Und der HERR wird über ihnen erscheinen, und seine Pfeile werden ausfahren wie der Blitz; und der Herr, HERR wird die Posaune blasen und wird einhertreten wie die Wetter vom Mittag.“
und seinem Volk den Sieg geben wird über den Antichristen (Vers 15 und 16):
„Der HERR Zebaoth wird sie schützen, daß sie um sich fressen und unter sich treten die Schleudersteine, … Und der HERR, ihr Gott, wird ihnen zu der Zeit helfen als der Herde seines Volks;“
Dieser Vers ist nur dann verständlich, wenn man voraussetzt, dass in der Endzeit die Wiederholung eines historisch griechischen, weil seleukidischen Herrschers kommen wird. Auch an Sacharja 9 wird deutlich, dass die Rom-Theorie nicht weiterhilft. Die Sichtweise hingegen, die die Wiedererstehung eines „griechisch-seleukidischen“ Endzeit-Reiches voraussetzt, kann die Bibelstelle nachvollziehbar erklären. Wenn aber dieser Kampf zwischen Zion und Griechenland kommt, dann wird laut Sacharja 9 Gott vom Himmel her eingreifen und sein Volk und die Stadt beschützen. Das ist nichts anderes, als wir bislang auch schon an anderer Stelle festgestellt haben und bestätigt nur die hier vorgestellte Sichtweise.

1.33 Ergänzungen zu den Schenkeln

Die Beschreibung der Schenkel des Standbildes in Daniel 2, 33 lautet wörtlich: „seine Schenkel waren Eisen.“
Die naheliegendste Übersetzung dieses aramäischen Wortes „shoq“ ist meiner Meinung nach ganz schlicht „Schenkel“, nicht mehr und nicht weniger. Obwohl andere Oberschenkel oder Unterschenkelübersetzen oder auch Beine, übersetzen sämtliche (!) Luther-Übersetzungen ebenfalls ganz zurückhaltend nur mit „Schenkel“.
Der Text sagt allerdings nicht ausdrücklich, dass es sich um vier Schenkel handelt. Dies kann man lediglich aus der Anatomie des menschlichen Körpers ableiten, wäre aber rein sprachwissenschaftlich zulässig, da die grammatikalische Form sowohl den Dual als auch den Plural zulässt und es entspräche zudem dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte, da die vier Diadochen-Reiche auf Alexander folgten.
Das alles sind gute Gründe, im Standbild vier Schenkel zu unterstellen.
Außerdem ließe diese Sicht zu, den Traum vom Standbild mit dann vier Schenkeln mit Visionen Daniels an anderer Stelle in Übereinstimmung zu bringen, zum Beispiel mit dem Ziegenbock mit den zuletzt vier Hörnern oder dem Panther mit seinen vier Köpfen. Wenn alle in Daniel beschriebenen und umschriebenen Weltreiche geografisch und zeitlich richtig eingeordnet werden und man die Rom-Theorie ad acta legt, lässt dies, soweit mir bekannt, zum ersten Mal zu, dass alle Träume und Visionen Daniels miteinander korrelieren! Das ist m. E. etwas sehr Besonderes und Neues und damit eines der wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Auslegung in der Untersuchung der Danieltexte.
Nur, ganz so leicht ist es nicht. Denn Christus[43] hat, wie schon gesagt, zu Daniel nicht ausdrücklich gesagt, dass das Standbild vierSchenkel habe. Der Text ist hier sehr zurückhaltend und formuliert ohne Zahlwort lediglich „seine Schenkel waren Eisen“. Dieser Umstand muss auch in der Auslegung berücksichtigt werden.
Es ist interessant zu sehen, dass Gott in Daniel 11 nur zwei der insgesamt vier Diadochenlinien weiterführt, nämlich die der Ptolemäer und der Seleukiden. Die beiden dynastischen Linien von Lysimachus und Kassander werden in Daniel ausgelassen. Sie werden zwar durch die Erwähnung der vier Hörner des Ziegenbocks oder der vier Häupter des Panthers nachvollziehbar umschrieben, aber sie werden nicht in ihrer dynastischen Entwicklung ausdifferenziert. Im Buch Daniel werden Lysimachus und Kassander nirgends weiter erwähnt, schon gar nicht namentlich. Man kann sie in Daniel lediglich aus Kenntnis der profanen Weltgeschichte unter den vier Hörnern des Ziegenbocks oder den vier Häuptern des Panthers also neben den Ptolemäern und Seleukiden als die beiden anderen Diadochen-Dynastien subsumieren.
Dan. 11 befasst sich also ausschließlich mit der dynastischen Abfolge der beiden Häuser der Ptolemäer und insbesondere der Seleukiden, und zwar bis zu Antiochus IV. Epiphanes, in dem die Liste seleukidischer und eigentlich auch ptolemäischer Herrscher gipfelt, denn auf ihn allein fokussiert der Text.
Die Beschreibung des Antiochus ist auffällig raumgreifend. Sie nimmt also 24 der insgesamt 45 Verse (die ersten vier Verse zähle ich nicht mit) des elften Kapitels ein. Das ist mehr als 50%. Allein hieraus ist bereits die Bedeutung von Antiochus IV. Epiphanes für das Buch Daniel zu erkennen. Der textliche Umfang seiner Beschreibung übertrifft beispielsweise die Alexanders des Großen um ein Vielfaches. Das ist eine an Eindeutigkeit kaum mehr zu überbietende Betonung des Buches auf die Seleukiden und insbesondere auf Antiochus Epiphanes.
Aber: die 2. Hälfte der Passage über Antiochus Epiphanes passt ausschließlich auf sein endzeitliches Pendant: den Antichristen. So gesehen schlägt Dan. 11 also eine Brücke, die Antike und Endzeit miteinander verbindet.
Zunächst listet Dan. 11 augenscheinlich die antiken Ptolemäer- und Seleukiden-Könige auf. Allerdings gelingt dies Daniel bei näherem Hinschauen nur mäßig. Denn zum einen stoppt er bereits beim achten Seleukiden-König, obwohl es derer deutlich mehr gab und zum anderen lässt er bekanntermaßen den 2. Seleukiden-König weg. Dennoch sind die Dynastien der Seleukiden und Ptolemäer sehr gut in ihnen nachzuvollziehen.
Was ist das also für eine Aufzählung? Einerseits ist sie so genau, dass sie für bibelkritische Geister unerträglich ist und auf der anderen Seite ist sie derart fehlerbehaftet und mangelhaft?
Diese Aufzählung in Dan. 11 ist ein Text, der nichts anderes vorbereiten soll als die endzeitliche Aussage, dass der Antichrist ein Neo-Seleukide mit griechischer Prägung sein wird.
Der Text ist eben kein geschichtswissenschaftlicher Text, sondern ein prophetischer.
Zu Beginn des Textes zählt Daniel sozusagen alle seine antiken Vorläufer auf. Aber er listet diese historisch tatsächlich existent gewesenen Herrscher derart auf, wie sie in Gottes Prophetie passen (!) und nicht so, wie das laut Geschichtsschreibung der Fall bzw. unserer Meinung erfolgen müsste.
Dan. 11 schlägt eine Brücke, die Antike und Endzeit miteinander verbindet. Denn Daniel nimmt zwar Anlauf in der Antike, endet aber in der letzten Zeit:
Dan 10, 14: „Nun aber komme ich, dass ich dich unterrichte, wie es deinem Volk hernach gehen wird; denn das Gesicht wird erst nach etlicher Zeit geschehen.“
Dan. 11,40: „Und am Ende wird sich der König gegen Mittag mit ihm messen; und der König gegen Mitternacht wird gegen ihn stürmen mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen und wird in die Länder fallen und verderben und durchziehen.“
Spätestens ab Dan. 11, 40 handelt es sich also um das Ende!
Hier wird beschrieben, dass der König gegen Mitternacht (der König des Nordens – Antiochus IV. Epiphanes) den König gegen Mittag (den König des Südens) besiegt. Daraus folgt zwingend,
1. dass sich die in Dan. 11 beschriebene politische Struktur in der Zeit des Endes wiederholen wird.
2. Außerdem muss ein Herrscher aufkommen, der dem antiken Antiochus sehr ähnlich ist. Denn diese Figur wird in Dan. 11, 36-45 aus dem historischen Antiochus (Dan. 11, 21-35) entwickelt.
3. Diesem endzeitlichen Herrscher wird gelingen, was dem historischen Antiochus nicht gelang: er wird Ägypten erobern.
Hierüber haben wir an anderer Stelle bereits gesprochen.
Das wiederum bedeutet, dass für die Endzeit lediglich zwei Könige oder Königreiche wichtig sind. Diese beiden Endzeit-Herrscher sind Neo-Ptolemäer und Neo-Seleukiden.
Im Standbild werden diese beiden Endzeit-Herrscher durch die beiden Füße dargestellt: auf die Schenkel folgen zwei Füße.
Während auf der einen Seite die antiken Diadochen-Könige Kassander und Lysimachus kein endzeitliches Pendant haben und deshalb in der Prophetie Daniels ausgelassen werden, stehen in der Endzeit nur zwei Könige (ein Neo-Ptolemäer und ein Neo-Seleukide) im Fokus. Diese beiden Endzeit-Reiche entwickelt Dan. 11 aus ihren historischen Vorbildern, den historischen Ptolemäern und Seleukiden, die wiederum eine Hälfte der Diadochen darstellen.
Daniel zeigt also, dass auf Alexander den Großen vier Diadochen folgen (vier Hörner des Ziegenbocks, vier Köpfe des Panthers, vier Schenkel im Standbild). Aber für die prophetischen Aussagen zur Endzeit verwendet er nur zwei davon: nämlich nur die Ptolemäer und die Seleukiden.
Das ist die prophetische Struktur des 11. Kapitels und das ist m. E. auch der Grund, warum Gott in Daniel 2, 33 nicht „seine vierSchenkel waren Eisen“ schreibt (obwohl es vier Diadochen gab), sondern sich auf die Formulierung „seine Schenkel waren Eisen“ ohne weitere Zahlenangabe beschränkt.
Andererseits steht im Text aber auch nicht von „zweiSchenkeln“, um hiermit u. U. darauf hinzuweisen, dass sich Gottes Prophetie in Kapitel 11 auf nur noch zwei der Diadochen (die Seleukiden und Ptolemäer) beschränkt. Gott lässt die Anzahl der Schenkel unbestimmt, denn historisch waren es vier, prophetisch sind es nur zwei. Er legt sich in der Zahl der Schenkel nicht fest. Belassen wir es also auch dabei.
Die Schenkel sind also historisch gesehen 4, weil 4 Diadochen. Prophetisch gesehen sind es 2 Schenkel, denn nur die beiden Dynastien der Seleukiden und der Ptolemäer werden in der fortschreitenden Offenbarung Daniels in Kapitel 11 beschrieben. Der Text selbst, und er allein ist wichtig, lässt beide Deutungen zu, und zwar sowohl in linguistischer, historischer und prophetischer Hinsicht.
Daniels Sicht beginnt mit einer unbestimmten Zahl von Schenkeln im Standbild. Im Lauf seines Buches und der fortschreitenden Offenbarung wird deutlich, dass es 4 Diadochen gab, also 4 Schenkel gemeint sein können. Im 11. Kapitel zeigt Daniel, dass Gott in seiner Prophetie nur zwei der vier Diadochen-Könige weiterführt. Diese beiden sind in Dan. 11 für die Endzeit vorhergesagt und im Standbild durch die 2 (!) Füße symbolisiert.
Nun wird die ganze Sache aber noch komplizierter. Daniel 11 zeigt uns für die Endzeit eine Auseinandersetzung zwischen den Neo-Seleukiden und den Neo-Ptolemäern, die der Neo-Antiochus für sich entscheiden wird. Wollte man nun diese Aussage auf das Standbild in Dan. 2 übertragen, bliebe von den zwei Füßen schlussendlich nur noch ein Fuß übrig. Damit aber würde das Standbild überstrapaziert.
Das Standbild war lediglich ein grober Rahmen am Beginn des Daniel-Buches, der die Abfolge der Weltreiche umreißt. Er diente zu unserer anfänglichen Orientierung.
Je weiter wir aber in Daniel fortschreiten und jetzt mittlerweile auch die Offenbarung des Johannes in unsere Betrachtung einschließen, desto mehr müssten wir das Standbild überinterpretieren, um mit der fortschreitenden Offenbarung Daniels mitzuhalten. Diese Überinterpretation tut der Sache aber nicht gut und führt schließlich zu falschen, weil überzogenen Ergebnissen. Es wird also deutlich, dass die Prophetie in Daniels 11 derart detailliert wird, dass ihnen die groben Vorgaben des Standbildes nicht mehr Genüge leisten können - und auch nicht sollen. Dennoch: der Anfang des Endzeit-Antiochus und seines Reiches war zunächst in der Antike[44], dann verschwand er von der Weltenbühne[45], um am Ende ganz unerwartet[46] wieder aufzukommen[47]. Weil jetzt langsam verständlicher wird, dass Daniel 11 ein „janusköpfiges missing-link“[48] zwischen der Antike und der Endzeit ist, wird nun auch die von Johannes in Offb. 17, 10f. gewählte Formulierung besser verständlich:
„Fünf sind gefallen, und einer ist, und der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kleine Zeit bleiben. Und das Tier, das gewesen ist und nicht ist, das ist der achte und ist von den sieben und fährt in die Verdammnis.“
Daniels Texte reichten aus der Antike bis weit in die Endzeit. Umgekehrt greift Johannes in seiner endzeitlichen Vision in Offb. 17 bis weit zurück in die Antike und legt für seine Sicht das Fundament in und auf Dan. 11. Er stützt und bezieht sich auf die 7 bzw. 8 Seleukiden-Könige, die Daniel ihm in seinem Text vorgibt[49].
Johannes bezieht sich also auf die Auflistung von Daniel, wenn er sagt, dass die ersten fünf Könige eben dieser Liste in Dan. 11 bereits Geschichte und für die Johannes-Apokalypse nicht mehr wichtig sind. Sie sind Historie und können schlichtweg ausgeblendet werden. Erst der sechste König aus der Daniel-Auflistung ist für die Sicht des Johannes wichtig: er „ist da“[50].
Es wird deutlich, dass die Johannes-Apokalypse genauso „janusköpfig“ ist, wie Daniel auch - zumindest hier in Kapitel 17. Denn einerseits berichtet sie von endzeitlichen Dingen, andererseits hat sie ihre Wurzeln aber tief in der Antike, nämlich in Daniel 11. Beide Texte ergänzen sich. Was für ein genialer Bogen!

1.34 Der Gräuel der Verwüstung

Interessant ist in dem Zusammenhang, dass Antiochus IV. Epiphanes in Jerusalem einen Gräuel der Verwüstung angerichtet hat und kein Römer. Diesen Gräuel der Verwüstung hat laut Gottes Wort also ein Seleukide angerichtet! Es kann sich daher nicht um eine römische Feldstandarte handeln, die im Zweiten Tempel im Jahr 70 n. Chr. aufgestellt wurde, wie vielfach - u.a. auch von dem renommierten Theologen Dr. Liebi aus der Schweiz, den ich ansonsten sehr schätze - behauptet wird.
Die Beschreibung der Ptolemäer und Seleukiden in Daniel 11 ist janusköpfig.
Sie beschreibt sowohl die antike Abfolge der Seleukidenkönige als auch Ereignisse in der Endzeit, die hier ineinander verwoben sind, denn es werden Ereignisse beschrieben, die sowohl in der Antike geschehen sind als auch für die Endzeit vorausgesagt werden. Dies gilt insbesondere für den Gräuel der Verwüstung. Er wird in folgenden Bibelstellen erwähnt:
Dan. 8, 11:
„Ja es wuchs bis an den Fürsten des Heeres und nahm von ihm weg das tägliche Opfer und verwüstete die Wohnung seines Heiligtums.“
Dan. 8, 13:
„Ich hörte aber einen Heiligen reden; und ein Heiliger sprach zu dem, der da redete: Wie lange soll doch währen solch Gesicht vom täglichen Opfer und von der Sünde, um welcher willen diese Verwüstung geschieht, dass beide, das Heiligtum und das Heer, zertreten werden?“
Dan. 9, 27:
„Er wird aber vielen den Bund stärken eine Woche lang. Und mitten in der Woche wird das Opfer und Speisopfer aufhören. Und bei den Flügeln werden stehen Gräuel der Verwüstung, bis das Verderben, welches beschlossen ist, sich über die Verwüstung ergießen wird.“
Dan. 11, 31:
„Und es werden seine Heere daselbst stehen; die werden das Heiligtum in der Feste entweihen und das tägliche Opfer abtun und einen Gräuel der Verwüstung aufrichten.“
Dan. 12, 11:
„Und von der Zeit an, wenn das tägliche Opfer abgetan und ein Gräuel der Verwüstung aufgerichtet wird, sind eintausend und zweihundertneunzig Tage.“
Der Gräuel der Verwüstung besteht laut Daniel 8, 13 im Zertreten des Heiligtums und des Heeres; mithin also in der Zerstörung des Tempels und der Tötung der jüdischen Menschen. Dabei sind die genannten Bibelstellen in Dan. 8, 9 und 12 in die Zukunft zu verlegen, während Dan. 11 bereits Vergangenes beschreibt, denn diese Verwüstung wurde nachweislich durch den historischen Antiochus IV. Epiphanes in Jerusalem aufgerichtet. In der Synopse dieser 4 Stellen wird deutlich, welch enge Verbindung der Gräuel der Verwüstung zu Antiochus IV. Epiphanes besitzt.
Die beiden Verse 11 und 13 in Dan. 8 sind in die Endzeit zu verlegen, weil der Engel Gabriel dies Daniel in Dan 8, 17 selbst sagt:
„Und er trat nahe zu mir. Ich erschrak aber, da er kam, und fiel auf mein Angesicht. Er aber sprach zu mir: Merke auf, du Menschenkind! denn dies Gesicht gehört in die Zeit des Endes.“
Dan. 9, 27 gehört ebenfalls in die Endzeit, denn hier ist die Rede von der 70. Jahrwoche, die aber erst mit der Wiedergeburt Jerusalems beginnt:
„Er wird aber vielen den Bund stärken eine Woche lang. Und mitten in der Woche wird das Opfer und Speisopfer aufhören. Und bei den Flügeln werden stehen Gräuel der Verwüstung, bis das Verderben, welches beschlossen ist, sich über die Verwüstung ergießen wird.“
Auch Dan. 12, 11 gehört in die Zeit des Endes. Denn dieser Gräuel der Verwüstung steht bereits mit den dreieinhalb Jahren der zweiten Hälfte der 70. Jahrwoche in Verbindung.
Dan. 12, 7:
„Und ich hörte zu dem in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Flusses stand; und er hob seine rechte und linke Hand auf gen Himmel und schwur bei dem, der ewiglich lebt, dass es eine Zeit und [zwei] Zeiten und eine halbe Zeit währen soll; und wenn die Zerstreuung des heiligen Volks ein Ende hat, soll solches alles geschehen.“
Das wird auch in Dan. 12, 11 noch einmal deutlich, denn dieser Vers handelt von 1.290 Tagen, die ebenfalls nur in die zweite Hälfte der Jahrwoche passen, denn die erste Hälfte ist stets und ausnahmslos 1.260 Tage lang.
Dan. 12, 11:
„Und von der Zeit an, wenn das tägliche Opfer abgetan und ein Gräuel der Verwüstung aufgerichtet wird, sind eintausend und zweihundertneunzig Tage.“
Die einzige Ausnahme hingegen bildet Dan. 11, 31. Denn aus dem Textzusammenhang von Kapitel 11 geht eindeutig hervor, dass diese Begebenheit dem historischen Antiochus IV. Epiphanes zuzuordnen ist.
Es wird also folgendes deutlich: der Gräuel der Verwüstung wurde zunächst von dem historischen Antiochus Epiphanes angerichtet, und zwar in Jerusalem auf seiner Rückkehr von seinem missglückten Feldzug nach Ägypten. Dieser historische Gräuel der Verwüstung wird sich in der Endzeit wiederholen, und zwar ebenfalls in Jerusalem.
Denn Jesus verweist und erinnert für die Endzeit massiv an Daniels Vorhersagen, wenn er in Mt. 24, 15 ff. sagt:
„Wenn ihr nun sehen werdet den Gräuel der Verwüstung (davon gesagt ist durch den Propheten Daniel), dass er steht an der heiligen Stätte (wer das liest, der merke darauf!), 16 alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Lande ist; …“
Jesus verweist hier also sehr eindringlich auf die Aussagen des Propheten Daniel zum Gräuel der Verwüstung. Aber welche der Bibelstellen in Daniel meinte er?
Eigentlich konnte er allein diejenigen Bibelstellen meinen, die von der Endzeit sprechen. Denn die Prophetie, die Daniel von Antiochus Epiphanes in Kapitel 11, 31 im 5. Jahrhundert v. Chr. aufschrieb, wurde bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. durch eben diesen Antiochus Epiphanes erfüllt. Sie kann Jesus also nicht gemeint haben.
Weil aber die einzige Person, die in der ganzen Bibel mit dem Gräuel der Verwüstung in Verbindung gebracht wird, ein Seleukide war (nämlich jener Antiochus), kann Jesus in Matthäus 24 nicht die Römer gemeint haben.
Er kann nur die - oder besser - „den“ Seleukiden gemeint haben. Vor diesem Hintergrund muss die komplette Endzeitrede Jesu verstanden werden.
Sicherlich gibt es Elemente, die auch zur Zeit 70 n. Chr. bei der Zerstörung Jerusalems in Erfüllung gingen, aber die endgültige und eigentliche Zeit, die Jesus mit seinen Endzeitreden beschreibt, ist die 70. Jahrwoche, die aber auch heute noch in der Zukunft liegt.
Durch diese Sichtweise wird nunmehr deutlich, dass Jesus vorhersagt, dass ein neuer, endzeitlicher „Antiochus Epiphanes“ kommen wird. Denn wenn Jesus so hartnäckig auf Daniel verweist und Daniel tatsächlich das einzige Buch in der ganzen Bibel ist, das von einem solchen „Gräuel der Verwüstung“ spricht, und wenn Daniel diesen Gräuel der Verwüstung ausschließlich mit Antiochus IV. Epiphanes in Verbindung bringt, dann kann Jesus mit seinen Worten ausschließlich meinen, dass ein neuer Seleukiden-König am Ende der Zeit aufkommt.
Vergessen wir nicht: die Prophetie über die Seleukiden und insbesondere über Antiochus Epiphanes stammt von Christus selbst, dem Menschensohn!
Auch zu Lebzeiten Jesu, also zu dem Zeitpunkt, als Christus im Fleisch war, kannte Jesus das Buch Daniel sicherlich außerordentlich gut, denn es war SEIN Wort an Daniel im 5. Jahrhundert vor Christus …
Vor diesem Hintergrund müssen die Endzeitreden Jesu vollkommen neu gedeutet und gewertet werden.

1.35 Die jüdische Sicht des Buches Daniel

Abschließend soll Daniel 11 noch einmal aus rein jüdischer Sicht betrachtet werden. Theoretisch war für die Juden des vierten, dritten und zweiten Jahrhunderts v. Chr., wenn sie das Buch des Propheten Daniel kannten, durchaus möglich, Alexander den Großen als den griechischen König (den „Ziegenbock“) aus der Daniel-Prophetie zu identifizieren, weil nur er Medo-Persien besiegt hat. Diese Meinung wird durch Flavius Josephus durchaus bestätigt:
„Als man ihm [Alexander, Anm. d. Autors] nun das Buch Daniel zeigte, in welchem vorausgesagt war, ein Grieche werde der Perser Reich zerstören, hielt er sich selbst für diesen Griechen.“
(Josephus Flavius, Jüdische Altertümer, 11. Buch, Kap. 8, Abs. 5).
Diese Begebenheit soll sich laut Josephus um das Jahr 332 v. Chr. ereignet haben. Angeblich hat Alexander den Juden große Gunst erwiesen, was man darauf zurückführte, dass Alexander annahm, Daniel habe prophetisch über ihn geschrieben; was ja auch so ist.
Selbst wenn sich das historisch so nicht zugetragen haben sollte, war es allein anhand der Daniel-Prophetie und der geschichtlichen Ereignisse für bibelkundige Juden grundsätzlich dennoch möglich, den griechischen König, der die Perser besiegte, auf Alexander den Großen zu deuten.
Auch die vier Nachfolge-Könige Alexanders, die vier Diadochen, konnten bibelkundige Juden aus dem Danieltext durchaus erkennen. Denn es gab keine andere politische Struktur, die dieser geähnelt hätte, denn Alexander hatte nachweislich neben den Diadochen keine weiteren Nachfolger. Damit müssten die Juden aus ihrer damaligen zeitlichen Perspektive der Auffassung gewesen sein, dass das Standbild nicht zwei Beine, sondern zwei bzw. vier Schenkel hat. Denn sie hatten keine andere Möglichkeit, als die Aussagen Daniels mit der damaligen Geschichte abzugleichen[51]. Wenn aber die Juden des 4. und 3. Jahrhunderts v. Chr. Alexander den Großen und die Diadochen in der ihnen gegenwärtigen politischen Welt vor dem Hintergrund der Aussagen des Buches Daniel identifizieren konnten, dann konnten die „danielkundigen“ Juden des 2. Jahrhunderts v. Chr. auch den „König des Südens“ als Ptolemäus I. und den „König des Nordens“ als Seleukus I. deuten. Denn sie beide waren Fürsten dieses den Juden bekannten Königs aus Griechenland, herrschten im Süden bzw. im Norden von Israel und folgen in Dan. 11, 5 übergangslos dem Vers 4, in dem die Diadochen angedeutet sind (s.o.). Wenn sie aber den König des Nordens als Seleukus I. erkennen konnten, dann konnten die Juden des 2. Jahrhunderts v. Chr. die ihnen sicherlich bestens bekannten historischen Abläufe unmittelbar mit Daniel 11 abgleichen und so auch Antiochus IV. Epiphanes als den König des Nordens in Daniel 11, 21 ff. identifizieren! Die Menschen und insbesondere die Juden der damaligen Zeit waren nicht dumm. Wenn sie sich so eingehend mit den Prophetien Daniels beschäftigt haben, wie das allgemein angenommen wird, war ihnen damals schon grundsätzlich die gleiche historische Deutung von Dan. 11 auf die Ptolemäer und Seleukiden möglich, die wir heute auch für diesen Text kennen[52].
Was für sie zu ihrer Zeit allerdings nicht verständlich war, war der Umstand, dass die 2. Hälfte von Daniel 11 bei oberflächlicher Betrachtung zu sagen scheint, dass Antiochus IV. Epiphanes bei der Belagerung Jerusalems ums Leben kommen würde (Dan. 11, 45):
„Und er wird den Palast seines Gezeltes aufschlagen zwischen zwei Meeren um den werten heiligen Berg [das ist der Berg Zion, Anm. d. Autors], bis es mit ihm ein Ende werde; und niemand wird ihm helfen.“
Sehr wahrscheinlich hat dieser Vers bei den Juden für einige Verwirrung gesorgt, denn sie mussten der Auffassung sein, dass Antiochus Epiphanes bei der damaligen Belagerung und Eroberung Jerusalems sterben würde. Wir wissen heute, dass diese Verse nicht mehr von dem historischen, sondern von einem endzeitlich zu erwartenden Pendant des historischen Antiochus, dem Antichristen, sprechen, weil zwischen Vers 35 und 36 ein zeitlicher Sprung in die Endzeit liegt. Diese Kenntnis war den Juden zur damaligen Zeit aber noch nicht möglich, weil sie wichtige Verse des Neuen Testamentes noch nicht besaßen, die lange zeitliche Perspektive des historischen Rückblicks unserer Tage nicht hatten und nicht wiedergeboren waren. Die Aussage vieler Ausleger, dass die Auslegung des Buches Daniels auf das Römische Reich unter anderem von den Juden und der Urgemeinde immer schon so gesehen worden sei, ist meines Erachtens aus den vorgenannten Gründen nicht wirklich belastbar. Ein weiteres Argument für die Rom-Theorie verschwindet.

1.36 Wo sind die römischen Cäsaren?

Unterstellt man trotz der oben geführten Argumentation dennoch, Daniel hätte mit seiner Prophetie das Römische Reich gemeint, warum werden dann in Kapitel 11 nicht römische Cäsaren aufgelistet? Warum zeigt der Menschensohn Daniel in ganzen drei der insgesamt zwölf Kapitel des Danielbuches die Dynastien der Ptolemäer und insbesondere die der Seleukiden gleichsam als Höhepunkt danielischer Prophetie und beendet das Buch Daniel damit? Diese und weitere Fragen müssten die Vertreter der Rom-Theorie beantworten, bevor ihre Auslegung glaubwürdig wäre. Alle Vertreter der Rom-Theorie, die ich bisher hierzu befragt habe, sind diese Antworten schuldig geblieben. Wenn die Bibel ausgelegt wird, müssen sich die Ausleger eng an den Text der Schrift halten. Das was die Schrift sagt, muss deutlich gepredigt werden. Das was sie nicht sagt, soll auch nicht in sie hineininterpretiert werden. Wenn unser Bekenntnis ist, dass wir allem glauben, was die Schrift sagt, ist dies der Grundsatz für jegliche Auslegung der Bibel. Und sie bleibt es. Die komplette Vision in Daniel 10, 11 und 12 stammen ja nicht von einem Engel, sondern vom „Menschensohn“, mithin von Christus höchstpersönlich! Wir sollten ihr tunlichst Gehör schenken!

1.37 Eisen, Erz, Ton

Abschließend möchte ich noch auf einen interessanten Umstand hinweisen. Denn in Daniel 2, 34 und 35 steht folgendes geschrieben:
„Solches sahest du, bis dass ein Stein herabgerissen ward ohne Hände; der schlug das Bild an seine Füße, die Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. 35 Da wurden miteinander zermalmt das Eisen, Ton, Erz, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf der Sommertenne.“
Als Daniel das Bild auslegt, verkehrt er die Reihenfolge der Materialien.
Dan. 2, 45:
„wie du denn gesehen hast einen Stein, ohne Hände vom Berge herabgerissen, der das Eisen, Erz, Ton,Silber und Gold zermalmte.“
Aus dem Standbild sollte man eigentlich erwarten, dass die richtige Reihenfolge Ton, Eisen, Erz wäre. Aber in Vers 35 spricht er von Eisen, Ton, Erz und Vers 45 spricht er von Eisen, Erz, Ton.
Das liegt daran, dass alle drei Materialien auf das Reich Alexanders des Großen verweisen. Im Standbild war sein Reich aus Erz (der Bauch), die vier Diadochen (die Schenkel) waren aus Eisen und in der Endzeit werden die Neo-Diadochen (die beiden Füße) aus Eisen mit Ton gemengt bestehen. Aber alle 3 Reiche gehören zu Alexander dem Großen bzw. verweisen auf ihn. Sie sind insoweit eins. Deshalb spielt die Reihenfolge der Materialien keine Rolle und Daniel verwendet sie in beliebiger Reihenfolge. Damit sind wir am vorläufigen Ende der Auslegung Daniels angelangt. Die Konsequenzen aus dieser Sicht sind weitreichend und erstrecken sich bis ins Neue Testament und insbesondere auch in die Offenbarung hinein, denn auch hier müssen bisher lieb gewonnene Sichtweisen und insbesondere die Deutung der Endzeit auf das Römische Reich korrigiert werden, was zu interessanten und aufschlussreichen Erkenntnissen führt. Durch sie wird einmal mehr die Zuverlässigkeit des Wortes Gottes bis in kleinste Details bewiesen.
Aus der jetzt erarbeiteten Perspektive ergeben sich - wie oben kurz beschrieben - weitreichende Konsequenzen für die Auslegung weiterer eschatologischer Bibeltexte. Das Ergebnis eröffnet ganz ungeahnte Möglichkeiten einer alternativen Auslegung und wird in den nachfolgenden Kapiteln auf diverse Texte angewendet und weiter vertieft.
Die westliche Christenheit hat sich weit von der Bibel und ihren christlichen Wurzeln entfernt. Sie kann sich kaum mehr vorstellen, dass Gott noch einmal so nachhaltig in die Weltgeschichte eingreifen wird, wie dies im Buch Daniel beschrieben wird und ich muss zugeben, dass es auch für mich geradezu unglaublich klingt. Aber die starken Beweise innerhalb Daniels und der Bibel insgesamt führen mich schlussendlich zu der festen Überzeugung, dass die Rom-Theorie nicht mehr haltbar ist. Diese hier vorgestellte Alternative belegt meines Erachtens aber sehr deutlich und nachhaltig die Genauigkeit und Inspiration der Schrift. Und das ist ja auch ein schönes Ergebnis der Beschäftigung mit Prophetie. Der christliche Glaube beruht nicht auf Gefühl, sondern er beruht auf den Fakten der Heiligen Schrift. Der Glaube kommt aus der Predigt und die Predigt kommt aus dem Wort Gottes. Wenn, wie hier dargelegt, alle Prophetien von Daniel so wunderbar zusammenpassen, dann ist das Wort aller Annahme wert, wie Paulus an anderer Stelle schreibt. Dann ist auch der Glaube an Jesus Christus eine durch die Schrift begründete Hoffnung, die im Glauben anzunehmen möglich ist. Dieser Glaube an Jesus Christus ist es, der allein zum Heil führt.
[1]Wuppertaler Studienbibel, SCM R. Brockhaus, 1998, S. 133, 2. Absatz [2] Mexiko, Panama, Kolumbien und Venezuela [3] D.i. Äthiopien [4] „Aber ein Fürst wird ihn lehren aufhören mit Schmähen, daß er nicht mehr schmähe.“ - Das war Lucius Cornelius Scipio Asiaticus, ein römischer Feldherr und Konsul, der Antiochus II. in der Schlacht bei Magnesia besiegte (s.u.). [5] Dan. 11, 30a: „Denn es werden Schiffe aus Chittim wider ihn kommen, daß er verzagen wird und umkehren muß.“ - Auf einem dieser Schiffe aus Chittim befand sich lt. Geschichtsschreibung Gaius Popillius Laenas. [6] Daniels Prophetie endet mehr oder weniger mit dem Tag von Eleusis im Jahr 168 v. Chr. (s. Dan. 11, 30). [7] Wikipedia: „Der Friede von Apameia war ein in der kleinasiatischen Ortschaft Apameia Kibotos 188 v. Chr. geschlossener Friede zwischen der Römischen Republik und dem Seleukidenreich. Dem Frieden ging die Schlacht bei Magnesia 190 v. Chr. voraus, in der die Römer unter den Feldherren Lucius Cornelius Scipio, später Scipio Asiaticus genannt, und Publius Cornelius Scipio Africanus mit den verbündeten Truppen aus Pergamon über den Seleukidenkönig Antiochos III. siegten. In diesem Frieden verpflichtete sich König Antiochos III., 12.000 Talente in 12 Jahresraten an die Römer zu zahlen, außerdem die Kriegsschiffe bis auf 10 auszuliefern. Der kleinasiatische Besitz fiel an die römischen Verbündeten in Asien, Rhodos und Pergamon, die als asiatische Mittelstaaten zu Gegenspielern des Seleukidenreichs aufgebaut wurden. Der Frieden von Apameia bedeutete den Aufstieg Roms zur bestimmenden Macht im östlichen Mittelmeer. Die Bestimmungen des Friedensvertrages sind bei Polybios (Polybios 21, 42, 1–27) und bei Livius (Livius 38, 38) überliefert.“ (Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/ Friede_von_Apameia, Abfragedatum: 02.05.2017) [8] Eigentlich existierten die Diadochen und das Römische Reich Jahrhunderte nebeneinander. Die Blütezeit Roms war im 1. Jhdt. n. Chr. Aber weder das Auftreten noch die Blütezeit Roms werden in Daniel beschrieben. Daniel überspringt in seiner Prophetie das Römische Reich komplett. Er zielt mit seiner Prophetie auf die Endzeit, ohne Rom auch nur zu erwähnen. Nach danielischer Sicht wird in der Endzeit eine andere Struktur auftreten: Die der historischen Seleukiden und der Ptolemäer wird sich wiederholen. Nicht die eines wiedererstehenden römischen Reichs in Form von zehn europäischen Staaten. [9] Das hat bereits der historische Antiochus getan, kann aber gleichzeitig auch schon auf den Antichristen hinweisen. [10] Auch das hat bereits der historische Antiochus getan, kann aber wiederum auch schon auf den Antichristen deuten. [11] Hier ist ein sehr starker Hinweis auf die letzte Zeit. Denn diese Formulierung ist die Gleiche wie in Dan. 11, 36. Spätestens ab hier handelt es sich um den Antichristen. [12] Diese Auflistung ist nur sehr schwer zu verstehen und setzt die Kenntnis voraus, das Jerusalem am Ende der Zeit durch Krieg und Belagerung in „Wehen“ und zum Glauben an Jesus Christus kommt. Siehe dazu das Buch: „Die Wiedergeburt Jerusalems“, Achim Klein, bod, 2016. Eine detaillierte Erklärung der Verse sprengt den hier vorgegebenen Rahmen. Die o.g. Anm. zu den Versen soll vorerst genügen, da sie unser Thema nur streifen. [13] Alexander IV. Aigos (* 323 v. Chr.; † 310 v. Chr. [bisweilen wird in modernen Darstellungen auch 311 bzw. 309 v. Chr. erwogen]) war Sohn Alexander des Großen und der sogdischen Prinzessin Roxane. Er war der Alleinerbe des von seinem Vater aufgebauten Königreiches, das sich von Makedonien bis zu westlichen Teilen von Indien erstreckte. (Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_IV._Aigos, Abfragedatum: 23.01.2018) [14] Alexander hatte noch einen weiteren Sohn: Herakles (geb. 327 v. Chr., ermordet 309 v. Chr.). Er war ein illegitimer Sohn Alexanders des Großen aus dem Hause der Argeaden und der Barsine, Tochter von Satrap Artabazos II. von Baktrien. Herakles entsprang einem Liebesverhältnis Alexanders des Großen mit Barsine und wurde im Jahre 327 v.u.Z. in Baktrien geboren. Barsine machte sich auf den Weg nach Kleinasien, sie lebte mit ihrem Sohn in Pergamon, als Alexander starb. Als illegitimer Sohn Alexanders kam er für die Nachfolge nicht in Frage. Es kann kein Zweifel darüber aufkommen, dass dieser Herakles wirklich von Alexander abstammte, auch wenn sich dieser nur wenig um ihn gekümmert hatte. Herakles hielt sich mit seiner Mutter in Kleinasien auf. Polyperchon ließ ihn nach Makedonien kommen, ursprünglich wohl in der Absicht, ihn im Kampf gegen Kassander einzusetzen. Aber Polyperchon war ein ganz und gar wankelmütiger Mensch, der sich durch Versprechungen Kassanders bewegen ließ, Herakles umzubringen. Barsine teilte sein Schicksal. Der Tod der beiden fiel wenige Monate nach dem Tod Alexanders IV. ins Jahr 309 v. Chr. Herakles war, wie es heißt, 14 oder 15 Jahre alt geworden. (Quelle: http://www.manfred-hiebl.de/mittelalter-genealogie/_hellenismus/h/herakles_alexandersohn_309/herakles_alexandersohn_309.html- Abfragedatum: 23.01.2018) [15] Diadochen im engeren Sinne sind lediglich die Reichsgründer selbst. Ihre dynastischen Nachfolger werden als „Epigonen“ bezeichnet. [16] Natürlich gab es noch mehr Ptolemäer-Könige, aber die Prophetie Daniels beschränkt sich auf die hier genannten. [17] aus: Roger Liebi, „Weltgeschichte im Visier des Propheten Daniel", Schwengeler-Verlag, CH-9442 Berneck, 1986, S.86 [18] Im Jahr 169 v. Chr. war Gaius Popillius Laenas als Gesandter in Griechenland und hielt sich kurz vor der Schlacht von Pydna auf Delos auf, um dort den Ausgang des Dritten Makedonischen Krieges abzuwarten. Nach dem römischen Sieg begab er sich umgehend nach Alexandria, um Antiochos IV. das römische Ultimatum zu überbringen, das den sofortigen Abzug aus dem besetzten Ägypten verlangte (vgl. Sechster Syrischer Krieg). Als dieser zögerte, zeichnete Popillius mit seinem Stock in den Sand einen Kreis um sich und Antiochus mit der Aufforderung, sich vor dem Verlassen des Kreises zu entscheiden. Seine schroffe Art und die mittlerweile übermächtige Position Roms als kommender Weltmacht veranlassten Antiochus zur Unterwerfung unter die römischen Forderungen sowie seinen Abzug (das war der sog. „Tag von Eleusis“). Danach versanken die Seleukiden mehr und mehr in die Bedeutungslosigkeit. [19] Quelle: Wikipedia, https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kittim, Abfr.-Datum: 23.04.2017 [20] Quelle: https://www.bibelkommentare.de/index.php?page=dict&article_id=1517, Abfragedatum: 23.04.2017 [21] Lucius Cornelius Scipio Asiaticus und Gaius Popillius Laenas [22] Denn Kapitel 10 beschreibt die Buße Daniels als Voraussetzung, diese Prophetie von Gottes Engel zu erhalten. [23] Offb. 13, 2: „Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen.“ [24] Dan. 11, 42 f.: „Und er wird seine Hand ausstrecken nach den Ländern und Ägypten wird ihm nicht entrinnen, sondern er wird Herr werden über die goldenen und silbernen Schätze und über alle Kostbarkeiten Ägyptens; Libyer und Kuschiter werden ihm folgen müssen.“ [25] Gaius Plinius Secundus Maior, auch Plinius der Ältere (* 23 oder 24 in Novum Comum, heute Como; † 25. August 79 in Stabiae am Golf von Neapel), war ein römischer Gelehrter, Offizier und Verwaltungsbeamter, der vor allem durch die Naturalis historia, ein enzyklopädisches Werk zur Naturkunde Bedeutung erlangt hat. Er starb während des großen Vesuvausbruchs im Alter von etwa 55 Jahren. [26] Quelle: Wikipedia - „Dekapolis - https://de.wikipedia.org/wiki/Dekapolis - Abfragedatum: 25.04.2017 [27] Wikipedia (Abfragedatum 13.12.2017): Aretas IV. Philopatris (Harithath; eigentl. Äneas) war König der Nabatäer etwa von 9 v. Chr. bis 40 n. Chr. Er gilt als einer der wichtigsten bekannten Könige der Nabatäer und wird deshalb auch als „Aretas der Große“ bezeichnet. Unter seiner Regierung erlebte das nabatäische Reich seinen Höhepunkt. Um 9 v. Chr. wurde Äneas nach dem Tod seines (vermutlichen) Bruders Obodas III. als Aretas König der Nabatäer. Sein verwandtschaftliches Verhältnis zum Königshof konnte nie gänzlich geklärt werden. Der Namenszusatz „IV.“ ist lediglich eine moderne Durchnummerierung der bekannten nabatäischen Könige. Auf nabatäischen Inschriften nennt man ihn meist: Aretas, König von Nabatu, der sein Volk liebt. Daher auch der Zusatz Philopatris, „der sein Vaterland liebt“. Aretas IV. hatte zwei Frauen: Huldu (Chuldu, 1–16) und Shaqilath (Shuqeilat, seine Schwester, ab 23). Seine Tochter Phasaelis heiratete Herodes Antipas. Nachdem sich Herodes von ihr hatte scheiden lassen, um Herodias, die Frau seines Bruders und Mutter von Salome, zu heiraten, floh Phaesalis zurück zu ihrem Vater. Die Beziehungen zwischen Herodes und Aretas waren schon zuvor wegen Grenzstreitigkeiten gespannt, und so fiel Aretas im Winter 36/37 in Judäa ein und nahm das Gebiet entlang des Jordans in Besitz, einschließlich der Gebiete um Qumran. Der Geschichtsschreiber Flavius Josephus verband diese militärischen Auseinandersetzungen mit der Enthauptung Johannes’ des Täufers, die sich etwa zur gleichen Zeit ereignete und die Herodes Antipas anordnen ließ. Unter der Regentschaft Aretas' erreichte das nabatäische Reich seine größte Ausdehnung: im Süden den nördlichen Hedschas (oberhalb von Hegra), im Westen die Sinai-Halbinsel und im Norden den Hauran. In der nabatäischen Hauptstadt Petra ließ Aretas ein großes Theater errichten. Im Laufe der Zeit wurde es von ursprünglich 3000 Sitzplätzen auf etwa 7000 erweitert. Das Neue Testament berichtet, dass Paulus von Tarsus in Damaskus durch den dortigen Statthalter von König Aretas verfolgt wurde: „In Damaskus ließ der Statthalter des Königs Aretas die Stadt der Damaszener bewachen, um mich festzunehmen. Aber durch ein Fenster wurde ich in einem Korb die Stadtmauer hinuntergelassen und so entkam ich ihm.“ - Paulus von Tarsus: 2. Brief des Paulus an die Korinther 11,32-33 - Aretas IV. starb um das Jahr 40. Sein ältester Sohn Malichus II. wurde sein Nachfolger. Mit 49 Jahren war Aretas' Regierungszeit die längste bekannte Regierungszeit aller nabatäischen Könige. [28] 2 Kor 11, 32 ff: „In Damaskus bewachte der Statthalter des Königs Aretas die Stadt der Damaszener und wollte mich gefangen nehmen, und ich wurde in einem Korb durch ein Fenster die Mauer hinuntergelassen und entrann seinen Händen.“ Apg. 9, 22 ff: „Saulus aber gewann immer mehr an Kraft und trieb die Juden in die Enge, die in Damaskus wohnten, und bewies, dass Jesus der Christus ist. Nach mehreren Tagen aber hielten die Juden Rat und beschlossen, ihn zu töten. Aber es wurde Saulus bekannt, dass sie ihm nachstellten. Sie bewachten Tag und Nacht auch die Tore, um ihn zu töten. Da nahmen ihn seine Jünger bei Nacht und ließen ihn in einem Korb die Mauer hinab.“ [29] Denn dieser Stein, der ohne Hände herabgerissen wird, wird das Standbild an die Füße schlagen und zertrümmern. Er wird alle Weltreiche zerstören und selbst zu einem großen Berg werden, der die Erde füllt und sein Reich wird kein Ende nehmen - siehe Dan. 2, 34 und 44). [30] Offb. 17, 12 f.: „Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier.“ [31] Nur zum Beispiel (Quelle: wikipedia, https://de.wikipdia.org/wiki/Chu_(Staat), Abfragedatum: 01.05.2017): „Chu (chinesisch 楚, Pinyin Chǔ, W.-G. Ch'u) war ein Königreich im Gebiet des heutigen Süd-China während der Westlichen Zhou-Dynastie (1046 bis 771 v. Chr.), der Zeit der Frühlings- und Herbstannalen (722 bis 481 v. Chr.) und der Zeit der Streitenden Reiche (475 bis 221 v. Chr.). Ursprünglich war das Land als Jing (荆) und nachfolgend als Jingchu (荆楚) bekannt. Die größte Ausdehnung umfasste ein umfangreiches Gebiet, einschließlich das der heutigen Provinzen Hunan, Hubei, Chongqing, Henan und Teile von Jiangsu. Die Hauptstadt von Chu war Ying. Chu war zu seiner Zeit einer der mächtigsten Staaten und unterwarf zum Beispiel auch den kleineren Staat Lu im heutigen Shandong. Größere Bedeutung erlangte Chu erstmals unter der Herrschaft von König Zhuang.“ [32] Dan. 11, 42: „Und er wird seine Hand ausstrecken nach den Ländern und Ägypten wird ihm nicht entrinnen, sondern er wird Herr werden über die goldenen und silbernen Schätze und über alle Kostbarkeiten Ägyptens; Libyer und Kuschiter werden ihm folgen müssen.“ [33] Diese angebliche Deutung Jesu steht u.a. in Mt. 24,15 ff: „15 Wenn ihr nun sehen werdet den Greuel der Verwüstung (davon gesagt ist durch den Propheten Daniel), daß er steht an der heiligen Stätte (wer das liest, der merke darauf!), 16 alsdann fliehe auf die Berge, wer im jüdischen Lande ist; 17 und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hernieder, etwas aus seinem Hause zu holen; und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. 19 Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen zu der Zeit!“ Diese Worte Jesu werden von den Vertretern der Rom-Theorie so verstanden, dass sie sich bereits bei der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. durch Titus erfüllt hätten. Zur Untermauerung werden vielfach historische Berichte der Stadt und ihrer Belagerung durch die Römer zitiert. M. E. darf man hierin durchaus eine Vorerfüllung erkennen. Aber die endgültige Erfüllung dieser Vorhersagen wird erst in der letzten Zeit sein. Die Worte Jesu werden vielfach auf die Rom-Theorie angepasst. Gäbe es keine Rom-Theorie, könnten die Verse durchaus anders gedeutet werden. Denn es ist auffällig, dass Jesus in Matthäus 19 von Schwangeren und Säugerinnen spricht. Diese Worte deuten auf die Wiedergeburt Jerusalems hin, denn „schwanger“ und „säugend“ ist in der Endzeit Zion. Das war aber 70 n. Chr. noch nicht der Fall. Viele Ausleger ziehen hier die historischen Berichte zurate, statt auf den von der Bibel vorgegebenen Strukturen und Denkmustern zu beharren. [34] Der ausgelassene König ist der zweite Seleukiden-König: Antiochus I. Soter (281-261 v. Chr.) [35] Von ihm wird z. B. in Dan. 11, 45 gesagt, dass er bei der Belagerung Jerusalems sein Ende findet. Der historische Antiochus IV. Epiphanes starb aber in Isfahan und nicht bei der Belagerung Jerusalems. Das war ein weiterer Grund für Kritiker, Daniel als nicht authentisch zu betrachten. Allerdings ist in Dan. 11 ein Zeitsprung zwischen Vers 35 und 36 vorhanden, der zu dem endzeitlichen Pendant des historischen Antiochus IV. Epiphanes führt. [36] An Dan. 11,45 wird also erneut deutlich, dass Daniel einen Seleukiden-König zeichnet und damit weder nach Rom zielt noch ein neu erstehendes Europa vorhersagt. Denn von keinem römischen Feldherrn und auch von keinem seleukidischen König ist berichtet, dass sie bei der Belagerung Jerusalems umgekommen wären. [37] Dieses Geheimnis ist sehr viel komplexer, als dass es hier im Detail dargestellt werden könnte. Die verkürzte Erklärung ist für unsere Zwecke aber hinreichend genau. [38] Offb. 17, 5: „und auf ihrer Stirn war geschrieben ein Name, ein Geheimnis: Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden …“ [39] Offb. 17, 6b: „Und ich wunderte mich sehr, als ich sie sah.“ [40] Offb. 17, 11: „Und das Tier, das gewesen ist und jetzt nicht ist, das ist der achte und ist einer von den sieben und fährt in die Verdammnis.“ [41] siehe Kapitel 17.1 „Die historische Situation zur Zeit des Ahas“ [42] Dan. 9, 27: „Er wird aber vielen den Bund stärken eine Woche lang.“ Der Grund dafür, dass dieser Fürst einen Bund mit „vielen“ schließt und nicht mit einem Staat liegt darin begründet, dass Nordisrael kein Staat im eigentlichen Sinne ist, sondern lediglich eine eigenwillige Abspaltung des gesamten Landes Israel. [43] „Der Mann in Leinwand mit dem goldenen Gürtel“ (Dan. 10, 5) gleicht in seiner Beschreibung dem Menschensohn in Offb. 1, 13 und ist Christus selbst. Daniel erhält die Vision in Dan. 10, 11 und 12 also von Christus selbst. [44] Dan. 11 [45] Offb. 13, 3a: Und ich sah seiner Häupter eines, als wäre es tödlich wund;“ Offb. 13, 14: das „Tier, das die Wunde vom Schwert hatte …“ [46] Offb. 13,3c: „Und der ganze Erdboden verwunderte sich des Tieres,“ [47] Offb. 13,3b: „und seine tödliche Wunde ward heil.“ Offb. 13, 14: das „Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.“ [48] Der Ausdruck gefällt mir im vorliegenden Zusammenhang nicht wirklich, trifft aber den Sachverhalt einigermaßen. [49] Diese Textbezogenheit und Treue zum gesprochenen und geschriebenen Wort Gottes ist meines Erachtens sehr wichtig, und wird oft sträflich vernachlässigt. Bei den Auslegungen und Auslegern werden bei der Deutung solcher Texte nicht selten voreilig und unstrukturiert Vermutungen geäußert und Bedeutungen in den Text hineingelegt, die der Text gar nicht enthält. Sie schöpfen aus allerlei anderen Quellen, statt sich am Text der Heiligen Schrift zu orientieren und zu binden. Wir wollen uns bei der Deutung der Endzeitkönige eng an den Text der Bibel halten und von dort schöpfen, um nicht der Spekulation und dem Irrtum Tür und Tor zu öffnen. Gerade im Buch Daniel, das wie kein anderes von Träumen und Visionen berichtet, finden wir außerordentlich oft die Formulierung, dass Daniel sich einen Text der Bibel durchlas, oder der Engel ihm sagte, was geschrieben ist, oder das, was fest beschlossen ist. Immer wieder gab es bei den Visionen einen klaren Textbezug. Keine Vision wurde von sich aus im freien Raum und Äther gedeutet, in Loslösung von dem Buch der Bücher. Damit will Gott uns etwas sehr Wichtiges sagen: die Bibel legt sich mit der Bibel aus. [50] Wann wird das sein? Vermutlich dann, wenn Gott diese Offenbarungen für uns zugänglich macht. Vielleicht heute … [51] Auch wenn frühe Kirchenväter das im Buch Daniel beschriebene, sogenannte vierte Reich vermehrt auf das Römische Reich deuteten, konnten die eisernen Schenkel des Standbildes erst ab 395 n. Chr. auf Ost- und Westrom umgedeutet werden, denn erst dann erfolgte die Reichsteilung Roms. Erst ab diesem Ereignis war somit diese (unrichtige) Interpretation für oberflächliche Zuhörer überhaupt erst plausibel, weil sie als politische Entwicklung ihrer Zeit sichtbar war. [52] Anmerkung: Eine Deutung der eisernen Schenkel des Standbilds auf ein geteiltes Römisches Reich war m. E. insbesondere für die Juden des 3., 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. und über die Zeitenwende hinaus bis zur Reichteilung des Römischen Reichs im Jahr 395 n. Chr. aufgrund ihrer bisher deutlich griechisch geprägten Auslegungstradition in gar keiner Weise plausibel. Denn Juden und die Urgemeinde konnten in der Zeit vor 395 n. Chr. noch gar kein geteiltes Römisches Reich sehen. Zumindest die jüdische und sicher auch die urchristliche Auslegungstradition des Buches Daniel war aller Wahrscheinlichkeit nach von der massiven Gräzisierung Alexanders und der Diadochen geprägt. Von dieser Gräzisierung des Nahen Ostens bis weit in die Regierungszeit des Römische Reichs hinein zeugen nicht zuletzt die Beschreibungen in den Apokryphen Büchern der Bibel, die Schriften von Flavius Josephus und viele weitere historische Berichte sowie ganz offensichtlich der Umstand, dass das ganze Neue Testament in Griechisch und nicht in Latein verfasst wurde.
Related Media
See more
Related Sermons
See more